FreakAngels wurde von dem Starautoren Warren Ellis (Planetary, Global Frequency) ursprünglich für das Internet geschrieben, in regelmäßigen Abständen erscheinen neue Seiten der Geschichte im Web. In Deutschland sind die Helden und ihre Erlebnisse auf myComics.de zu finden. Panini bringt die Serie nun auch in gesammelter Form als gedruckte Alben heraus.
Eine der besten Nachrichten gleich vorweg: die Episodenhaftigkeit der Geschichte, die der Erscheinungsform geschuldet ist (schließlich erscheinen online in regelmäßigen Abständen ein paar Seiten), ist dem gedruckten Band an keiner Stelle anzumerken. Es wirkt alles wie aus einem Guss. Man bekommt den Eindruck, dass die Geschichte für eine Graphic Novel konzipiert worden ist (was ja eben nicht der Fall ist). Und das ist wieder ein Zeichen dafür, dass Warren Ellis ein hervorragender Autor ist. Er hat alle Handlungsfäden sicher in seiner Hand.
Die ganze Geschichte ist hervorragend strukturiert. So werden die Freak Angels nicht, wie sonst in vergleichbaren Serien, in einer Gruppe vorgestellt oder nach und nach mit ihren charakteristischen Eigenschaften eingeführt. Sie treten vielmehr so auf, wie es die Story gerade erforderlich macht. Es werden also einer außenstehenden Person nicht die Mitglieder dieser Gruppe psychisch begabter junger Leute vorgestellt, nach dem Muster „Dies ist der und dies ist jene, und das sind ihre Begabungen“, sondern sie treten nach und nach in Erscheinung. Wenn also etwas besorgt werden muss, wird etwa Jack vorgestellt, dessen Aufgabe es ist, in dem überfluteten London Dinge zu beschaffen. Muss etwas repariert werden, wird die Ingenieurin Carolyn eingeführt. Das hat zur Folge, dass der Leser im ersten Band noch gar nicht alle Freak Angels kennenlernt, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht benötigt wurden. Indem sich Ellis in dieser Hinsicht von der erzählerischen (Comic-) Konvention löst, wird die Geschichte für den Leser um einiges intensiver, da es ihn umso mehr in die Handlung einzieht.
Besonders zeichnerisch merkt man aber, dass die Geschichte für das Internet konzipiert worden ist, da so einige Konzessionen an das Medium gemacht werden mussten. Für sehr detaillierte Zeichnungen müssen die Bildschirme hoch auflösend sein und je nach Größe und Qualität wären Details schwer erkennbar. Abgesehen davon, dass sehr filigran ausgearbeitete Bilder auch eine höhere Übertragungszeit benötigen und so den Leser aufgrund einer hohen Datenmenge eventuell eine Geduldsprobe aufgenötigt hätten. Indem Paul Duffield die Hintergründe sehr flächig gestaltet und die Gesichter stilisiert, also auf viele Details verzichtet, sind die Zeichnungen ideal für eine Veröffentlichung im Web. Gerade bei Gesichtern und bei Actionszenen merkt man die Herkunft des Zeichners aus dem Mangabereich an, auch wenn FreakAngels nicht im Mangastil gezeichnet ist, sondern vielmehr einen reduziert realistischen Strich hat.
Die Story ist ziemlich entschleunigt. Ellis lässt sich viel Zeit, um die Geschichte zu entwickeln und die Personen vorzustellen. Das passt auch zu der geschilderten Welt, in der die Figuren leben. Ohne Elektrizität leben die Menschen in einer Welt, die sie nach einer Katastrophe wieder halbwegs aufbauen müssen. Den Mechanismen der Moderne sind sie nicht mehr unterworfen und es läuft alles umso langsamer ab. Indem Ellis auch langsam erzählt, findet sich der Leser umso mehr in dieser Welt wieder. Auch wenn richtige Action erst gegen Ende des ersten Bandes einsetzt, so ist die Geschichte trotzdem sehr spannend zu lesen, da jede Figur wirklich einen eigenständigen Charakter hat und die neue Welt anders und nur noch entfernt mit unserer vergleichbar ist. Dadurch ergibt sich eine Gruppendynamik und Gruppenspannung, die psychologisch stimmig ist und ein hohes Konfliktpotential beinhaltet. Vor allem, da jeder der Freak Angels Mental-Kräfte hat. Und es ergeben sich genügend Hinweise auf künftige Bedrohungen, so dass man gespannt auf den Fortgang der Geschichte wartet. Ellis spannt zudem den Leser noch zusätzlich auf die Folter, weil er die Hintergründe und Vergangenheit seiner Figuren nicht erzählt. Er begnügt sich bislang mit Andeutungen. Und der größte und einzige Nachteil des Bandes: Er ist viel zu schnell zu Ende.
Wertung:
Hervorragende erzählerische Struktur, psychologisch stimmige Profile und Konfliktpotenziale ohne Ende, präsentiert mit stimmungsvollen dynamischen Zeichnungen. Kurz: ein Meisterwerk
FreakAngels 1
Panini Comics, November 2010
Text: Warren Ellis
Zeichnungen: Paul Duffield
144 Seiten, farbig, Softcover
ISBN: 978-386201023-3
Preis: 16,95 Euro
FreakAngels bei mycomics
Zur Comicgate-Rezension der US-Ausgabe
Abbildungen © Ellis/Duffield, der dt. Ausgabe: Panini Comics