Frisch aus der Druckerei

Frisch aus der Druckerei: April 2011

Unser monatlicher Rückblick auf die aktuellen Comic-Novitäten: Diesmal mit vielen deutschsprachigen Eigenproduktionen, mit ungewöhnlichen Micky-Maus-Comics, einer Französin in Japan und einem japanischen Afro.

HIGHLIGHT DES MONATS

University FreaksZum zehnten Verlagsgeburtstag beschenkt sich Cross Cult mit einer Rolle rückwärts in die eigene Vergangenheit: Frank Chos University Freaks wurde im Jahr 2000 von Andreas Mergenthalers Firma Amigo Grafik (damals noch unter dem Label „Gringo Comics“) veröffentlicht, aus der wenig später Cross Cult hervorging. Damals erschienen zwei Hefte, die abschließende dritte Ausgabe kam nur noch als handkopierte Billigausgaber heraus. Doch schon dort wurde im Vorwort orakelt: „Vielleicht können wir doch noch irgendwann ein Farbalbum eurer Lieblings-Looser (sic!) veröffentlichen …“ Jetzt ist es soweit: Die sehr charmante, kurzlebige Comicstripserie (die später als Liberty Meadows fortgesetzt wurde) mit einer Schar verrückter Funny Animals und einer sexy Menschenfrau erscheint im Hardcover in Farbe und mit reichlich Bonusmaterial. Eine Leseprobe gibt’s hier.

EIGENPRODUKTIONEN

Die in Hamburg lebende Künstlerin Marijpol (alias Marie Pohl) studierte an der HAW und war schon mit Beiträgen in Orang, Spring und anderen Anthologien vertreten. Beim Avant-Verlag erscheint nun ihr erster langer Comic Trommelfels, in dem es um eine archäologische Expedition geht, bei der Hinweise auf eine unterirdische Zivilisation gefunden werden. Arg viel mehr ist leider vorerst nicht herauszufinden, aber die Leseprobe (PDF) sieht sehr vielversprechend aus.

Weniger künstlerisch, eher dokumentarisch-didaktisch geht es dagegen in Grenzfall zu, das ebenfalls bei Avant erschienen ist. Mit Fördergeldern der Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur entstand ein Comic, der von einem Schüler erzählt, der in der DDR der 80er Jahre eine illegale Zeitschrift herausbringt. Dahinter stecken Thomas Henseler und Susanne Buddenberg, die eine gemeinsame Agentur betreiben, wo vor allem Illustrationen und Storyboards, aber auch ein Werbecomic für C&A entstehen (Leseprobe)

Im Bann der HexerAuch bei der Ehapa Comic Collection debütiert ein einheimisches Kreativteam: Die Münsteraner Florian Biege und Alexander Berger erzählen mit Im Bann der Hexer eine „Indianische Sage“ in wuchtigen Schwarz-Weiß-Bildern. Die Geschichte wurde vorab bereits im Magazin Comix abgedruckt, kommt in ihrer komplett digital erzeugten Schwarz-Weiß-Ästhetik aber wohl erst in Albenform so richtig zur Geltung. Leseproben gibt es beim Verlag und auf der Website von Zeichner Biege.

Der schweizer Künstler Matthias Gnehm (Tod eines Bankiers, Das Selbstexperiment) überrascht immer wieder mit ungewöhnlichen Themen, die sonst nie in Comics zu finden sind. In seiner neuen Graphic Novel Die Bekehrung (Edition Moderne) geht es nicht nur um Coming-of-Age und um Religion, sondern auch um das städteplanerische Phänomen der Zersiedelung. Drei Seiten daraus sind hier zu sehen.

Jetzt kommt späterEbenfalls aus der Schweiz kommt Kati Rickenbach. Nach Filmriss legt sie mit Jetzt kommt später bei der Edition Moderne ihren zweiten langen Comic vor. Darin erzählt sie autobiografisch von zwei Lebensabschnitten, in denen sie in Hamburg lebte. Eine Leseprobe gibt es hier.

Die Hamburgerin Moki, die 2006 den Sondermann als „Beste Newcomerin“ bekam, kennt man für ihre rätselhaft-traumartigen Gemälde und Comics. Bei Reprodukt erschien nun ihre erste Comicerzählung in Langform: Wandering Ghost, eine wortlose Graphic Novel mit kleinen Pelzwesen, die vom Erwachsenwerden erzählt (Leseprobe).

Als alter Hase darf der Leipziger Comiczeichner Schwarwel gelten, der in den Heydays des Heftchenbooms mit Schweinevogel einen kleinen Independent-Hit am Start hatte. Seit Anfang 2010 veröffentlicht er seine Graphic Novel Seelenfresser, einen düsteren Horror-Comic online in Fortsetzungen. Das erste von geplanten vier Büchern ist nun auch gedruckt zu haben, erschienen bei Glücklicher Montag.

Thorsten Kieckers aufwendige und ambitionierte Fantasy-Serie Ria – Die Lichtklan Chroniken, die er gemeinsam mit einem großen Künstlerteam erstellt, ist nun beim Splitter-Verlag zuhause. Nachdem der erste Band „Same der Hoffnung“ zunächst in kleiner Auflage im Eigenverlag herauskam (hier die Comicgate-Doppelrezension von Frauke und Geier), bringt Splitter eine überarbeitete und mit Bonusmaterial ergänzte Fassung im gewohnten Hardcover-Überformat (Leseprobe).

AUS DEN USA

Bei Tokyopop gibt es mit Bone: Legenden einen Nachklapp zu Jeff Smiths großem Fantasy-Comic-Epos Bone. Im Grunde handelt es sich hier um eine kolorierte Neuausgabe der Miniserie Stupid, Stupid Rat-Tails (auf Deutsch vor Jahren bei Carlsen als Rattenmonster-Geschichten erschienen), ergänzt mit ein wenig älterem und ein wenig neuem Material sowie einer Rahmenhandlung (US-Leseprobe bei amazon.com)

Harlequin ValentinePanini erweitert seine Neil Gaiman Bibliothek mit einem Comic aus dem Jahr 2001. Harlequin Valentine basiert auf einer Gaiman-Kurzgeschichte und wurde von John Bolton als Comic adaptiert. Die Geschichte versteht sich als moderne Interpretation der Commedia dell’arte mit ihrer berühmten Figur des Harlekin. myComics hat eine Leseprobe.

Ansonsten hatte Panini im April eine Reihe von Crossmedia-Comics zu bieten: Die Comicvariante der erfolgreichen Vampir-TV-Serie True Blood, die nun auch im deutschen Free-TV zu sehen ist, startete mit dem ersten Band. Bei myComics kann man Kapitel 1 lesen.

Außerdem gibt es eine neue Comicreihe zur TV-Serie Farscape. Hier erzählt der Comic die Handlung der Science-Fiction-Serie weiter, die 2004 nach vier Staffeln und einer Miniserie eingestellt wurde. Serienschöpfer Rockne S. O’Bannon ist hier als „Supervisor“ an Bord, man folgt also dem erfolgreichen Modell, dass Joss Whedon und Dark Horse mit den Buffy-Comics betreiben (Kapitel 1 bei myComics)

Und zum Zombie-Computerspiel Resident Evil gibt es nach Kinofilmen und Romanen nun auch die Comicvariante. Der Band erzählt die Vorgeschichte zu Teil 5 des Videospiels und kann hier angelesen werden.

In der Marvel-Miniserie X-Men: Pixie Strikes Back vom Kreativteam Kathryn Immonen und Sara Pichelli stehen weniger Action und Superheldengekloppe im Vordergrund, der Comic ist eher eine Highschool-Teenie-Geschichte, die sich vor allem um junge weibliche Mutanten dreht. Auf Deutsch bei Panini als X-Men Sonderband: Pixie schlägt zurück (US-Preview)

Passend zum Kinostart des Thor-Films schob Panini noch ein paar Comics mit dem Donnergott in die Läden: die Marvel Monster Edition 37: Thor – Sohn von Asgard enthält eine komplette Maxiserie von Akira Yoshida und Greg Tocchini. Die Fantasy-Geschichte aus der Jugendzeit von Thor spielt komplett im Reich der Götter und lässt das Marvel-Universum aus dem Spiel (Kapitel 1 zum Probelesen).

LokiWas auf Deutsch den etwas umständlichen Namen 100% Marvel 55: Thor – Loki trägt, hieß als Miniserie in den USA einfach nur Loki. Die Grundidee dahinter: Hier wird die Geschichte von Thors ärgstem Widersacher, dem stets intriganten Loki, erzählt, und zwar als Rückblick aus dessen eigener Perspektive, der naturgemäß viele Dinge anders sieht (Leseprobe)

Und auch in New Ultimates 1 spielen Loki und Thor eine tragende Rolle. Hier sind wir übrigens wieder bei Frank Cho (siehe ganz oben) angelangt, der inzwischen hauptsächlich als Marvel-Zeichner aktiv ist und diese Miniserie von Autor Jeph Loeb gezeichnet hat (US-Preview).

Die Muppet Show als Comic war eine der größten Comicüberraschungen der letzten Jahre. Autor und Zeichner Roger Langridge bekam etliche Preise und Nominierungen dafür. Erfreulich, dass es die Serie nun auch auf Deutsch gibt, nämlich bei der Ehapa Comic Collection. In meiner Rezension habe ich mehr drüber geschrieben, eine US-Leseprobe gibt es hier.

Micky EpicMit dem Videospiel Micky Epic für die Wii-Konsole ist Disney letzten Winter eine Überraschung geglückt, die viel Lob eingeheimst hat, vor allem weil in dem Spiel eine untypisch düstere Stimmung vorherrscht und sich die Story auf die komplette, über 80jährige Geschichte der Maus bezieht. Unter anderem tritt auch Mickys Quasi-Vorläufer Oswald the Lucky Rabbit in dem Spiel auf. Autor Peter David hat aus dem Spiel eine Comicadaption gemacht, die nun in der Ehapa Comic Collection erschienen ist (PDF-Leseprobe).

AUS ITALIEN

Die Lustigen Taschenbücher von Egmont Ehapa bekommen eine neue Sonder-Reihe: In der Maus-Edition geht es ausschließlich um Micky Maus, der im ersten Band „Der Meisterdetektiv“ in neun Geschichten (vonn denen vier deutsche Erstveröffentlichungen sind) als Privatdetektiv im Einsatz ist. Mehr Infos dazu gibt es auf der Fanseite lustige-taschenbuecher.de, wo jede Story einzeln besprochen wird.

AUS FRANKREICH UND BELGIEN

Coney Island BabyAls biographischen Comic mit fiktionalen Elementen, der zwei Biographien parallel erzählt, könnte man Coney Island Baby von Nine Antico bezeichnen. Es geht um die Pin-Up-Ikone Betty Page und um Linda Lovelace, Star des legendären Pornofilms Deep Throat. Als Erzähler tritt Playboy-Gründer Hugh Hefner in Erscheinung. Dass es sich hier aber mitnichten um einen Erotikcomic handelt, zeigt schon die Leseprobe. Die Süddeutsche Zeitung schrieb in ihrer Rezension: „Antico hangelt sich so kreuzbrav durch die Leben ihrer Heldinnen, dass man den Eindruck gewinnt, hier werde einem ein Wikipedia in Bildern vorgeführt“ (Leseprobe).

Tokyo Home erscheint zwar beim vor allem für Manga bekannten Verlag Tokyopop, ist aber keiner: Der Comic stammt aus Frankreich, wurde von Thierry Gloris (Missi Dominici, Codex Angélique) gescriptet und mit supersüßen Zeichnungen von Cyrielle umgesetzt, die vor allem als Kinderbuch-Illustratorin arbeitet. Es geht um ein 17-jähriges Mädchen, das von Frankreich zu ihrem Vater nach Japan zieht, wo sie eine Schule besucht und die Sprache lernt. Eine klassische Culture-Clash-Geschichte also, vermischt mit einer Teenie-Komödie. Die Leseprobe sieht wirklich hübsch aus.

Dass die Ehapa Comic Collection eine zweiteilige Albenreihe namens Odin im gleichen Monat startet, in dem der Thor-Film startet, kann nur Zufall gewesen sein, oder? Nicolas Jarry und Zeichner Erwan Seure-Le Biha interpretieren hier die nordischen Göttersagen in wuchtigen Bildern (Leseprobe).

ZarlaEher niedlich, aber thematisch nicht so weit entfernt, ist dagegen Zarla, eine neue Serie beim Piredda Verlag: Autor Jean-Louis Janssens und Zeichner Guilhem erzählen von einem kleinen Mädchen, das sich als große Drachenbezwingerin sieht, obwohl eigentlich ihr Hund Hydromel die Drachen besiegt. Erinnert ein bisschen an Wicki, sieht aber viel besser aus.

Der Splitter Verlag legt in seiner „Books“-Reihe den ersten Band der Reihe Kreuzfahrer von Alex Nikolavitch und Xiaoyu Zhang – hier geht es wieder mal um mehr oder weniger edle Tempelritter und ihre Abenteuer im Heiligen Land, hier allerdings mit deutlichem Fantasy-Horror-Einschlag. Eine Leseprobe steht hier.

Bevor Splitter im nächsten Monat mit der Collector’s Edition von Jean Van Hammes und Grzegorz Rosinskis Wikingersaga Thorgal beginnt, startet der Verlag zusätzlich die Spin-Off-Serie Die Welten von Thorgal: Kriss de Valnor, die in sieben Bänden von der Nebenfigur Kriss de Valnor erzählt. Hier eine Kostprobe.

Die Zack Edition im Steinchen für Steinchen Verlag bringt eine Gesamtausgabe von Cassio, einem historischen Thriller, der im alten Rom spielt. Der Band enthält alle vier Originalalben von Stephen Desberg und Henri Reculé. Es gibt eine französische Leseprobe und einen Videotrailer zur Serie.

DjinnSchreiber und Leser startet unter seinem Label „Alles Gute“ zwei neue Sammelband-Reihen im sogenannten Magnum-Format (Hardcover in verkleinerter Buchgröße). Sowohl Djinn als auch Largo Winch sind dort bereits als reguläre Albenausgaben erschienen, die neuen Sammelbände enthalten jeweils vier Alben zu einem recht günstigen Preis. Unter dem Motto „Das ganze Buch“ kann man das jeweils erste Album auf der Verlagswebsite kostenlos lesen (Djinn, Largo Winch).

Finix Comics hat die Serie Helden ohne Skrupel von Yann und Didier Conrad schon im letzten Jahr abgeschlossen, legt nun aber noch ein besonderes Schmankerl nach. Helden ohne Skrupel 000: Codename: Triple Zero enthält die allererste Geschichte der Reihe, die im Jahr 1996 im Magazin Spirou erschienen ist. Eine Albenausgabe erschien in Frankreich nur in Schwarz-Weiß. Finix präsentiert nun eine eigens neu kolorierte Fassung dieser Story. 10 Seiten Leseprobe gibt’s hier.

AUS ASIEN

Afro SamuraiEin eher ungewöhlicher Vertreter im Manga-Programm von Carlsen: Afro Samurai wurde bei uns zunächst durch die Anime-Verfilmungen bekannt, die bei diversen Festivals liefen und auf DVD recht erfolgreich sind. Deren Vorlage ist ein Manga von Takashi Okazaki, der zuerst 1999/2000 im Dōjinshi-Magazin Nou Nou Hau erschien (hierzulande bekannt durch eine Kooperation mit Moga Mobo im Jahr 2002). Nach dem Erfolg der Filme zeichnete Okazaki das Ding nochmal neu, jetzt kommt die deutsche Fassung in zwei Bänden auf den Markt. Hier die Leseprobe.

Die Serie Franken Fran von Katsuhisa Kigitsu (Planet Manga) ist eine Art moderne Interpretation des Frankenstein-Mythos. Kommt im Innenteil wohl nicht so deutlich erotisch daher wie die arg plakativen Cover, soll dafür aber recht deftige Horror-Elemente enthalten. Der Verlag verspricht jedenfalls eine „schwarze Horror-Komödie in maximaler grafischer Eindeutigkeit“ und bietet hier eine Leseprobe an.

Mit Deadman Wonderland von Kazuma Kondou und Jinsei Kataoka startet Tokyopop eine actionreiche Shonen-SF-Mystery-Reihe, die im größeren Format in Doppelbänden veröffentlicht wird. Sie spielt in einem Gefängnis, das als Themenpark daherkommt, in dem die Insassen ums Überleben kämpfen müssen. Eine Leseprobe steht hier.

Eine Krimiserie im Science-Fiction-Setting ist Detective Ritual (ebenfalls Tokyopop). Darin unterstützen drei jugendliche Detektive mit Spezialbegabung den „Japan Detective Club“ beim Lösen von Mordfällen. Der Verlag kündigt die Serie als „eine Art Detektiv Conan für Erwachsene“ an. Hier eine Kostprobe.