Kamingespräch

Das UPdate: Das UPgrade 2 im Comicgate-Kamingespräch

Als letztes Jahr der erste Band von Ulf S. Graupners und Sascha Wüstefelds zehnteiliger, deutsch-deutscher Pop-Superheldensaga erschien, waren die Comicgate-Redakteure Wederhake und Frisch hell begeistert. Nun liegt der zweite Band von Das UPgrade vor. Der Hamburger Comicmacher Till Felix und ein skeptischer Frisch wagen sich an eine Bestandsaufnahme.

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MARC-OLIVER FRISCH: Till, mir ist zu Ohren gekommen, du fandst Das UPgrade 1 nicht besonders. Woran lag das denn?

TILL FELIX: Ich fand Das UPgrade 1 in der Tat eher meh, als ich es letztes Jahr im Anschluss an den Comic-Salon in Erlangen las. Ich muss dazu sagen, dass mein Eindruck schon beim Salon letztes Jahr war, dass der Hype mich nervt: Alle sprachen davon, im Ausgezeichnet 1 war ein Preview drin. Als ich es dann in der Hand hatte, war ich zwar erst mal ob des höchst professionellen Eindrucks angetan. Aber dann kam ich aus der Festivalblase mit vielen Comics nach Hause, die ich alle nach und nach, teilweise auch mehrere an demselben Tag las (schlimmer Fehler!). Und da störten mich am UPgrade dann diese fiesen Details: alles bis ins Kleinste durchgestaltet, der Eindruck des zu Perfekten drängte sich auf. Dann auf dem Titel zwei Veredelungen (Sonderfarbe und Spotlack). Das Editorial ein bisschen zu gewollt witzig. Und dann diese fantastischen Zeichnungen zu einer Geschichte, die sich mir nicht auf Anhieb erschloss. Nach meinem Gefühl wurde es den (vielleicht zu hohen?) Ansprüchen nicht gerecht.

Doch damit war ich wohl ziemlich allein, denn auch danach überschlugen sich alle mit Lobpreisungen und überhäuften die Herren Graupner und Wüstefeld mit Preisen und ich dachte mir einfach immer nur: „Die haben eine Ausgabe von geplanten zehn rausgebracht. Die liest sich mehr wie gewollt und nicht gekonnt. Können die nicht alle mit ihren Jubelarien abwarten bis sangwama drei Ausgaben raus sind? Dann kann man doch viel eher abschätzen, ob die Reihe was taugt.“
 
Tja. Aber jetzt hab ich ja, wie gesagt, die erste Ausgabe auch nochmal gelesen und gemerkt, dass die wohl doch ganz gut ist. Wobei ich nicht ausschließen möchte, dass meine Kenntnisse aus der jetzt erschienen zweiten Ausgabe dazu beigetragen haben … doch das führt jetzt schon zu weit, non?
 
Wie fandst du denn die Premierenausgabe?

MARC-OLIVER FRISCH: Ich hatte ja eine von den Jubelarien zum ersten Heft gesungen.

Und nachdem ich beide Hefte jetzt noch einmal in einem Rutsch gelesen habe, finde ich das Debüt immer noch klasse. Ich bin tendenziell auch eher skeptisch, wenn die Leute zu schwärmen anfangen, aber in diesem Fall hat mich der Comic tatsächlich überzeugt. Die Geschichte geht zwar gleich sehr in die Vollen für ein Debütheft, aber die Art und Weise, wie Graupner und Wüstefeld das anstellen, macht Spaß. Ein ambitionierter deutscher Genre-Stoff, der seine Leser nicht für doof hält? Der die deutsch-deutsche Geschichte nicht nur aufgreift, sondern sie zum Dreh- und Angelpunkt des Geschehens macht? Der grafisch aussieht wie die Mischung aus Ware und Disney und es erzählerisch mit den besten US-Genre-Sachen aufnehmen kann? Bitte mehr davon.

Das ist genau die Art Comic, an der es in Deutschland mangelt.

Dass die Autoren Perfektionisten sind, schadet dem Comic ja nicht. Im Gegenteil: Genau deshalb sind die Lorbeeren gerechtfertigt, denn in Das UPgrade 1 steckt mehr Feinarbeit und Können drin als in mancher hochgelobten Graphic Novel.

