Rezensionen

Courtney Crumrin und die Gilde der Geheimnisse

Endlich setzt Eidalon diese tolle Serie fort und veröffentlicht den zweiten Band über ein Mädchen, das nicht so recht zu den anderen Kindern passt – sie würde es aber auch gar nicht wollen.
Seit sie mit ihren Eltern zu ihrem geheimnisvollen Großonkel Aloysius gezogen ist, lernt die eigensinnige Courtney eine Welt neben der „normalen“ kennen; besiedelt von den geheimnisvollen Wesen der Nacht, Hexen, Magiern und sprechenden Katzen.

Meine Erwartungen waren nach dem ersten Band hoch geschraubt – aber sie wurden nicht enttäuscht.
Wiederum gelingt Ted Naifeh die Balance zwischen Horror, Humor, Sozialkritik und Wärme ausgezeichnet – und zeichnen kann der Mann auch noch.

Den ersten Band muss man nicht unbedingt gelesen haben, er erklärt aber so einiges, auf das hier nicht mehr gesondert eingegangen wird.
Diesmal geht es um ungeklärte Morde, das zu Unrecht verdächtigte Wesen Skarrow, denen die Crumrins Schutz gewähren, und Onkel Aloysius' Kampf um dieses Wesen in der Gilde der Geheimnisse, eine Art magischer Rat. Wie alles zusammenhängt erfährt man im Lauf der Geschichte, denn Courtney hat es sich zum Ziel gemacht, den wahren Täter zu finden und so den sanften Skarrow zu retten.

Dabei ist Courtney keineswegs eines dieser altklugen Kinder, die alles viel besser als die Erwachsenen können und damit den Lesern ziemlich schnell auf die Nerven gehen.
Sie ist zwar altklug, aber sie kann eben nicht alles besser. Und so geht sie zwar trotzig ihren eigenen Nachforschungen nach, macht aber auch Fehler. Nicht alles funktioniert so, wie der Dickschädel es gerne hätte, was diese Serie unter anderem positiv herausstechen lässt aus anderen, in denen Kinder als Hauptfiguren agieren. Naifeh liebt Courtney und ihre Welt, lässt sie ihrem Herzen folgen, vergisst aber nie, dass sie eben doch noch ein Kind ist.

Diesmal bekommt Courtney übrigens eine ebenso sturköpfige Lehrerin gegenübergestellt, die die Kleine gut zu durchschauen mag und es auf Konfrontation anlegt (es dabei eigentlich aber gut mit ihr meint), was immer wieder für ein paar Extraschmunzler sorgt. So muss Courtney, für die Schule nur eine Horrorveranstaltung ist, einmal ein Gedicht im Rahmen des Kurses „Kreatives Schreiben: Nur weil Du es erlebt hast, ist es noch längst nicht interessant“ laut aufsagen. Allein für die Darstellung dieses täglichen Spießrutenlaufens und die Parodie des üblichen Schulunterrichts gehört Naifeh schon geknutscht.
Ihrem geduldigen, weisen Großonkel ist Courtney sowieso unterlagen, er kennt all ihre Tricks. Aloysius lässt sie viel ausprobieren, ist aber oft rechtzeitig zur Stelle, wenn sie mal wieder ein wenig übermütig wird und sich in Gefahr bringt. Eine wunderbare Beziehung zu einem Erwachsenen, wie sie sich vermutlich viele Kinder wünschen.
Am Ende erschien mir ein Aspekt unlogisch, aber da könnte es durchaus noch zu einer Auflösung im dritten Band kommen. Mal schauen.

Die deutsche Übersetzung ist an sich schön zu lesen. Manche Wörter finde ich nicht so passend, aber so etwas ist Geschmackssache. Überaus gelungen empfand ich die nach Wortwitzen wohl fieseste Klippe  für Übersetzer: es gibt hier ein paar Reime und Zaubersprüche, die ja 1.) Sinn ergeben müssen, 2.) sich reimen sollen und 3.) auch noch in die recht kleinen Sprechblasen passen müssen. Das wurde durchweg gut gelöst. Als etwas übertrieben erschien mir der Slang von Butterworm, da wäre manchmal weniger mehr.
Auch die sonstige Aufmachung hinterlässt einen angenehmen Eindruck. Gutes Lettering, mattes Papier, satinierter Einband, angenehme handliche Größe. Meinen Geschmack hat's auf alle Fälle getroffen.

Meine Lobhudeleien für den ersten Band kann ich hier nur fortführen.

Ted Naifeh zelebriert Individualismus, liebt Gegen-den-Strom-Schwimmer, ermuntert zum eigenen Denken. Er weiß dabei auch um die Gefahren und zeigt in diesem Band, dass man Acht geben muss, um nicht zu einem unsozialen Einzelbrötler zu werden.

Naifeh ist ein intelligenter Autor und Erzähler, der in seinem Gruselmärchen gekonnt seine ermunternde Botschaft über Eigenständigkeit zu transportieren und dabei gleichzeitig wunderbar zu unterhalten vermag. Dabei driftet er nicht in romantische Schwärmereien ab, sondern bleibt trotz seiner Fantasiewelt in einer angenehmen Weise auf dem Teppich.
Naifeh ist aber ebenso auch ein begnadeter Zeichner, der mit sicherem und trotzdem anmutigen Strich seine liebevoll in Szene gesetzten Figuren präsentiert und dabei mitunter geschickt mit den Schwarzflächen spielt.

Wer Tim Burtons Stil oder Emily The Strange in sein Herz geschlossen hat, der kann hier sowieso bedenkenlos zugreifen. Aber auch alle anderen, die einen Sinn für schwarzen Humor haben und bereit sind, sich in eine etwas andere Welt als unsere zu begeben, sollten mal einen Blick riskieren.

Für mich eine Perle. Absolute Kaufempfehlung!

Courtney Crumrin und die Gilde der Geheimnisse (2. Band der Courtney-Crumrin-Reihe)
Eidalon (achtseitige Leseprobe)
Autor und Zeichner: Ted Naifeh
136 Seiten, schwarz-weiß, Softcover; 9,90 Euro
ISBN:  3936686750

Bildquellen: Comic Combo (Cover), eidalon.de (Probeseite)