Im Vorwort adelt Schulz höchstpersönlich seinen Kollegen und schwärmt von traumhaften Nachttischen, Wohnzimmersofas und von Calvins Schuhen, die ihn unwillkürlich an Brötchen erinnern. Bei genauerem Hinsehen hat Calvins Fußbekleidung wirklich nicht viel Ähnlichkeit mit anatomisch korrekt gezeichneten Schuhen. Dennoch ähneln sie richtigem Schuhwerk gerade so viel, um dem Leser zu versichern, dass er sich nicht darum kümmern muss, ob es nun Schuhe sind oder Brötchen. Er kann sich also voll und ganz auf die Pointen, die Wortspiele und aufs laute Lachen konzentrieren. Schade nur, dass zum Einstieg eben kein simpler Strip mit diesen winzigen Details, sondern ein großformatiges, farbenprächtig illustriertes Gedicht verwendet wurde. Natürlich war Watterson immer auch ein Verfechter der neue Formate im Comicstrip, aber man hätte sich bestimmt mehr gefreut, dieses Gedicht zum Abschluss des Bandes zu sehen, als Hommage an die Freundschaft, die im Comic aufgebaut wird.
Die deutsche Übersetzung des Gedichts liest sich erstaunlich gut, ohne dabei die Reime zu quälen. Sicherlich hat es eine deutsche Übersetzung bei eingefleischten Calvin and Hobbes-Fans nicht einfach. Bereits der zweite Strip nutzt ein Wortspiel, das sich so nicht übersetzen lässt. Da der Comicstrip nun mal das Kondensat unter den Comics ist, bleibt nichts anderes übrig, als den Ausspruch des Vaters „Stopf ihn aus“ in die Sprechblase zu stopfen. Die Doppeldeutigkeit des englischen „Stuff him“ bringt Calvin im vierten Panel dazu, seinen Stofftiger Hobbes mit Essen aus- statt vollzustopfen.
Doch erfreuen sich Übersetzungen auch immer an dem gegenteiligen Effekt: Denn wer wird bei der PKK, der Pelzkörperkultur, nicht ins Schmunzeln kommen und sich darüber amüsieren, dass Calvin bei einer langen Autoreise unentwegt „Es gibt kein Bier auf Hawai“ singt (auch wenn hier der Insel ein weiteres „i“ gut zu Gesicht gestanden hätte). Hier zeigt sich der kleine, aber feine Unterschied zwischen Watterson und Schulz. Obwohl beide sowohl Philosophen als auch Spaßmacher sind, ist Wattersons Zugang zu seinem jugendlichen Publikum einfach direkter. Calvin und Hobbes ist keine anspruchsvolle Erwachsendenliteratur im Gewand eines Comics, sondern ein Comic, der zunächst zum Schmunzeln und Lachen bringt.
Es sind eben nicht die romantischen Schwelgereien eines Charlie Brown, sondern die pseudophilosophischen Andeutungen des Stofftigers Hobbes, die seinem Freund Calvin ein zufriedenes Grinsen auf Gesicht zaubern. Watterson nimmt vor allem sein junges Publikum und dessen Bedürfnisse ernst, bevor er die eher unwichtigen Probleme der Erwachsenen porträtiert. Er weiß, dass keiner seiner jugendlichen Leser nach der Lektüre von Calvin und Hobbes den Wagen des Vaters verkaufen wird, und wenn doch, weiß er darüber mit ihnen zu lachen. Carlsen macht deutlich, dass weder Calvin noch Hobbes eines Sonderbandes bedürfen und sich im Softcover wesentlich wohler fühlen. Dieser Comic ist nicht für einen Schuber oder für das Bücherregal geeignet, da er kein Sammlerstück, sondern ein Gebrauchsgegenstand ist. Er gehört nicht ins Museum, sondern in Kinderzimmer, auf Couchtische und auf Klos, kurz überall dort hin, wo Menschen sich noch Zeit fürs Lachen nehmen.
Calvin und Hobbes – Von Monstern, Mädchen und besten Freunden (Sammelband 1)
Carlsen Comics, August 2009
Autor/Zeichner: Bill Watterson
254 Seiten, farbig, Softcover; 19,90 Euro
ISBN: 978-3551786289
Abbildungen © Bill Watterson/Carlsen Comics