„Genre“ läuft mir in Deutschland viel zu oft entweder auf muffige Klischees oder runtergerotzten Trash hinaus. Das ist hier anders. Etwas zugespitzt könnte man sagen: In der Art, wie sie Pop und Anspruch miteinander verbinden, sind Graupner und Wüstefeld so etwas wie die Lennon und McCartney des deutschen Comics.

Du bist mit dem zweiten Heft also eher warm geworden als mit dem ersten?

TILL FELIX: Ja, das zweite Heft war für mich dann wohl der Augenöffner, der für viele Leser schon die erste Ausgabe war. Die Verortung in die von dir angesprochene deutsch-deutsche Geschichte fand ich auch schon in der ersten Ausgabe interessant (wenn auch teilweise mit dem Vorschlaghammer dargereicht … musste zwingend Erich Honecker in der ersten Ausgabe auftreten? Ja, musste er natürlich, ich weiß, weil Weltfestspiele), in der zweiten Ausgabe entwickelt sie aber einen viel subtileren Charme, weil die typisch (ost-)deutschen Elemente nicht mehr so zentral in der Geschichte stehen. Es gibt immer wieder was fürs Auge, wo vor allem von Sascha Wüstefeld viel Liebe in die Details im Hintergrund gesteckt wird (hier mal ein altes Radio in Ronnys altem Zimmer, dort mal ’ne Kaufhalle). Aber das Gefühl des Aufgesetzten ist irgendwie weg, anders als noch in Ausgabe 1.
 
Was mich an der zweiten Ausgabe richtig begeistert hat, war die Tatsache, dass man nie wusste, was einen als nächstes erwartet. Weil Graupner und Wüstefeld mich mit immer neuen faszinierenden Ideen überrascht haben. Und das beziehe ich nicht nur auf die Geschichte, da komm ich noch zu.
 
Ich meine auch dieses Durchgestylte, das mich bei der ersten Ausgabe noch so furchtbar genervt hat. In der zweiten spielen sie schon mit dem Design, brechen aus dem ersten Heft Bekanntes wieder auf und bieten stattdessen Sketchbook-Anmutendes auf der ersten Doppelseite, was aber bei genauerem Hinsehen schon wieder Story-Inhalt ist. Dann diese „5 Initiali“-Doppelseite, darauf eine Doppelseite, die Schlaglichter für die bevorstehende Geschichte (und Zurückliegendes) wirft, eine darauf folgende wahnsinnig gut gestaltete Doppelseite mit dem New-Order-Zitat und dann… eine Titelseite, die einem das Gefühl gibt, gerade ein James-Bond-Intro gelesen zu haben.
 
Und all das in einer aus dem ersten Heft bekannten und, auch wenn man’s (wie ich) nicht direkt gemerkt hat, geliebten Gestaltung, die alles zusammenhält. Dass die Geschichte zu diesem Zeitpunkt auch schon nicht so schlecht war, trug natürlich dazu bei, dass ich nach diesem Intro ein williger Leser war.
 
Ich nehme an, dass dich die Ideenvielfalt, auch inhaltlich, nicht mehr so überrascht hat, nachdem die erste Ausgabe schon einen so guten Eindruck hinterlassen hat?

MARC-OLIVER FRISCH: Überrascht war ich nicht, aber durchaus beeindruckt, dass der erste Band wirklich nicht zu viel versprochen hat. Ein starkes Debüt ist schon selten genug, und oft ist es leider so, dass das Niveau danach nicht gehalten wird.

Das UPgrade 2 schaltet aber keinen Gang zurück, sondern bestätigt den Eindruck, dass Graupner und Wüstefeld genau wissen, wo sie mit ihrer Geschichte hin wollen. Auch, was die Erzählweise angeht, gibt’s keine Kompromisse – wieder nimmt die Handlung sieben verschiedene Zeitebenen ein, wieder findet man ein Seitenlayout und -design, das in dieser Form schlicht einzigartig in Deutschland ist: innovativ, stylish und verspielt, dabei aber immer vor allem auch leicht zu lesen. Die Story greift Aspekte aus dem ersten Band in einer Weise auf, die vermuten lässt, dass der ganze Plot der Serie schon bis zum Ende steht, und Figuren wie Surfrocker Cosmo Shleym oder die enigmatische Frau Bellmann werden weiter vertieft.

