Rezensionen

Django Unchained

Cover Django UnchainedDer afroamerikanische Filmregisseur Spike Lee war not amused, dass Quentin Tarantino mit seinem Django-Film das Thema der Sklaverei in den amerikanischen Südstaaten aufgriff: Ausgerechnet der ewige Hipster Tarantino, dessen Obsession mit dem Schimpfwort „Nigger“ schon immer ausgeprägt war, selbst in seinem Debutfilm Reservoir Dogs, in dem gar keine Schwarzen vorkamen. Und Quentin Tarantino ist seit seinen frühen Jahren nicht sensibler geworden. Warum auch, erhält er doch inzwischen sogar von afroamerikanischen Stars wie Samuel L. Jackson, Pam Grier oder Jamie Foxx Rückendeckung. Letztendlich ist sein Django-Film – wie zu erwarten war – ein typischer Tarantino-Reißer geworden, was nicht bedeutet, dass Django Unchained ein schlechter Film ist. Im Gegenteil: Das Skript ist exzellent, viele Sequenzen zählen zum Besten, was Tarantino bisher inszeniert hat und gerade die Schauspieler liefern hervorragende Arbeit. Dennoch spürt man stets die manchmal etwas manierierte Handschrift des großen Meisters.

Ganz anders hingegen wirkt die Comicadaption, die der Produzent und Autor Reginald Hudlin zusammen mit Zeichner R.M. Guera und einer Reihe von Aushilfszeichnern gestaltet hat. Sie muss ohne die filmischen Stilmittel des Regisseurs funktionieren und erzählt dieselbe Geschichte daher mit schon beinahe entgegengesetzter Akzentuierung. So enthält der Comic zwar sämtliche Dialogsequenzen, wie sie auch im Film verwendet wurden, aber sie dominieren die Geschichte nicht so sehr wie im Film. Stattdessen haben die verantwortlichen Künstler viele Szenen weit epischer herausgearbeitet, die im Film eher beiläufig abgearbeitet werden. Allein für die Ku-Klux-Klan-Sequenz benötigt der Zeichner R.M. Guera zehn Seiten Raum, sechs davon fast ohne Worte. Der häufig lakonischen und sehr tarantinoesken Inszenierung setzt Guera hier eine geradlinige Actionregie entgegen, die der Story erstaunlich gut steht und den Comic zu einer völlig eigenständigen Erfahrung macht. Und selbst der Humor funktioniert im Comic ebenso gut wie im Film.

Seite aus Django UnchainedBei Tarantino ist die Inszenierung stets etwas ironisch und doppelbödig. Das ist beim bewussten Overacting der Schauspieler in vielen Szenen der Fall, aber auch beim Einsatz von anachronistischer Soulmusik und natürlich bei den absurd blutigen Schießereien, in denen die Blutfontänen wie Wasserbomben explodieren. Jede Szene schreit einem förmlich ins Gesicht, dass es Film ist, künstlich und allein um der Unterhaltung willen gemacht, und dass man das Gezeigte nicht ernst nehmen darf. Der Comic dagegen erzählt die Handlung mit den Mitteln der besten Actioncomics. Während Django beispielsweise im Film die Bacall-Brüder mit der Pistole recht lässig abknallt, bevor er aufbricht, um seine Broomhilda zu befreien, zelebriert der Comic diese Episode über viele Seiten hinweg als furiosen Rachefeldzug mit der Axt. Was Guera aus diesen Szenen herausholt, lässt den Film fast blass aussehen. Hier ist die Comicadaption richtig großes Kino, das einen förmlich vom Sitz reißt, während im Film Understatement vorherrscht. – Dennoch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass auch der Film in vielen Szenen einen starken Eindruck hinterlässt.

Seite aus Django UnchainedIm Übrigen erhebt der Comic ja noch den Anspruch, die Langfassung bzw. Urversion des Films zu sein. Auch hier überzeugt die Adaption, denn die Einflechtung der im Film weggelassenen Szenen bereichert die Geschichte um weitere wertvolle Handlungsbausteine. Wie eingangs schon erwähnt, hat R.M. Guera nicht die komplette Adaption gezeichnet, andere Zeichner haben ausgeholfen, um die Adaption zeitnah zum Film fertigstellen zu können. Das sorgt für einen recht heterogenen Stilmix, ist aber durchaus auch abwechslungsreich. So zeichnet Jason Latour beispielsweise seine Südstaaten-Snobs in einem herrlich karikierenden Stil, den Guera auf diese Weise sicher nicht hinbekommen hätte. Und auch Danijel Zezelj zaubert bewährt atmosphärische Szenen aufs Papier. Im Gegensatz zu Jason Latour, der konsequent alle Rückblenden zeichnet, kommt Zezeljs Einsatz allerdings unmotiviert und bewirkt einen recht krassen Stilbruch. Der vierte Zeichner, Denys Cowen, zeichnet konventionell und gut, und auch wenn er nicht ganz die Klasse von Guera erreicht, zählen einige seiner Seiten zu den wahrhaftigsten des Buchs. So müssen Westerncomics aussehen.

Dem Eichborn Verlag ist es zudem hoch anzurechnen, dass im Impressum erwähnt wird, welcher Künstler welche Seiten gestaltet hat. Die amerikanische Originalausgabe von Vertigo unterschlägt diese Info völlig, was ich für etwas respektlos halte. Den Bonusteil mit Skizzen und zusätzlichen Zeichnungen hat Eichborn nahezu vollständig übernommen, die Übersetzung ist durchgehend hervorragend.

 

Wertung: 9 von 10 Punkten

Die Filmadaption von Django Unchained überzeugt durch eine eigenständige Inszenierung, die den Film noch einmal völlig neu erleben lässt. Großes Kino.

 

Django Unchained
Eichborn Verlag, Dezember 2013
Text: Reginald Hudlin, nach dem Originaldrehbuch von Quentin Tarantino
Zeichnungen: R.M. Guera, Danijel Zezelj, Denys Cowen, Jason Latour
Übersetzung: Dietmar Schmidt
272 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 19,99€
ISBN: 978-3-8479-0538-7

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Eichborn Verlag