Mit „Die Direktive ‚Arca'“ liegt nun bei Bunte Dimensionen der Abschlussband zu Acriborea vor. Soviel vorweggenommen: Wer die Serie bisher mit Begeisterung gelesen hat, wird sich sicherlich auch nicht das Finale entgehen lassen. Für alle anderen gilt es auszuloten, ob es sich lohnt, mit Verspätung in die Serie einzusteigen. Der Inhalt der Story ist komplex und vielschichtig: Die Erde ist bedroht, und vor fast einem halben Jahrhundert hat sich die Menschheit dazu entschieden, in einem weit entfernten Sternensystem mit dem Namen Ruivivar eine Kolonie aufzubauen – auf dem Planeten Acriborea, der von scheinbar friedfertigen Ureinwohnern besiedelt ist. Inzwischen ist Acriborea um die Facette eines epochalen SF-Kriegscomics à la Starship Troopers erweitert worden und auch Einflüsse aus dem Superheldengenre sind deutlich zu spüren. Im Anhang beschreibt der Autor Sylvain Cordurié auf amüsante Weise, wie sein pazifistischer Zeichner Stéphane Créty mittlerweile das gegenwärtige Arsenal des Militärs in- und auswendig kennt und bis ins kleinste Detail beherrscht.
Beeindruckend ist jedenfalls die Wandlung der Serie: Die negativ erscheinenden herrschenden Menschen werden zu bedrohten Sympathieträgern, weil sie unterlegen und in der Minderheit sind. Insgesamt geht es um die Kontrolle der Menschen über ihr eigenes Schicksal. Die Story eignet sich überhaupt nicht für den Quereinstieg und selbst für diejenigen, die die Serie von Beginn an lesen, kann es hilfreich sein, die vorangegangenen Bände nochmals zu lesen. Denn die Vielzahl an außerirdischen und menschlichen Figuren, von denen einzelne wiederum besondere Fähigkeiten aufweisen, erfordert höchste Konzentration. Es ist gar nicht einfach, den Überblick bei der dynamisch erzählten Story zu behalten. Dies ist kein Makel, sondern spricht für die Komplexität von Acriborea.
Meines Erachtens wäre es allerdings besser gewesen, wenn der Autor auf die Superhelden-Elemente ganz verzichtet und auch die sonstigen Actionszenen um einiges reduzierter eingesetzt hätte. Denn der einfallsreiche Kerngedanke von der Besiedlung eines fremden Sternensystems aufgrund verheerender Umweltbedingungen auf der Erde sind nicht nur (leider) up-to-date, sondern auch in der Comiclandschaft rar. Deshalb ist es mehr als schade, aus einem visionären Stoff wieder einmal mehr eine brachiale Materialschlacht zu machen. Es wird auch zu viel an Superkräften hineingemischt, was man alles schon von den sintflutartigen und qualitativ oftmals dürftigen Marvel- und DC Comics kennt.
Die detailverliebten, eigentlich schon detailbesessen zu nennenden, Zeichnungen von Créty sind akkurat. Er ist der perfekte Zeichner für die militärischen Raumschiffe und technischen Geräte sowie die Materialschlacht und Zerstörungswut, in deren Folge eine postapokalyptische Szenerie auf Acriborea entsteht. Beeindruckend ist auch die nuancenreiche Darstellung von Mimik und Gestik – vor allem in den Gesichtern mancher Figuren. Verwunderlich ist dann nur, warum manche Gesichter auffallenderweise nicht sitzen. Auch die Koloristin Sandrine Cordurié beweist, dass sie ihren Job versteht. Die vorwiegend hellen Farbtöne weisen Nuancen auf und ergänzen die Zeichnungen auf hervorragende Weise.
Acriborea findet mit „Die Direktive ‚Arca'“ ihr fulminantes Finale. Science-Fiction-Fans kommen nicht herum, zumindest einen Blick in die Serie zu werfen, die sicherlich zu den Programmhighlights bei Bunte Dimensionen zählt und neben Travis (Rezension) deren einzige Science-Fiction-Serie darstellt.
Acriborea 5 – Die Direktive „Arca“
Bunte Dimensionen, März 2010
Text: Sylvain Cordurié
Zeichnungen: Stéphane Créty
Hardcover, 56 Seiten, farbig; 15,- €
ISBN: 978-3-938698-40-2
Serienvorstellung mit Leseproben bei Bunte Dimensionen
Komplex erzählte SF-Story mit detailverliebten Zeichnungen
Abbildung © Bunte Dimensionen, Cover © Delcourt