Und die ganzen Details, das ist der Wahnsinn. Das Blatt Endlospapier aus dem Nadeldrucker am Anfang, die zahllosen Zigarettenschachteln, Magazincover, Schilder und so weiter … Du sprichst Ronnys Zimmer an, da hab ich auch erst mal gestaunt. Ich will gar nicht wissen, wie viel Zeit allein diese Darstellungen gekostet haben. Und, was man auch immer wieder betonen muss: Der Detailreichtum überfrachtet die Erzählwelt nicht, sondern gibt ihr zusätzliche Tiefe. Das ist auch nicht selbstverständlich, sondern eine Kunst für sich.

Du bist ja selbst Comiczeichner und hast da wahrscheinlich einen ganz anderen Blick als jemand wie ich, der keinen geraden Strich ziehen kann. Gehst du so mit meiner Einschätzung d’accord, was das Storytelling angeht, oder gibt’s auch Stellen, wo du sagst, das hätte man vielleicht besser oder klarer lösen können?

TILL FELIX: Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die Herren Graupner und Wüstefeld einen ziemlich genauen Plan haben, wohin die Reise geht. Dafür sprechen die einfach zu vielen Zufälle in der vorliegenden Ausgabe: Wie kommt es, dass Cosmo Shleym den ‚Translokaten‘ anrufen kann, woher hat er seine Nummer? Warum ist eine Frau Bellmann ausgerechnet dann vor Ort bei Ronnys alter Schule, als eben jener mit Cosmo im Gepäck dort auftaucht? Sie wird wohl kaum die ganze Zeit dort im Schnee gesessen und auf genau diesen Moment gewartet haben, vor einer Schule, die abgerissen werden soll? Das wäre arg willkürlich, und genau das erscheint mir eben in keiner Sekunde beim Lesen der Fall gewesen zu sein.
 
Ich hab irgendwo gelesen, dass die zweite Ausgabe vom UPgrade wirke wie ein Schlachtschiff ohne richtigen Kapitän, also ordentlich Feuerpower ohne jemanden, der richtig zielt. Ich bin eher vom Gegenteil überzeugt: Graupner und Wüstefeld zielen extrem wuchtige Salven von „Aaahs“ und „Ooohs“, mit denen sie mich immer wieder an die Seiten gefesselt haben, ohne mir dabei das Gefühl zu geben, den Überblick zu verlieren. Das ist bei den von dir angesprochenen vielen Zeitebenen (ich zähle übrigens nur sechs?) nicht hoch genug zu bewerten.
 
Auch ein Indiz aber beispielsweise für eine genaue Idee hinter der Geschichte ist die Auflösung des anscheinenden Suizid-Versuchs aus der ersten Ausgabe, einer jener Punkte, die du ansprachst. Wir denken nochmal schnell zurück: Die Premierenausgabe begann mit einer Splashpage des stürzenden Ronny Knäusel im Feinripp, darauf folgte eine Großaufnahme-Doppelseite von Ronnys Gesicht in Panik … und am Ende schloss der Band mit dem scheinbaren Selbstmord, weil er statt seiner geliebten Neues Leben die Coupé geliefert bekam. Uns wurde das damals so verkauft, dass man denken könnte, der Bub möchte nicht mehr leben in einer Welt, die nicht mehr die DDR ist. In der vorliegenden Ausgabe wird genau die Szene mit Hintergrund versehen, wir lernen, dass es gar kein Selbstmordversuch ist. Wir lernen von dem Kontakt zu Cosmo Shleym, dass er zufällig auf das Dach teleportiert und am Ende mehr runtergeweht wird als absichtlich springt.
 
Solche schlauen Dinge lassen mich sehr wohl vermuten, dass da jemand ’ne Kapitänsmütze aufhat. Und sie bieten ja auch darüber hinaus unfassbar viel Stoff, den sie weiterspinnen können. Die Bellmann-Höhle, zum Beispiel. Mexiko. Die Initiali sind bisher auch nur angerissen, Ronny ist womöglich eines … aber die anderen vier?
 
Deswegen ist es sehr müßig, hier jetzt drüber nachzudenken, was man vielleicht etwas anders oder besser machen könnte. Ich als Comiczeichner/-macher hätte sicherlich etwas mehr Energie in einen ordentlichen Abschluss des Bandes gesteckt. Das ist tatsächlich etwas, was mich mit einem etwas mauen Gefühl zurückgelassen hat: Ich hatte nicht den Eindruck, als ob die Geschichte jetzt erst mal wieder für eine Weile ruhen muss (was sie ja wird, denn der nächste Band ist für den Sommer 2014 angekündigt) und ich entsprechend verabschiedet werde, sondern die letzte Seite hört einfach auf. Ich hab nichts gegen Cliffhanger, aber auch die wollen entsprechend hergeleitet werden. Das hätte ich anders gelöst, denke ich. Allerdings weiß ich, weil ich das den Herren auch schon schrieb, dass das dort genauso gesehen wird.
 
