Rezensionen

Batman – Konstruktion eines Helden

 Während die Produktion von wissenschaftlichen Büchern über Comics in Amerika floriert, existiert auf dem deutschen Markt nur sehr wenig Literatur über die neunte Kunst. Verleger Christian A. Bachmann möchte das mit seinem gleichnamigen Verlag ändern und hat sich dazu mit Batman und dem Wissenschaftler Lars Banhold für ein recht dynamisches Duo entschieden, das pünktlich zum zweiten Batman-Film von Christopher Nolan bereits in die zweite Auflage geht. Der Band ist kein bloßer historischer Abriss über den Comic-Superhelden Batman, sondern vielmehr eine interessant zu lesende, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Konstruktion eines Helden.

Der dunkle Ritter – ein mysteriöser Name und ein nachtschwarzes Kostüm stehen im Mittelpunkt von Christopher Nolans zweitem Batman-Film The Dark Knight, in dem er den Comicheld dekonstruiert und nur das Grundkonzept, die eigentliche Idee hinter Batman, stehen lässt. Für das Vorhaben entfernt Nolan alle störenden Kleinigkeiten, um die Essenz von Batman auf der Leinwand einzufangen: Kein Robin, keine Jahrzehnte überdauernde Kontinuität, und auch das Quietschgelb des Batgürtels muss einem metallischen Schimmern weichen. Doch dabei sind es gerade diese Nuancen in der Konstruktion eines Helden, durch die sich das Bild von Batman in unserem kollektiven Gedächtnis für immer eingeschrieben hat.

Der Autor Lars Banhold hat sich die Aufgabe gesetzt, einen Sekundärband über den Dunklen Ritter zu schreiben, der die Entstehung der Figur von seinen Anfängen bis heute nachzeichnet und dabei auf eben diese Kleinigkeiten schaut. Ein sehr ambitioniertes Vorhaben, das durch den Verleger Christian A. Bachmann gestützt wird. Nachdem die erste relativ kleine Auflage bereits vergriffen ist, hat sich der Verleger dazu entschieden, eine zweite Auflage zu produzieren und durch eine Besprechung von Nolans Film zu erweitern.

Im Vorwort des kleinen, gelben Werks weist der Verleger auf die Tradition der Farbe Gelb hin, die vom ersten amerikanischen Comic, dem Yellow Kid, förmlich durch alle Comics bis hin zum Batgürtel sickert. Während eine solche Analogie noch etwas gekünstelt wirkt, liest man sich in Banholds Stil sehr schnell ein. Oft wurde der Comic-Wissenschaft vorgeworfen, entweder zu theorielastig oder zu populärwissenschaftlich zu sein. Banhold beginnt seinen Spagat ganz unbeirrt, indem er zunächst die literarischen Vorväter von Batman vorstellt: Neben bekannten Figuren wie Alexandre Dumas‘ Grafen von Monte Christo und Siegel und Schusters Superman gesellen sich eher unbekannte Figuren wie Walter B. Gibsons The Shadow oder auch der französische Freiheitskämpfer The Scarlet Pimpernel von der Baroness Orczy hinzu.

Banhold extrahiert fachmännisch die einzelnen Eigenschaften der literarischen Figuren und legt sie wie Schablonen über den dunklen Ritter. So zeigt er, wie die Autoren von Batman die verschiedenen Schablonen kombinieren und aus ihm einen runden Charakter machen. Neben der Figur des Batman und des Playboys Bruce Wayne stellt Banhold aber noch eine dritte Identität vor, die zwischen Batcave und Cocktailparty konstruiert wird. Erst durch Charaktere wie Alfred und Robin wird beim Leser das Bewusstsein geweckt, dass auch die „Bruce Wayne“-Persona eine Maske ist, die es zu entschlüsseln gilt.

