Rezensionen

Epidermophytie 14

Cover Epidermophytie 14 von Karsten SchreursStellt Euch einfach mal vor, Ihr bekämt die Zusammenfassung der Handlung (!) eines Pornofilms (hier: deutscher Erotikfilm, auch als Lederhosenfilm bekannt) vorgesetzt, ohne diesen zu kennen. Könnte ja sein. Und nun sollt Ihr auf maximal sechs Seiten zeichnerisch umschreiben, was Ihr glaubt, worum es in dem Film geht.
Verspricht spaßig zu werden, oder?
Genau das haben sich die Jungs des Berliner Fußpilz-Comicmagazins auch gedacht und ihr zweijähriges Epidermophytie-Zölibat pünktlich zum Comic-Salon 2008 gebrochen.

Sieben Filme, größtenteils aus den umtriebigen 70ern mit so schönen Titeln wie „Geh, zieh Dein Dirndl aus!“ oder „Ach, jodel mir noch einen!“, mussten also dran glauben. Und wenn eins nicht passiert ist, dann das, dass da ein simples Pornoheftchen draus geworden ist. Auf – jeweils – sechs Seiten passt 'ne Menge Handlung, und das wurde reichlich ausgenutzt. Direkt drei Beiträge sind Science-Fiction-mäßig angehaucht, in anderen erhält man Einblicke in das Pornofilmgeschäft, in dem alles auf Knopfdruck funktionieren muss.

Auch einen Krimi hat die Mannschaft im Angebot – Andreas Hartung gibt dem Begriff „Eierschneider“ eine ganz neue Bedeutung. Seine Adaption von „Verlorene Eier oder Sex-Wahn in der Psychatrie“ ist, wie man nun vielleicht schon erraten hat, eine etwas unappetitliche Angelegenheit und hat mit Erotik nicht wirklich mehr was zu tun. Hatte aber der Originalfilm vielleicht auch schon nicht.

Seite von Rolf Nölte aus Epidermophytie 14 Die visuelle Erwartungshaltung erfüllt wohl am besten Rolf Nölte mit der Umsetzung von „Ach, jodel mir noch einen!“. Da stranden knapp bekleidete außerirdische Damen mit ihrem Raumschiff auf der Erde (s. links), weil der Sprit ausgegangen ist. Flugs bemüht man sich um Nachschub – passenderweise läuft die Kiste mit Sperma – und sammelt, was die Herren von der Alp hergeben. Zum Glück sind die Aliens sehr ansehnlich, so dass sich die hilfsbereiten Dorfbewohner nicht lange bitten lassen müssen.

Der stimmigste Beitrag mit dem doppeldeutigen Titel „22 cm oder einige Erlebnisse des stellungssuchenden Gerd M.“ stammt von Alex Gellner, der hier durchaus eine richtige Geschichte zu erzählen weiß über einen Kerl, der als Darsteller in Pornofilmchen seine Haushaltskasse aufbessern will, vor der Kamera dann aber doch seine Probleme bekommt.

Und durch Usi B. Fitzenreiters Adaption von „Making Of Karate, Küsse, Blonde Katzen“ erweitert der Leser sogar seine Allgemeinbildung – er erfährt, wie die Fließbandproduktion von Filmen in Hongkong in riesigen Studiohallen in den Siebzigern ablief.

Auch fein: Von Karsten Schreurs bekommt man endlich mal wieder was in der Comicabteilung zu sehen – von ihm stammt das Cover.

Es gibt allerdings zwei Knackpunkte bei dieser außergewöhnlichen Zusammenstellung:
1.) Einige Beiträge haben Probleme mit der Pointe oder zumindest einem runden Schluss. Während die Handlungen selber ordentlich rübergebracht werden, schwächeln sie auf der Zielgerade und lassen den Leser … unbefriedigt zurück.
2.) Den eigentlichen Reiz zieht das Magazin aus der Umsetzung eines unbekannten Pornofilms bzw. dem, was in den Köpfen der Künstler vor sich geht. Dadurch, dass die Handlungszusammenfassungen, auf denen die Comicseiten basieren, dem Leser nicht zugänglich gemacht werden, verpufft der ganze Effekt. Man würde gerne mitverfolgen, von welchen Vorlagen aus die Texter und Zeichner ausgegangen sind und ob man selber ganz anders rangegangen wäre. Vielleicht gab es rechtliche Probleme, die Texte aus dem Buch „Das etwas humorvolle Lexikon des deutschen Erotikfilms“ abdrucken zu dürfen, anders kann ich mir dieses verschenkte Potenzial nicht erklären. Denn Epidermophytie 14 ist ansonsten liebevoll cinephil gestaltet – die Innenseiten des Umschlags stellen in schönen Kinoheadlinern die Vorlagen und Adaptionen mit Jahr, Land, Regisseur Alternativtiteln (“Make them Yodel Baby“, „Stroßtrupp Venus bläst zum Angriff“ etc.) und Texter/Zeichner/Website vor. Ungünstig aber, die eigentliche Idee, auf der das Magazin basiert, ans Ende zu stellen. Mir war vor dem Lesen klar, worum es ging, weil AHA es mir auf dem Comic-Salon erklärt hatte, deswegen hatte ich meinen Spaß damit. Jeder andere, der ins kalte Wasser geworfen wird und nicht zuerst auf die letzte Seite geschaut hat, ist beim Lesen sicherlich verwirrt, was das eigentlich soll; der Dreh- und Angelpunkt fehlt dann erstmal.

Fazit: Eine tolle, ungewöhnlich Idee wird auf unterschiedlichem, aber immer unterhaltsamem Niveau von diversen Textern und Zeichnern umgesetzt. Der Spaß ist der Sammlung spürbar anzumerken. Die breite Stilvielfalt von einfachen, großformatigen Schwarzflächen (Fourbaux, „Sumuru oder Die Insel der toten Männer“) bis hin zu filigranen Tuschezeichnungen mit aufwendigem Lettering und ungewöhnlichen Paneleinrahmungen (Kenichi Kusano, „Das Frauenhaus“) grenzt die einzelnen Beiträge voneinander gut ab, stört aber nicht den Gesamteindruck. Das kinomäßige Layout verschafft einen sympathischen Start, die – vielleicht gewzungenermaßen – inkonsequente Gestaltung lässt allerdings das Konzept auf der Zielgeraden absaufen und vergibt dadurch die Möglichkeit, dass das hier richtig groß hätte sein können. Allein die originelle Idee dahinter macht aber auch schon einen Riesenspaß.

Epidermophytie 14
Epidermophytie, Mai 2008
Sieben Adaptionen nach Stefan Rechmeiers Buch „Das etwas humorvolle Lexikon des deutschen Erotikfilms“
von Andreas Hartung, Fourbaux, Usi B. Fitzenreiter, Jakob Mebes, Rolf Nölte, Kenichi Kusano und Alexander Gellner
44 Seiten, s/w, Softcover; 5,- Euro
PDF-Teaser

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Bilder © Karsten Schreurs (Cover), Ralf Nölte (Beispielseite) sowie Epidermophytie