Ich überleg die ganze Zeit, wo ich das Ding insgesamt einordnen soll, und du schreibst von der Einzigartigkeit vom UPgrade in Deutschland. Mittlerweile bin ich für mich an dem Punkt angelangt, die Reihe vorläufig als den deutschen Comic für mich abzulegen. Die Geschichte ist, wie schon von dir angeführt, deutsch-deutsch, der Grad der Professionalität beängstigend akribisch und das alles in einem Zeichenstil, der seine Wurzeln bekanntermaßen in dem (ost-)deutschesten Comic überhaupt hat. Oder würden Dir zumindest optisch spontan Anleihen aus angrenzenden Ländern oder Übersee einfallen?

MARC-OLIVER FRISCH: Ja, stimmt absolut. Was die Figuren oder das grafische Erzählen auf der Seitenebene angeht, sehe ich Chris Ware als starken Einfluss, den die beiden ja selber nennen. Ansonsten erinnern mich Farben und Ästhetik auch an John Kricfalusi, Steve Purcell, den Stil von The Incredibles oder Disney-Produktionen im Allgemeinen. Aber Mosaik ist natürlich schon deutlich als prägender Einfluss erkennbar, allein schon bei Ronnys Darstellung. Das ist sicher auch durch Graupners und Wüstefelds persönliche Zeit bei dem Magazin bedingt.

Insofern also, wie du sagst, auch in diesem Punkt ein unverwechselbar deutscher Comic, was ebenfalls bemerkenswert ist.

Die sieben Zeitebenen in der Story sind 1989 (das BTX-Dokument am Anfang), 2736 v. Chr. (die „Fünf Initiali“), 1974 (Volksschul-Ronny), 1966 (Ronnys Geburt), 1992 (Gammel-Ronny), 1988 (NVA-Ronny) und 1528 (die Tenochtitlan-Episode). Im ersten Heft gab’s sogar acht: 2012 (das Editorial), 2736 v. Chr. (die „Fünf Initiali“), 1992 (Gammel-Ronny), 1988 (NVA-Ronny), 1965 (Ronnys Empfängnis), das 16. Jahrhundert (Collage auf S. 22/23), 1966 (Ronnys Geburt) und 1973 (die Weltfestsspiele). Das Editorial im ersten Band, für das ein gewisser Generalmajor Kolk verantwortlich zeichnet, ist somit also auch der bislang einzige Teil der Story, der in „unserer“ Gegenwart spielt; der Rest der Geschichte liegt schon mindestens 20 Jahre zurück. Da können wir uns wohl noch auf einiges gefasst machen.

Auch hier sieht man wieder: Ohne einen ziemlich ausgefeilten Masterplan wäre das Spiel mit so vielen Zeitebenen über eine Serie hinweg kaum möglich – außer man macht es wie bei Lost, wo die Autoren selber keinen Schimmer hatten und ihr Publikum einfach so lange an der Nase herumführten, bis die Serie vorbei war. Den Eindruck hab ich hier aber nicht.

Die Zufälle, die du erwähnst, fand ich auch recht plausibel. Cosmo sagt, er suche Ronny seit zehn Jahren, und eine Telefonnummer ist letztlich nicht so schwer zu bekommen, wenn man erst einmal einen Namen hat. Und von Bellmann wissen wir ja, dass sie sowohl Cosmo als auch Ronny schon seit Jahrzehnten beobachtet; sie wird also irgendwie erfahren haben, dass die beiden auf dem Weg zur Schule sind.

Was das Ende angeht, da gebe ich dir wiederum recht, das hätte auch runder sein können, gerade bei einer Serie, die nur einmal im Jahr erscheint.