Banhold beschreibt den Weg zur Geburt von Batman als einen kreativen Akt, den er immer wieder durch Querverweise geschickt erläutert. Einen weitaus größeren Teil des Buches nimmt die rein chronologische Zusammenfassung der Geschichte des Fledermausmannes ein: So folgen nach Batmans ersten Schritten in Detective Comics Nr. 27 von William „Bill“ Finger und Robert „Bob“ Kane seine Weiterentwicklung im Silver Age und modernere Inkarnationen des Superhelden wie in Frank Millers Batman – The Dark Knight Returns. Banhold bemüht sich dabei unaufhörlich, seine Historie nicht wie eine reine Wikipedia-Version in Buchformat aussehen zu lassen und ergänzt deshalb den Zeitstrahl durch historische Ereignisse, wie z.B. die civil rights movements von Afroamerikanern und Homosexuellen in den Sechziger Jahren, um mögliche Interpretation durch neue Subtexte zu erweitern.

In dem Kapitel „On Screen“ fügt der Autor einen weiteren Zeitstrahl hinzu: Batman auf der Leinwand. Während Tim Burtons und Christopher Nolans Ausflüge ins DC-Universum relativ bekannt sind, wird an dieser Stelle die Figur Batman noch vor solchen Blockbustern gezeigt. Etwas zu kurz geraten sind die sehr amüsant und informativ gestalteten Passagen über die frühen Kino-Serials und über die Auftritte Adam Wests im Fledermauskostüm. In seiner Beschreibung geht Banhold über eine simple Auflistung von onomatopoetischen Begriffen wie „Zack“ und „Pow“ hinaus, verweist auf die Bezüge zu den aktuellen Filmen dieser Zeit (wie Surferfilmen in der Episode Surf’s up, the Joker’s under) und stellt das offene Spiel mit der Homoerotik durch einem Gastauftritt von „Liberace als Bösewicht Chandell“ offen zur Diskussion. Die Erweiterung der zweiten Auflage durch das Kapitel The Dark Knight zu Nolans gleichnamigem Film geht dabei leider nicht über die Besprechungen im Feuilleton hinaus. Sie schließt mit der sehr durchsichtigen Erkenntnis: „Batman ist kein Held“.

Banholds Talent liegt nicht unbedingt in der chronologisch korrekten Wiedergabe, sondern in der Verwebung von populärer Geschichte und wissenschaftlichen Thesen. So gesellen sich zu Batman, Robin und dem Joker in Batman – Konstruktion eines Helden schon bald andere alte Bekannte wie Scott McCloud. An seine Seite stellt Banhold Roland Barthes (Das Reich der Zeichen) und Stephan Packard (Anatomie des Comics), deren Zeichensysteme in Verbindung mit McClouds Understanding Comics eine einleuchtende Theorie ergeben; Wie die Maske von Batman zum Identifikationsmodell für die breite Leserschaft wird, erläutert Banhold anhand des offenen und des geschlossenen Cartoons: Während ein „geschlossener Cartoon“ „die Identifikation durch ein stärkeres ikonisches Element [Batmans Maske] erschwert“, ermöglicht die Figur Bruce Wayne als unbestimmter „offener Cartoon“ den Lesern die Identifikation. Mit der Veränderung von Batmans Kostüm und durch die Ergänzung von weiteren Nebencharakteren verändert sich die Identifikationsmöglichkeit des Superhelden über die Jahre.

Lars Banhold hat mit der zweiten Auflage von Batman – Konstruktion eines Helden dem Original zwar nicht viel hinzuzufügen, präsentiert aber einen sowohl wissenschaftlich fundierten als auch sehr gut lesbaren Text. Der kleine, gelbe Band steht stellvertretend für eine Nische, die der Christian A. Bachmann Verlag für sich erschlossen hat und demnächst durch die Nachfolgetitel Ingenieur der Träume – Medienreflexe bei Marc-Antoine Mathieu und Bibliographie der Comicforschung erweitern wird. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, was Verleger Bachmann noch für Gimmicks aus seinem gelben Verlagsgürtel holen wird.

Batman – Konstruktion eines Helden
Christian A. Bachmann Verlag, 2. Auflage, August 2008
Text: Lars Banhold
98 Seiten, Softcover; 10,90 Euro
ISBN: 978-3-941030-02-2

 

Wissenschaftlich und dennoch sehr interessant!

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