Rezensionen

Der Herr der Finsternis

 Die fantasiereiche Welt von Dyfed steht vor einer unheimlichen Bedrohung: Fedath, der Herr der Finsternis, stürzt mit einer enorm großen Armee von Orks und anderen bösen Gestalten die Länder in den Krieg. Verbündete Menschen, Elfen und Zwerge stellen sich dem übermächtigen Gegner in den Weg und verteidigen ihre Gebiete in großen Schlachten. An ihrer Seite kämpft auch Bran, ein weiser Magier, der  letzte der Ravenfelds. Dieser begibt sich auf die Suche nach einem mysteriösen Buch, das den Schlüssel zum Sieg gegen Fedath beinhalten soll.

Wer angesichts dieser Inhaltsbeschreibung eine unverkennbare Anlehnung an die Herr der Ringe-Trilogie vermutet, der liegt genau richtig. Die Geschichte verfolgt ein im Großen und Ganzen ganz ähnliches Konzept wie die Romane von J.R.R. Tolkien bzw. die Filme von Peter Jackson, erst im Detail lassen sich aber auch eigenständige Elemente in diesem Comic entdecken.

Schade ist, dass man die im Original vierbändige Reihe nur allzu schnell durchschaut und sich die Story damit unweigerlich zur lahmen Kopie degradiert. Gemäß den Titeln der bekannten Filme gibt es auch in Herr der Finsternis einen Zusammenschluss der unterschiedlichen Völker, eine Versammlung von Gefährten, einen imposanten Turm, in dem der zweitmächtigste Bösewicht haust und auch ein auserwählter Krieger kristallisiert sich rechtzeitig zum Showdown heraus. Noch auffallender ist da nur noch die Ähnlichkeit zwischen Bran und Gandalf, die eigentlich eine fast identische Funktion für die Rahmenhandlung einnehmen.

Dabei verschenkt Szenarist Jean-Luc Istin die Gelegenheit, aus seinem Comic die vorhandene mythologische Bedeutung besser herauszuarbeiten. Die Grundlage der Welt von Dyfed basiert auf der Annahme, dass die unterschiedlichen Völker und auch der Herr der Finsternis selbst von einem Gott abstammen, der vor sehr langer Zeit eine verhängnisvolle Liason einging. Durch diesen vorangestellten erzählerischen Kniff gäbe es eigentlich die Chance, diesen Aspekt fortan stärker hervorzuheben, sowie die tragische Rolle des düsteren Feindes näher zu beleuchten. Stattdessen verliert sich Istin allzu sehr im Dickicht dieser Informationen und überschüttet den Leser erst einmal mit allerhand Namen, die man gerade im ersten Kapitel leicht durcheinander bringen kann. Im Kontrast dazu spielt der göttliche Ursprung für den Rest des Bandes kaum mehr eine Rolle, stattdessen setzt der Autor auf viel Magie und große Schlachten. Schade eigentlich.

Man muss sagen, dass Der Herr der Finsternis trotz aller Kritikpunkte ein solider Fantasycomic ist, der eben genau das verspricht, was man sich vorstellt, aber eben auch nicht mehr. Gut, die Handlung und einzelne Charaktere wirken leider deutlich abgekupfert, trotz allem liest sich die Geschichte durchaus flüssig und Freunde von Elfen, Orks, Zauberern und Kriegern bekommen eine solide Handlung bzw. akzeptablen Lesestoff für zwischendurch. Der größte Vorteil des Buches ist aber sicherlich die sehr effektreiche Bilderschau von Zeichner Dim.D. Oftmals in großformatigen Splashpages werden Großangriffe auf feindliche Festungen à la Herr der Ringe zelebriert und beeindruckend dargestellt. Das ist nicht unbedingt neu, aber auch in gedruckter Form nett anzuschauen. Hinzu kommt, dass Landschaften, Städte, Fahrzeuge sehr gelungen sind und sich durch ihre optische Präsenz einzuprägen wissen.

Dim.D ist ein Zeichner, der sich offenbar auch digitaler Hilfsmittel bedient, was schade ist, denn gerade was die Personendarstellungen betrifft, variieren seine Bilder immer ein wenig zwischen malerisch und computergeneriert. Dadurch kommt es phasenweise zu Problemen: Figuren wirken wie Schablonen vor Hintergründen, Konturen grenzen sich zu stark voneinander ab und Bewegungen geraten leicht statisch. Wer sich aber an diesen zeichnerischen Mängeln nicht zu sehr stört, dem ist  Der Herr der Finsternis durchaus als solide Genrekost zu empfehlen, zumal man mit dieser All-in-one-Edition nicht auf eine Fortsetzung warten muss, sondern alle vier Originalalben in einem Band bekommt.

 

Der Herr der Finsternis
Ehapa, Mai 2009
Szenario: Jean-Luc Istin
Zeichnungen: Dim.D
192 Seiten, Hardcover, 39,95 €
ISBN: 978-3-7704-3307-0

Solide Genrekost mit Schwächen

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