Mein größtes Problem bis hierhin ist eigentlich Ronny selbst. Der kriegt zwar diesmal sehr viel mehr Zeit im Scheinwerferlicht als im ersten Heft, aber so richtig greifbar wird er für mich immer noch nicht, trotz solcher Andeutungen wie dem BTX-Protokoll oder dem Foto einer offenbar Verflossenen. Mir ist nach wie vor nicht klar, was ihn während seiner Zeit als junger Superheld antreibt oder wieso er sich später so hängen lässt, und ich finde auch den plötzlichen Sinneswandel am Ende des Hefts nicht einleuchtend. Ich verstehe zwar teilweise intellektuell, warum er etwas tut – oder kann’s zumindest vermuten –, aber insgesamt ist mir Ronny als Figur noch nicht schlüssig genug, um mich auch wirklich in ihn einfühlen zu können.

Wie siehst du das?

TILL FELIX: So gesehen kann man Ronny tatsächlich noch nicht richtig fassen, das stimmt. Im Moment ist er eher derjenige, mit dem man als Leser die Geschichte erlebt, als derjenige, der sie aktiv vorantreibt. Wobei ich seine Motivation beispielsweise, warum er sich nach dem UPgrade, der Wiedervereinigung, so hängen lässt, aus dem ersten Band noch durchaus präsent habe. Auch wenn die darauf folgende Suizid-Szene schlussendlich eine Führung aufs Glatteis war, so ist die Grundstimmung, dass er sich schlicht nicht mehr gebraucht fühlt, immer noch spür- und nachvollziehbar. Was ihn als junger Superheld antreibt, mag vielleicht noch etwas genauer im Laufe der Geschichte erklärt werden, sicherlich hängt das auch nicht zu kleinen Teilen mit Cosmo Shleym zusammen. Für den Moment reicht mir aber sein Gutmenschentum, nämlich DDR-Bürger, die keine mehr sein wollen, über die Grenze zu bringen, vollständig aus. Es mag vielleicht ein bisschen an meinem Hintergrundwissen zu den damaligen Umständen liegen (ich hab eine Frau aus dem weiten Osten, und schon viele Gespräche mit ihrer Familie über die DDR geführt, mich dazu auch eingelesen), um einschätzen zu können, wie viel Ronny damit riskiert und wieviel Gutes er damit für die Menschen tut. Im wahrsten Sinne ein Superheld.
 
Hat man dieses Vorwissen nicht, sehe ich ein, dass es dann etwas schwammig für den Leser wird.
 
Aber auch das fände ich nicht mal schlimm: In der Geschichte passiert im Moment sowieso noch so viel schwer Zuzuordnendes, dass ich im Moment noch gerne genauso verwirrt bin wie der Hauptdarsteller. Der ja aber schon am Ende das Heft in die Hand nimmt und zumindest in irgendeine Richtung rennt … ob der Weg dann zielführend ist, erfahren wir nächsten Sommer.
 
Ich hab mir im Laufe der Zeit eh angewöhnt, eine Serie erst nach der dritten Ausgabe zu beurteilen, weil dann die Exposition eigentlich vorbei sein sollte und die tatsächliche Spannung aufgebaut wird. Dafür haben die Herren Graupner und Wüstefeld ’ne Menge Boden gelegt, um feste aufzutreten und durchzustarten. Ich hoffe jetzt halt, dass sie auch in der Lage sind, die ganzen Bestandteile der Geschichte ordentlich zusammenzubinden und einen Knoten in der Größe eines Morgensterns knüpfen, den sie uns dann (irgendwann im Sommer 2021) an den Kopf schmettern und wofür wir ihnen ewig zu Füßen liegen werden.
 
Die Zeitspanne bis zur vermeintlich letzten Ausgabe 10 ist noch eine große, fällt mir grad auf…

MARC-OLIVER FRISCH: Wie gesagt: Was die reinen Informationen angeht, wird schon kommuniziert, warum Ronny jeweils tut, was er tut. Aber „wissen“ ist eben nicht gleich „verstehen“. Ronny ist eine mal lustige, mal traurige Figur mit interessanter Biografie, aber es fehlt ihm noch etwas typisch Ronnyhaftes – ein roter Faden, der ihn auch über die reinen Fakten und den Plot hinaus authentisch macht. Die Sache mit dem Wandertag in Heft 2 zum Beispiel, wo er sich nicht entscheiden kann, ob jetzt „gutes Wetter“ ist oder nicht, geht in diese Richtung. Das fand ich ’ne sehr schöne, schön beobachtete Sequenz, die mir Ronny nähergebracht hat. Davon hätte ich mir nach zwei Heften schon mehr gewünscht.

