Rezensionen

Paradise


Cover von ParadiseIm Splitter-Verlag macht man sich seit kurzem auch abseits des bewährten Programmes Gedanken und veröffentlicht jetzt auch abgeschlossene Serien im verkleinerten Format als sogenannte „Splitter-Books“ mit Hardcover und Schutzumschlag. Ob Zufall oder gewollt, das Vorhaben kommt einem doch bekannt vor, denn vermehrt setzen auch andere Verlage wie Ehapa mit den „All-in-one“-Editionen, Carlsen mit ihrer „Graphic Novel“-Abteilung oder aber auch Cross Cult auf abgeschlossene Einzelbände oder Gesamtausgaben kurzer Reihen in einem einzigen Band. Man wird abwarten müssen, ob auch diese Zweitschiene neben dem sehr gut etablierten Albenprogramm für Splitter zum Erfolg wird. Eine der ersten dieser Books heißt Paradise und ist eine ursprünglich vierteilige, französische Comicserie.

Darin stürzt die junge Ann Smith mit ihrem Flugzeug über Mauranien ab, einem der ertragreichsten Länder des afrikanischen Kontinents. Sie war ursprünglich unterwegs zu ihrem Vater, König Rodon, Herrscher von Mauranien, der sie kurz vor ihrem Ableben noch einmal zu sich bestellte. Als Ann Smith schließlich ohne Erinnerung an ihre eigene Identität in ihrer alten Heimat erwacht, muss sie sich auf die Suche nach ihrer Herkunft und dem Grund ihrer Reise begeben. Dass diese Suche nicht einfach verlaufen wird, machen die dort herrschenden Verhältnisse deutlich: Wilde Tiere und eigenwillige Eingeborene säumen ihren steinigen Weg, zudem befindet sich die Königstochter mitten in einem aufwogenden Krisengebiet, denn Amtsinhaber Rodon droht durch entschlossene Rebellen endgültig gestürzt zu werden.

Beispiel ParadiseNun, die Story von Benoit Sokal (Inspektor Canardo) hört sich letztlich spannender an, als sie tatsächlich ist. Vor allem fehlt es ihr an wirklich bemerkenswerten Wendungen und Spannungsbögen, stattdessen wirkt die Handlung vorhersehbar, besteht sie doch ausschließlich aus der Identitätssuche der Hauptperson. Leider recht uninspiriert hangelt sich die Erzählung durch diverse Plotelemente, wie etwa die Jagd auf die Thronerben, sowohl von den Gefolgsleuten ihres Vaters als auch von den Rebellen, oder aber auch das Mitschleppen eines schwarzen Leoparden durch den gesamten Band. Dann verwundert es auch nicht mehr, dass die designierte Thronerbin ohne Erinnerung eine verdächtige Kratzwunde auf ihrem Oberkörper bemerkt, von der jeder außer sie selbst weiß.

Interessanterweise hat Sokal zusätzlich an der Videospielumsetzung des Comics mitgearbeitet, und in der Tat erscheint die Story wie ein Videogame konzipiert. Nur verfolgt hier eben der Leser die Reise von Ann Smith durch deren Auge, ohne sie dabei selbst zu steuern. Der Weg führt durch diverse Szenarios, die gut als einzelne Level herhalten können und selbst Zwischen-und Endgegner (die unvermeidliche Konfrontation mit Rodon auf dessen Kriegsschiff) kann man mit ein wenig Fantasie ausmachen.

Beispiel ParadiseZwar ist die erzählerische Ebene etwas dünn für meinen Geschmack, von einem schlechten Comic möchte ich deswegen per se aber nicht reden. Denn gerade im grafischen Bereich macht Paradise einiges an Boden gut. Hier haben sich Benoit Sokal und Zeichner Brice Bingono viel Mühe gegeben, um das fiktive Land Mauranien so überraschend und abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. So ist der Comic zwar nahe dran an der afrikanischen Realität, dem Kreativduo gelingt es aber sehr gut, immer wieder kleine Details einzubauen, die davon abweichen und einem als Leser bewusst machen, dass man sich auf jeder neu aufgeschlagenen Seite nie sicher sein kann, welche neu entwickelten Elemente auf einen zukommen. Gerade einzelne Darstellungen, wie etwa die aus mehreren Ebenen bestehenden Mine, deren Aufzug von einem blinden Elefanten betrieben wird (!) oder das imposante Schiff Rodons, eine Art schwimmende Festung, deren Kanonen von Affen bedient werden, sind einfallsreich und imposant zugleich.

Insgesamt bietet sich in Paradise eine solide, aber letztlich zu seichte und vorhersehbare Geschichte, die Optik weiß allerdings durchaus zu überzeugen. Einen Blick ist dieser Band also allemal wert.


Paradise
Splitter-Verlag, April 2009
Text:
Benoit Sokal
Zeichnungen: Brice Bingono
208 Seiten, HC/Schutzumschlag; 24,80€
ISBN: 978-3-940864-15-4

gängige Story, einfallsreiche Darstellung

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Abbildungen aus Paradise ©
Benoit Sokal und Brice Bingono, der dt. Ausgabe Splitter Verlag