Der argentinische Künstler Juan Gimenez (Meta-Barone, Die vierte Macht) ist mit seinem unverkennbaren Zeichenstil vor allem als Koryphäe auf dem Gebiet der Fantasy und Science-Fiction bekannt. Mit dem in zwei Bänden veröffentlichten Comic Dein letztes Leben versuchte er sich an einer Hommage an alle Videospieler, beziehungsweise, wie Gimenez es selbst im knappen Vorwort ausdrückt, an all jene, „die mit leidenschaftlicher Hingabe vor ihren Monitoren die unvorstellbarsten Abenteuer erleben“. Das klingt nicht von ungefähr wie ein antiquierter Werbespruch aus den frühesten Anfängen des Personal Computers, nein, vielmehr ist Dein letztes Leben selbst ein Retro-Comic.
Hauptdarsteller des Zweiteilers ist der junge Fito, dem eine Demo-Diskette der neuen Entwicklerfirma „New World Game“ in die Hände fällt. Diese birgt nicht nur hyperrealistische Grafik und actionreiche Spiele, sondern auch eine tödliche Gefahr: Der User wird in seine Atome zerlegt und tatsächlich ins Spiel transferiert. Ein Umstand, aus dem Fitos Freundin Clara nur im komatösen Zustand herauskommt. Zusammen mit einem Spieletester schlägt sich Fito fortan durch alle möglichen Level der verfügbaren Games, in der Hoffnung, bei erfolgreichem Durchzocken Clara aus dem Koma befreien zu können.
Die Handlung des Comics ist sehr schlicht aufgebaut. Der Leser wird Zeuge, wie die beiden Spieler sich in einer Art virtuellen Realität durch diverse Dungeons, Kriegsschauplätze oder Fantasywelten schlagen müssen. Ob als Kampfjetpilot, Archäologe, Krieger oder sogar im Froschkostüm, die Ausflüge ins Land der Videospiele werden episodenhaft erzählt und folgen stets einem bestimmten Ziel oder sind auf Punktejagd ausgelegt. Inklusive Endbosse natürlich. Wie man es von Videospielen gewohnt ist.
Juan Gimenez möchte hier futuristisch sein, gleichzeitig aber auch nostalgisch. Mit Disketten, Telefonmodems und C64-Joysticks reaktiviert er die Achtziger und frühen Neunziger Jahre, leider will so etwas wie Retrocharme trotz alledem nicht aufkommen. Dein letztes Leben ist ein unausgegorenes Werk, das neben einigen erzählerischen Schwächen auch grafisch an vielen Stellen unglücklich gestaltet ist.
Das fängt an beim teilweise uninspirierten Design der Videospiele und endet beim emotionslosen Mimenspiel (Glubschaugen, offene Münder) der Figuren.
Abgesehen davon, dass das Grundkonzept stark an Tron erinnert (vor allem auch die Darstellung der Übertrittsphase in die Cyberdimension), sind die Dialoge weitestgehend schlecht ausgearbeitet und die Erzählform, in der Fito als Ich-Erzähler aus dem Off jeden Schritt kommentiert, einfach unpassend gewählt. Und wenn man diese beiden Techniken als Autor nicht beherrscht, muss man sich nicht wundern, wenn der Leser spätestens beim virtuellen Strippoker im ersten Band ein wenig Fremdschämen verspürt.
Zur Fairness sollte man noch erwähnen, das Gimenez im zweiten Teil zumindest auf grafischer Ebene mehr von seinem tatsächlichen Können aufblitzen lässt. Denn dort sind die fantasievollen Welten opulenter und der Künstler wirkt spürbar sicherer und einfallsreicher.
Wertung:
Seltsamer Comic mit Videospiel-Thematik, der in keiner Hinsicht überzeugen kann
Dein letztes Leben
Splitter Verlag
Text und Zeichnungen: Juan Gimenez
Übersetzung: Oriol Schreibweis
Preis: je 16,80 Euro
Erstes Buch
Oktober 2011
72 Seiten, farbig, Hardcover
ISBN: 978-3-86869-403-1
Zweites Buch
April 2012
80 Seiten. farbig, Hardcover
ISBN: 978-3-86869-404-8
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag