Einer der größten US-Comicverlage, DC Comics, hat seit geraumer Zeit eine Online-Präsenz, die sich Zuda Comics nennt. Unter anderem wird dort ein monatlicher Wettbewerb veranstaltet, an dessen Ende dem Sieger mit den meisten Leser-Stimmen die bezahlte Veröffentlichung seines Webcomics winkt.
Comicgate-Mitgründer Fritz Saalfeld hat die Auswahlrunde durch die Zuda-Redakteure bestanden und präsentiert momentan den Anfang seiner Geschichte If You See The Hills im August-Wettbewerb.
Im Interview erzählt uns Fritz vom Wettbewerb und seinem Comic, und wir sprechen allgemein über Webcomics.
Comicgate: Hallo Fritz, Du warst schon in Deinen aktiven Zeiten bei Comicgate sehr den Webcomics zugetan. Jetzt hast Du Deinen eigenen Comic If You See The Hills für den Monat August beim Wettbewerb von Zuda online veröffentlicht bekommen. Erstmal Gratulation dazu!
Bitte erzähl doch mal etwas über den Wettbewerb an sich.
Fritz Saalfeld: Zuda Comics ist DC Comics‘ Webcomic-Imprint. Es gibt zwei Wege, bei Zuda veröffentlicht zu werden: Entweder die finden deine Einsendung so toll, dass sie dir sofort einen Vertrag geben (was in den seltensten Fällen passiert), oder sie wählen deinen Comic für den Wettbewerb aus.
Im Wettbewerb nehmen jeden Monat zehn von der Zuda-Redaktion ausgesuchte Comics teil, von denen dann die ersten acht Seiten auf der Webseite veröffentlicht werden. Die Leser können dann bis zum Ende des Monats abstimmen, welcher der zehn Comics fortgesetzt werden soll und der Gewinner bekommt dann einen Ein-Jahres-Vertrag.
CG: Wie bist Du darauf gekommen, mitzumachen? Hast Du Dir Chancen an einer Teilnahme ausgerechnet?
FS: Die Chance, einen Vertrag bei DC Comics zu bekommen, ist einfach sehr verlockend, noch dazu erreicht man ein breites Publikum und wird bereits wenn man es in den Wettbewerb schafft bezahlt. Man sieht ja jeden Monat, was für Comics da mitmachen, und insofern war ich schon recht optimistisch, dass ich zumindest so weit komme. Wie weit man es in dem Wettbewerb dann schafft, kann man vorher glaub ich gar nicht einschätzen, weil das einfach viel von den anderen Beträgen abhängig ist.
CG: Schwebte Dir If You See The Hills schon länger im Kopf herum? Er klingt ein wenig selbstreflektiv.
FS: Ja, die Grundidee mit deprimierten Teenagern, die auf den Dächern rumklettern und sich Gedanken über ihre Zukunft machen, schleppe ich schon länger mit mir rum. Es ist sicher etwas von mir in den Figuren, ich glaube, das ist bei allem so, was ich schreibe, aber autobiografisch ist das ganze bestimmt nicht. Die Figuren sind wesentlich depressiver als ich. Ich liebe die Stadt, in der ich lebe.
CG: War er schon immer auf Englisch konzipiert?
Über sowas mach ich mir eigentlich erstmal gar keine Gedanken, wenn ich eine Idee für ein Geschichte habe. Das kommt irgendwann später, wenn man dann konkret anfängt; und zu dem Zeitpunkt wusste ich bei Hills schon, dass ich das bei Zuda einschicken wollte, daher war dann auch die Sprache klar.
CG: Dein Comic ist sehr dialoglastig, die Sprache ist das Einzige, was „passiert“. Bewusst oder ist das einfach so entstanden?
FS: Ein Leser hatte dazu kommentiert, ich hätte einige der Sachen, die die beiden erzählen, doch in Flashbacks zeigen sollen, damit mehr los ist, und anfangs hatte ich das auch so geplant, aber das hätte diese Szene total zerrissen. Insofern ist es beim Schreiben schon einfach so entstanden, war aber auch eine bewusste Entscheidung, diese ruhige Szene nicht zu unterbrechen. Ist natürlich klar, dass das nicht jedem gefällt und wenn das Ganze weitergeht, wird das natürlich nicht immer so still sein, aber für diesen Moment passt es einfach so besser, finde ich.
CG: Hast Du den Text von einem Muttersprachler auf Natürlichkeit durchschauen lassen?
„My cell is on the fritz lately“ ist übrigens ein netter Insider-Gag. 😉
FS: Ja, eine Freundin hat das korrekturgelesen (und fand den Satz übrigens auch sehr lustig), hatte aber nur ein, zwei klitzekleine Vorschläge, um den Text noch klarer zu machen. Das waren dann aber echt nur so Sachen wie hier und da ein Komma oder ein Wort kursiv setzen. Hätte mich nach zig Semestern Amerikanistikstudium auch gewundert, wenn das anders gewesen wäre. Und dann wird das ganze natürlich auch nochmal von den Redakteuren bei Zuda durchgeguckt, aber das meiste, was die zu beanstanden hatten, waren die ganzen Schimpfwörter, die man nicht sagen darf.
CG: Sind diese acht Seiten der Anfang einer größeren Geschichte?
FS: Ja, im Prinzip schon. Das sieht der Ablauf bei Zuda ja schon so vor, da man ja, wenn man gewinnt, noch mindestens 52 Seiten mehr machen muss. Insofern muss man natürlich schon eine Idee haben, wie das Ganze weiter gehen soll. Gleichzeitig bin ich da aber so rangegangen, dass es schon irgendwie in sich abgeschlossen ist, also es nicht wirklich schlimm ist, wenn es nun nicht weiter geht.
CG: Wie siehst Du Deinen Beitrag im Vergleich zur Konkurrenz – ist diese ruhige Art sehr ungewöhnlich?
FS: Ja, die meisten anderen Comics bei Zuda sind wesentlich Action-lastiger und Coming-Of-Age-Geschichten sind generell in diesem Medium eher die Ausnahme. So fällt es zwischen den ganzen Science-Fiction- und Fantasy-Comics schon aus der Reihe, was einige total toll finden und sehr loben, während viele Stammleser von Zuda damit vielleicht nicht so viel anfangen können. Aber ich habe mich ja nun auch nicht hingesetzt und gedacht, „so, jetzt machst du mal einen Comic, den sie bei Zuda alle toll finden sollen“. Es ist mehr die Art Comic, wie ich sie gerne selber lese.
CG: Wie ich schon zu Beginn erwähnt habe, hast Du Dich bereits vor gut einem Jahrzehnt für Webcomics interessiert. Was hat sich Deiner Meinung nach in der Zwischenzeit getan?
FS: Nicht allzu viel, leider. Viele Webcomics halten sich meiner Meinung nach einfach noch viel zu sehr an die Einschränkung, die es beim Print-Comic gibt. Bei Zuda hat man immerhin schonmal das Format der Seiten an das Format des Monitors angepasst, so dass man beim Lesen nicht die ganze Zeit über Seiten scrollen muss. Aber Webcomics, die tatsächlich die Fesseln der Print-Comics hinter sich lassen, wie When I Am King von Demian.5 beispielsweise, sind leider immer noch die Ausnahme.
Die spannendste Entwicklung der letzten Jahre hat dann auch weniger mit Form oder Inhalt der Webcomics zu tun, sondern eher mit dem Vertrieb, da sich langsam auch die großen Verlage mit dem Thema auseinandersetzen. DC ist mit Zuda in dem Bereich in gewisser Weise in einer Vorreiterrolle und wesentlich experimientierfreudiger als Marvel, wobei die ja immerhin Digitalversionen ihrer Print-Hefte anbieten, um den in den letzten Jahren aufgekommenen illegal gescannten Comics entgegenzuwirken.
CG: Siehst Du eine Gefahr für Printcomics durch die Online-Veröffentlichungen? Diese Thematik wird ja momentan heiß diskutiert.
FS: Absolut nicht. Menschen lieben Bücher. Am Monitor zu lesen ist einfach kein Vergleich dazu, ein gedrucktes Buch in der Hand zu halten. Guck dir beispielsweise mal Nicht Lustig an: Die Cartoons sind alle online, völlig kostenlos, und trotzdem verkaufen sich die Bücher wie bescheuert.
Was die Verlage allerdings früher oder später überdenken müssen, ist das US-Erscheinungsformat der monatlichen Comichefte. Die Verkaufszahlen sind da eh rückläufig, weil viele Leser lieber auf den Sammelband warten und die einzelnen Hefte einfach verdammt teuer sind. Ich meine, was kostet ein Comicheft heute? 4 US-Dollar? Da ist es doch kein Wunder, dass sich Leute das lieber gescannt runterladen.
CG: Wie stellst Du Dir eine gute Online-Veröffentlichungsstrategie für Comics vor? Sind Dir schon vernünftige Bezahlmethoden untergekommen?
FS: In den meisten Fällen, in denen mit Webcomics Geld verdient wird, kommt dieses Geld von Werbung, Merchandising wie T-Shirts und Print-Editionen und nicht von direkt zahlenden Lesern. Eine solche Veröffentlichungsweise lässt sich sehr gut mit Fernsehserien vergleichen: Die fortlaufende Veröffentlichung ist kostenlos und baut eine Zuschauerschaft auf, ist allerdings nicht so bequem wie die spätere, werbefreie Veröffentlichung auf DVD (beziehungsweise bei Comics als Sammelband). Hierbei ist die erste Veröffentlichung in gewisser Weise Werbung für die zweite Veröffentlichung. Lost würde sich sicher auf DVD bei weitem nicht so gut verkaufen, wenn es nicht kostenlos im Fernsehen laufen würde, und Nicht Lustig hätte sicher nicht so hohe Auflagen, wenn die Comics online kostenpflichtig gewesen wären. Ich glaube, eine solche Veröffentlichungsweise ist für Comics weitaus erfolgversprechender als das iTunes-Modell. Andererseits haben Longbox, die im Herbst in den USA einen Onlinecomicshop mit einem solchen Modell starten, auch so Sachen erwähnt, wie dass man einen Rabatt auf das Trade Paperback bekommt, wenn man vorher die Hefte digital gekauft hat, das könnte dann wieder durchaus interessant sein.
CG: Zum Schluss Deine Lesetipps: Was sind Deine Favoriten unter denWebcomics?
Smile von Raina Telgemeier, das Anfang nächstes Jahr auch gedruckt erscheint. An Strips im Moment XKCD und A Softer World. Und natürlich Copper, wobei es da leider länger kein Update mehr gab.
CG: Danke für die Antworten und noch viel Erfolg bei Zuda! Wem unserer Leser If You See The Hills gefällt, der kann noch bis zum 31. August für Dich abstimmen.
FS: Danke und hoffentlich bis bald.
Comicabbildungen © Fritz Saalfeld