Vor allem vom Ronny aus dem Jahr 1992 – ein Held, der keinen Sinn mehr im Leben sieht? Das ist ja zunächst mal keine Figur, sondern ein Klischee. Da fehlt noch was, wenn es Wiedererkennungswert haben soll. Darum kann ich dann auch seinen Sinneswandel nicht nachvollziehen – der kommt mir zu plötzlich und scheint ziemlich unmotiviert. Die Geschichte hat mir keine Möglichkeit gegeben, mich vorher in ihn hineinzuversetzen, und darum verstehe ich auch nicht, wieso er sich’s plötzlich anders überlegt und etwas macht, was er doch schon lange vorher hätte tun können. Irgendein Wunderelement im Kopf, das plötzlich ausgelöst wird, ist mir da zu billig – da muss schon was her, das aus der Figur selbst kommt. Das UPgrade bietet nun zwar genug andere faszinierende Einfälle, die solche Mankos auch mal kaschieren können, aber generell ist leider noch nicht klar, wie dieser Ronny so drauf ist, von den Eckdaten mal abgesehen.

Ich glaub auch, dass man sich ein Urteil darüber bilden kann, ob ein Stoff als Serie funktioniert, auch nach dem ersten Heft. Wenn die ersten zwei Ausgaben nur Exposition sind, dann haben die Autoren einfach einen schlechten Job gemacht. Ich erwarte, dass jede Szene in einem Comic als solche funktioniert und interessant ist, und mich nicht bloß mit irgendwelchem Hintergrundwissen überschüttet, das mich ohne eine entsprechende Geschichte gar nicht interessiert. Das UPgrade finde ich da insgesamt ganz gelungen.

Die Tatsache, dass Das UPgrade überhaupt als Heftserie erscheint, ist auch wieder faszinierend. Genre-Unterhaltung aus Deutschland, die nicht bewusst die Trash-Schiene fährt, sondern Anspruch und Unterhaltung verbinden will? Ist schon selten genug – als Heftserie gibt es das praktisch überhaupt nicht. Was merkwürdig ist. Der Wederhake meinte neulich, eine Serie wie Das UPgrade müsste eigentlich monatlich erscheinen, und da hat er recht. Wenn sich so was nicht verkaufen lässt, was denn dann?

Glaubst du, es würde sich lohnen, wenn ein großer Verlag wie Panini oder Egmont sich mal ein Herz fassen und eine Serie wie Das UPgrade konsequent und mit entsprechender Marketing-Power herausbringen würde?

TILL FELIX: Natürlich würde Das UPgrade Panini und Egmont gut zu Gesicht stehen, aber es wäre halt in der Form wie aktuell ein einziges Zuschussgeschäft: Das UPgrade lebt absolut von den Zeichnungen des Sascha Wüstefeld, die den Look & Feel der Serie tragen. Aber dieser Stil ist halt auch sehr aufwändig, Du hast die Detailfülle der Hintergründe angesprochen. Für eine häufigere Erscheinung müssten Panini und/oder Egmont 3-4 Menschen nahezu voll beschäftigen … und das ist halt leider trotz des tollen Comics, der am Ende rauskommt, nicht rentabel genug.

Daher: Ja, Meister Wederhake spricht wahr, aber seine Wahrheit ist halt leider nur die halbe.

Ich kann mich, um das noch mal zu sagen, im Moment noch sehr gut damit abfinden, dass der Knäusel bisher noch nicht so recht greifbar ist, weil einfach das Viele, was das UPgrade bietet, noch ausreicht, um mich zu begeistern. Das wird sich ändern, spätestens ab Ausgabe 4, und dann müssen die Herren auch in der Figurenentwicklung was vorzuweisen haben.

Aber bis dahin lass ich mich einfach noch gerne von goldenen Flugobjekten und multiplen Frau Bellmanns begeistern. Ich möchte hier auch gerne noch anführen, dass mich das Bild von Cosmo Shleym, der als Vib-Voxel-Nerd am Ende den Gang versperrt, laut kichern ließ … mehr verlange ich bei einer Serie an der Stelle erst mal auch nicht.

 

Das UPgrade 2
von Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld
Zitty Verlag, 2013
50 Seiten, Softcover, farbig
Preis: 
€ 9,90
ISBN: 978-3-922158-10-3

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Abbildung: © Graupner/Wüstefeld und Zitty Verlag