Rezensionen

Alan Moores WildC.A.T.S: Heimkehr nach Khera

 Auf den ersten Blick ist Heimkehr nach Khera ein ziemlich gewöhnlicher Superhelden-Comic. Vom Cover bis zur letzten Seite springen da dem Leser die WildC.A.T.S entgegen: bunte, athletische Körper ohne den geringsten Makel. Sie sind ein außerirdisches Superhelden-Team, vergleichbar mit der JLA oder den Teen Titans. Sie können durch die Luft fliegen, Wände einreißen und andere tolle Sachen machen. Ihre Fähigkeiten setzen sie natürlich nur zum Guten ein, Menschheit beschützen, Katastrophen verhindern, Katzen retten und so. Von den knalligen Seiten lächelt einem die glatte Plastikwelt der US-Comicindustrie entgegen. Nach wie vor führen Superhelden in den USA die Verkaufszahlen an.

Frank Neubauer kennt sich mit Superhelden aus. Schließlich hat er sie lange übersetzt, beispielsweise für Ehapa oder Dino Comics. Vor einer Weile fand er sehr passende Worte, um den Charme vieler Superhelden-Comics zu beschreiben. „Bei manchen Serien stumpft man ab, weil man bei Heft 20 weiß: Okay, da kommen jetzt vier Seiten Vorstellung der Figuren, fünfzehn Seiten auf die Mütze hauen und drei Seiten Abgesang“, so Neubauer in einem Gespräch mit Comicgate. Schema F also. Was tun? Durchblättern, lächeln und wegwerfen, das Zeug?

So ein Einstieg verrät natürlich, dass bei Heimkehr nach Khera vieles anders ist. Muss es auch, schließlich ist der kürzlich bei Panini erschienene Band schon zwanzig Jahre alt. Kurz nach seiner Erstveröffentlichung in den USA erschien er hierzulande bei Splitter. Diese Ausgaben sind natürlich längst vergriffen, so dass das Szenario lange Zeit in der Versenkung verschwunden war. Einen stinknormalen Superhelden-Comic hätte niemand wieder ans Licht holen müssen.

In Wirklichkeit handelt es sich bei WildC.A.T.S: Heimkehr nach Khera um eine seltene Perle im Superhelden-Universum. Einen ersten Hinweis darauf könnte der Name des Autoren auf dem Cover sein, wenigstens für eingefleischte Comic-Fans. Denn hier hat der Brite Alan Moore Hand angelegt. Moore, eher bekannt durch Klassiker wie V wie Vendetta, Watchmen oder From Hell, hat im Laufe seiner Karriere auch Spuren im amerikanischen Mainstream hinterlassen. So schrieb er unter anderem auch an Jim Lees WildC.A.T.S mit.

Neben Frank Miller ist Alan Moore einer der großen Dekonstruktivisten des Superhelden-Comics. Soll heißen: Anstatt Geschichten von aalglatten Übermenschen zu erzählen, nimmt er Abstand von solchen Konzepten und konzentriert sich auf die zerbrechlichsten Stellen seiner Figuren. Eben dieses Interesse macht Heimkehr nach Khera spannend und unterhaltsam. Wer sich jetzt ein düsteres, sich selbst auflösendes Werk denkt, liegt falsch. Es sind noch immer Superhelden, sie bleiben es auch bis zum Ende, aber sie ringen mit sich selbst, nicht mit ihren Feinden. Parallel beackern Moore und der fabelhafte Zeichner Travis Charest zwei Schauplätze, nämlich Khera und die Erde. Ein Teil der WildC.A.T.S ist zu ihrem Heimatplaneten zurückgekehrt, einige andere sind auf der Erde geblieben und versuchen dort, ein neues Superhelden-Team aufzubauen.

Auf Khera müssen die WildC.A.T.S feststellen, dass der Krieg gegen die Erzfeinde (die Daemoniten) inzwischen gewonnen wurde. Nach dem Krieg kam weder ein Paradies noch der himmlische Friede, sondern eine strenge soziale Hierarchie und mit ihr eine Ordnung, die auf viele einstige Lichtgestalten einen finsteren Schatten wirft. Wer Freund oder Feind ist, hängt plötzlich vom eigenen Standpunkt ab und ist nicht mehr vordefiniert. Es ist die Ebene der Politik, die Alan Moore da berührt. Die Folge ist der Zusammenbruch des Teams, weil jeder auf andere Art und Weise auf die soziale Ungerechtigkeit reagiert. Man könnte auch sagen, die WildC.A.T.S zerfleischen sich selbst in dem Moment, als ihnen die Feinde ausgehen.

Die Probleme auf der Erde sind etwas anders gelagert. Dort versuchen die verbliebenen WildC.A.T.S ein neues Team aufzubauen. Das gelingt nach einigen Anstrengungen auch, aber das Ergebnis ist höchst unbefriedigend. Die neuen Mitglieder sind in erster Linie gewalttätig und auf ihren eigenen Vorteil bedacht und erst in zweiter Linie Diener am Gemeinwohl. Mit H.A.R.M., dem ersten Superschurken, den sie fertig machen, bekommt der Leser beinahe Mitleid. „Er hatte nur einen kindischen Traum… Er wollte 1500 Pfund wiegen und Boden-Luft-Raketen in den Schultern haben.“ Aus der Traum. Die neuen WildC.A.T.S besuchen den Schwerverbrecher zuhause und erschießen ihn, natürlich aus Versehen. Kein Wunder, dass die Unterwelt auf so eine Provokation reagiert. Ganz zu schweigen von der Witwe…

Wer als Kind gerne Superhelden-Comics gelesen hat und glaubt, dem Medium inzwischen entwachsen zu sein, sollte einen Blick auf Heimkehr nach Khera werfen. Dieser Comic macht einfach Spaß. Unter der Oberfläche des recht simplen Plots schlummert ein wunderbarer Witz und Verstand, so dass sich die Geschichte trotz ihres Alters noch immer frisch und lebendig anfühlt. Und nicht nur die Story und die Dialoge, sondern auch die Zeichnungen und die Kolorierung sind brilliant. Hier wurde aus der Versenkung geholt, was nicht dorthin gehört. Auf die Mütze hauen und drei Seiten Abgesang? So einfach macht es sich Moore bei den WildC.A.T.S zum Glück nicht.

WildC.A.T.S 1: Heimkehr nach Khera
Panini Januar 2008
Autor: Alan Moore
Zeichnungen: Travis Charest u.a.
Originalausgabe: WildC.A.T.S #21-27 (Wildstorm, Juli 1995 – März 1996)
212 Seiten; vierfarbig; Softcover; 19,95 Euro

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Bildquelle: paninicomics.de