Rezensionen

Die Lichter des Amalu

 Mit der Fantasy-Reihe Les Lumières de l'Amalou wurde Zeichnerin Claire Wendling bekannt und mehrfach preisgekrönt. In den neunziger Jahren erschienen die ersten drei Alben der fünfbändigen Serie auch auf deutsch; Teil 1 und 2 als Amalu, Teil 3 als Die Lichter von Amalou. Obwohl Wendling beim Comic-Salon 2004 mit einer Ausstellung geehrt wurde, musste man in Deutschland auf die beiden letzten Episoden sehr lange warten. Nun gibt es also endlich die komplette Serie, mit einem abermals leicht veränderten deutschen Titel: In der Carlsen-Ausgabe heißt die Fantasy-Geschichte Die Lichter des Amalu, was auch sinnvoll ist, da es sich bei dem titelgebenden „Amalu“ um einen Fluss handelt.

In diesem Fluss liegt die kleine Insel, auf der die Geschichte ihren Ausgang nimmt. Elwood und Andrea, zwei sogenannte „Pelzer“ (eine Art Mischwesen aus Mensch und Tier) legen dort bei einem Flugversuch eine Bruchlandung hin und treffen auf andere Pelzer, aber auch auf Menschen und auf „Durchscheiner“, die bei Dunkelheit unsichtbar werden. Bisher hatten die beiden Pelzer angenommen, Durchscheiner gäbe es nur in der Legende – ebenso wie die sagenumwobene Große Eiche, die als gottgleicher Schöpfer der Welt gilt, in der die Geschichte spielt. Jene Große Eiche wird schon bald zur zentralen Figur der Story. Es bricht ein großer Konflikt um sie aus, der nicht nur die Eiche selbst, sondern jegliches Leben bedroht, und ehe sie sich's versehen, sind Elwood und Andrea, zusammen mit der hübschen Durchscheinerin Orane, mittendrin in diesem Strudel.

 Die Lichter des Amalu ist eindeutig Fantasy, zeigt sich jedoch als eher ungewöhnlicher Genre-Vertreter. Statt eindeutig guten und bösen Mächten gibt es viele Grauschattierungen bei den Hauptfiguren, auf fiese Monster wird weitgehend verzichtet, ebenso wie auf epische Schlachten und actionreiche Duelle. Im Vordergrund stehen die verschiedenen Figuren und ihre Konflikte. Die Protagonisten sind weder die typischen Fantasyheroen noch die klassischen Underdogs, die über sich hinauswachsen müssen, um die Welt zu retten. Sie stolpern eher unfreiwillig ins Abenteuer und lassen sich treiben, und Autor Christophe Gibelin (Abersen) entwickelt diese Geschichte auf eher leise Art und Weise. Claire Wendlings Zeichnungen vermitteln dies hervorragend: ihr Strich ist detailreich und relativ realistisch, besitzt jedoch eine skizzenhafte Leichtigkeit und erinnert auch ein wenig an Zeichentrickfilme.

Leider wird die Geschichte nicht sehr geradlinig, sondern mit fortschreitender Handlung mehr und mehr in einem verwirrenden Zick-Zack-Kurs erzählt. Am Ende wollen sich all die Schnörkel, Abwege und Verzweigungen nicht recht zu einem kunstvollen Ganzen zusammenfügen. Vielmehr hat man den Eindruck, als hätte Gibelin im Verlauf der sechsjährigen Arbeit an der Serie nicht immer genau gewusst, wohin er mit seiner Story eigentlich will. Das wirklich hübsche Artwork von Claire Wendling weiß diese Schwächen jedoch aufzuwiegen. Ihre lebendigen Zeichnungen, in erdigen Farben koloriert, wirken so frisch, als wären sie mal eben ganz leicht auf die Seite getupft worden.

Umso ärgerlicher ist es da, dass die Reproduktion auf einigen Seiten von eher schlechter Qualität ist, da dem Verlag keine perfekten Daten zur Verfügung standen. Ansonsten ist die Hardcover-Gesamtausgabe, die alle fünf Originalalben enthält, absolut gelungen, auch wenn man auf umfassendes redaktionelles Zusatzmaterial verzichten muss. Dafür ist der Verkaufspreis mit knapp 40 Euro für 240 Seiten vergleichsweise günstig.

Die Lichter des Amalu
Carlsen Comics
, Mai 2009
Text: Christophe Gibelin
Zeichnungen: Claire Wendling
Hardcover; 240 Seiten; farbig; 39,90 Euro
ISBN: 978-3-551-77251-0

Leider etwas wirre Geschichte, aber klasse gezeichnet

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Abbildungen: © Carlsen Verlag