Rezensionen

Barbarella

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 Barbarella führe das Publikum fort vom kausalen Denken, fort vom Auflösen von Widersprüchen und fort vom Widersprechen. Die Möglichkeit zur Differenzierung der modernen Welt bleibe ausgeschaltet. Ein unreflektiertes Machtmodell. So schrieb der Literaturkritiker Fritz Raddatz im März 1967 in der Zeit.

Heute, 43 Jahre später, gibt es dem wenig Neues hinzuzufügen. Raddatz traf mit seiner Beschreibung ins Mark der halbnackten Heroine, die zunächst in Frankreich, dann in der ganzen Welt für Aufsehen sorgte. Aus seiner ablehnenden Haltung machte Raddatz dabei keinen Hehl. Ins Positive verkehrt, wenn man es denn unbedingt möchte, müsste man die Abenteuer von Barbarella als traumwandlerisch und irrational bezeichnen, eine Qualität, die vor allen Dingen aus dem Gefühl herrührt, immer und immer wieder „dei ex machina“ vorgesetzt zu bekommen. Ein Driften durch die Handlung stellt sich beim Lesen ein, eine Gleichgültigkeit gegenüber den Figuren, ein sanftes Hin und Her.

 Nichtsdestotrotz ist Barbarella ein Meilenstein der Comic-Geschichte. Die junge Frau mit den eleganten Kurven und dem Gesicht von Brigitte Bardot sorgte weniger wegen ihrer hanebüchenen Abenteuer für Aufsehen (solcherlei kannte man in Deutschland schon von Hansrudi Wäscher und Konsorten), sondern wegen ihrer sexuellen Freizügigkeit. Als 1966 beim Carl Schünemann Verlag in Bremen zum ersten Mal eine deutsche Fassung von Barbarella herauskam, zeigten sich die Sittenwächter auch hierzulande empört. Comics richteten sich an Kinder, und waren Schund, bestenfalls geduldet, jedoch nicht geachtet. Barbarella war neu, denn der Comic richtete sich unmissverständlich an Erwachsene. Geschlechtsverkehr wurde zwar nicht explizit gezeigt oder thematisiert, kam aber vor und die Figuren sprachen auch darüber.

 Bekannt ist noch heute der charmant-witzige Wortwechsel zwischen Barbarella und dem Roboter Viktor: „Viktor, ihr habt Stil!“ – „Madame sind zu gütig… Ich kenne meine Fehler… meinen Impulsen haftet immer etwas Mechanisches an!“ Barbarella als eine emanzipierte Frauenfigur zu bezeichnen, würde jedoch zu weit gehen. Sicherlich kollidierte sie Ende der 1960er Jahre mit etablierten Frauenbildern, immer wieder gibt es jedoch Textstellen, die heute so gar nicht mehr ernst genommen werden können. Bleibt die Frage, ob sie es damals wurden. Zeit-Autor Raddatz sprang auf den Zug der Sittenwächter jedenfalls nicht auf, seine Kritik gegenüber Barbarella hat bis heute Bestand.

 Nun hat der Carl Schünemann Verlag die Ausgabe von 1966  neu herausgebracht. Ein Hardcover-Album im DIN-A4-Format enthält jene ersten acht Episoden, mit denen vor über vierzig Jahren alles begann. Eine Neuübersetzung hat nicht stattgefunden, das Handlettering blieb erhalten, hin und wieder wirkt der Druck etwas schwach und dünn, wie nicht anders zu erwarten bei so altem Material. Jede Episode ist zurückhaltend mit wechselnder Schmuckfarbe koloriert. Insgesamt wirkt der Reprint-Band überzeugend.

 Fragt sich nur: Wer soll das lesen? Aus gleich dreierlei Gründen könnte die Wiederveröffentlichung für den Verleger zu einer glücklichen Entscheidung werden: Seit einiger Zeit gibt es Gerüchte über eine neue Barbarella-Verfilmung.Robert Rodriguez (Sin City, Planet Terror, Desperados) war eine Weile als Regisseur im Gespräch, nach dessen Absage wird jedoch Robert Luketic (21, Natürlich blond) für das Remake gehandelt. 2012 könnte der Film in die Kinos kommen, und spätestens dann könnten die Verkaufszahlen steigen und das breite Medieninteresse erwachen. Ein weiterer Grund könnte der Trend im Comic-Bereich hin zu den Siebziger Jahren sein. Cross Cult beispielsweise spielt derzeit mit Andrax, Warlord und anderen Serien aus diesem Zeitraum auf. Zu guter Letzt könnte der Reprint für Comic-Historiker von Interesse sein, denn immer wieder wird auf Barbarella verwiesen, wenn es um die Etablierung von Comics für Erwachsene oder um erotische Comics geht. Gut, wenn das nicht mehr nur geglaubt werden muss, sondern sich auch wieder nachlesen lässt.

Barbarella
Carl Schünemann, März 2010
Text und Zeichnungen: Jean-Claude Forest
88 Seiten, sw mit wechselnder Schmuckfarbe, Hardcover; 16,90 Euro
ISBN
978-3-7961-1945-3

Gut

Guter Nachdruck eines Klassikers

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Abbildungen © Schünemann Verlag