Im mittelalterlichen Argstein-Tal erzählt man sich eine zeitlose Geschichte: Der Baron, ein passionierter Jäger, verfiel zur damaligen Zeit dem verlockenden Angebot eines mysteriösen, rotgekleideten Mannes. Seitdem rätseln die Bewohner des Tales, ob „der Rote“ fortan den Nachkommen des Barons diente oder dieser vielmehr die Geschicke der adeligen Nachfahren lenkte. Dabei ist der Rote bei weitem nicht die einzige Gefahr, die das Dorf umgibt. Argstein scheint Brutstätte für allerlei Monster und Kreaturen zu sein. Diese leben in einem Gleichgewicht mit den Menschen, weshalb die Bewohner des Waldes und des Dorfes weitgehend in Frieden leben. Als aber Lukas Rehms und sein Bruder sich zu weit in den Wald vorwagen, werden sie von gefräßigen Mooskreaturen angegriffen. Ein Angriff, der dem Gesetz des Waldes widerspricht und schließlich den Förster, den Hüter des Waldes, auf den Plan ruft. Nach gelungener Gegenwehr macht sich Lukas mit Unterstützung des wiedergekehrten Roten auf einen Rachefeldzug gegen die Wesen außerhalb der Menschengemeinschaft. Ein Vorhaben, das nicht nur den Förster und den riesigen schwarzen Keiler mächtig stört, sondern auch die Balance im Zusammenleben der Spezies erheblich gefährdet.
Nach dem Preview-Heft „Der verbotene Wald“, das man 2006 auf dem Comic-Salon in Erlangen ergattern konnte und das vorab bereits eine Kurzgeschichte präsentierte (als PDF beim Verlag abrufbar), liegt der erste reguläre Band von Argstein also endlich vor (dreiseitige PDF-Leseprobe). Und es ist schon ein ungewöhnliches Projekt, das bei Ehapa für meine Begriffe unerwarteterweise, aber völlig zurecht, einen Platz gefunden hat. Autor Josef Rother (u.a. „Heavy Metal“, Pater Dracula) und Zeichner Eckart Breitschuh (u.a. Lindenstraße-Comics, Wanda Caramba) sind hierfür verantwortlich und kreierten einen Comic, der mit (O-Ton Rother) „Hellboy trifft den Förster vom Silberwald“ gut umschrieben ist. Die altertümliche Atmosphäre des Plots, der an die ländliche Umgebung einer deutschen Sagenwelt angelehnt ist, überzeugt nicht zuletzt aufgrund Breitschuhs guter zeichnerischer Arbeit. Das Waldgeschehen zeigt sich durchdacht und, am wichtigsten, fantasievoll.
Für den Actionfaktor sorgt natürlich der Förster, der als eine Art Antiheld agiert. Josef Rother bewies sowohl bei seiner charakterlichen Darstellung als auch in seinen Handlungen besonderes Gespür. So ist er ein lebender Mythos, der im Wald zwar respektiert wird und bemüht ist, den dortigen Frieden zu wahren, der aber durchaus auch brutal agiert, wenn es die Lage erfordert und er sich mit seiner Flinte den Weg freischießen muss. Dazu kommt, dass Rother den Leser geschickt bei Laune hält, indem er immer wieder Andeutungen auf die Vergangenheit des Jägers einfließen lässt. Offenbar ging auch er einen Deal mit dem Roten ein …
Argstein ist ein mutiger Comic, der Horror- und Actionelemente in ungewohntes Gebiet verlagert. Der Hintergrund ist zwar bodenständig – ein deutsches Örtchen, schickes Walderholungsgebiet -, aber vordergründig ist die Welt von Argstein eine absurde. Jederzeit kann man von einem Moosweiblein angequatscht, hinter den nächsten Busch gelockt und gefressen werden oder aber ein anderes abstruses Geschöpf im Genick sitzen haben. Und dann ein Förster als Vigilant, dem keiner über den Weg traut.
Dieser Spagat aus Idylle und Fantasy gelingt hervorragend, verkommt nicht zum Kitsch. Der Verlauf der Story ist sehr schön durchkonzipiert, von der Einführung der Personen bis zum rasanten Showdown. Eigentlich gibts dabei kaum was zu bemängeln. Ich freu mich auf weitere Bände!
Argstein 1 – Das Gesetz des Waldes
Ehapa Comic Collection, Februar 2007
Text: Josef Rother
Zeichnungen: Eckart Breitschuh
64 Seiten, Softcover, farbig; 8,50 Euro
ISBN: 9783770430536
www.argstein.com
Bilder: © Egmont verlagsgesellschaften mbH, Josef Rother, Eckart Breitschuh