Nach Superman, Ironman und Spider-Man musste irgendwann auch Feynman kommen – eine Figur mit ganz besonderen Superkräften. Von seinen Comic-Kollegen unterscheidet er sich in erster Linie dadurch, dass er tatsächlich gelebt hat. Der US-Amerikanische Nobelpreisträger Richard Feynman gehört zu den Persönlichkeiten, die im zwanzigsten Jahrhundert die Physik völlig revolutioniert haben. Dass sein Leben nun vom Autor Jim Ottaviani auf etwas ungewöhnliche Weise erzählt wurde, nämlich in Comicform, passt gut: Feynman war eine ungewöhnliche Person mit einer ungewöhnlichen Biographie, der man mit einer ungewöhnlichen Erzählweise wohl am besten gerecht wird.
Eine Superheldengeschichte ist es allerdings nicht, und das ist gut so. Richard Feynman gilt in Physik-Kreisen zweifellos als einer der ganz Großen, als ein Genie auf Augenhöhe mit Einstein oder Heisenberg, doch was heißt das schon: „Wenn das der klügste Mann der Welt ist, dann Gnade uns Gott“, soll Feynmans Mutter gesagt haben. Er wird hier nicht als überstrahlender Superstar präsentiert, sondern als Mensch, der manchmal Glück hat und manchmal Unglück, der manchmal konzentriert arbeitet und manchmal Blödsinn macht, der weltbewegende Formeln ableitet und dann wieder lieber an brasilianischen Badestränden den Frauen hinterherblickt.
Schon als Kind wird Richard Feynmans Interesse für Wissenschaft von seinem Vater gefördert. Er studiert am Massachusetts Institute of Technology (MIT), später wechselt er nach Princeton, wo er seine Dissertation schreibt. Feynman ist ein Theoretiker, der gerne mit Formeln spielt, um zu verstehen, wie die Welt funktioniert. Die praktische Anwendbarkeit seiner Ideen ist für ihn weniger wichtig. Trotzdem wird gerade seine theoretische Arbeit an der Quantenphysik zu einem hochpolitischen Thema. Der zweite Weltkrieg ist ausgebrochen, und man ahnt, dass die neu entdeckten Naturgesetze den Weg zu einer neuen Waffe ebnen können: Feynman wird Mitarbeiter am „Manhattan Project„, dem streng geheimen Forschungsprojekt, in dem einige der klügsten Köpfe der USA mitten in der Wüste von New Mexiko die Atombombe entwickeln (und welches momentan bei Image Comics als Basis für einen Science-Fiction-Comic dient, zu finden bei unseren Topcomics 2013.)
Nach dem Krieg leistet Feynman entscheidende Beiträge zur Quantenphysik, 1965 erhält er dafür den Nobelpreis. Doch niemals besteht Feynmans Leben nur aus Physik allein. Diese Erzählung – eine der ersten Veröffentlichungen im neu gegründeten Unterlabel „Egmont Graphic Novel“ – handelt nicht bloß über seine Forschung, sondern auch über seine Frauen, über sein Trommelspielen, über seine Tresorknackereien und andere Tricks, mit denen er manche Leute zum Lachen, andere zum Verzweifeln bringt.
Es ist eine Geschichte über einen Physiker, nicht über Physik. Vorgestellt wird in erster Linie der Mensch Richard Feynman, nicht seine Erkenntnisse und Theorien. Erst gegen Ende werden Feynmans physikalische Grundgedanken erklärt: Knapp dreißig Seiten lang wohnen wir einer Vorlesung bei, in der der Protagonist recht anschaulich skizziert, worum es in seinem wissenschaftlichen Lebenswerk eigentlich geht. Besonders tiefschürfend lässt sich die Quantenelektrodynamik in dieser kompakten Form natürlich nicht beschreiben, aber man bekommt zumindest eine Idee davon, was die zentralen Fragen waren, denen sich Feynman gewidmet hat.
Hier zwei Videos, die einen Einblick in Feynmans Leidenschaft geben, naturwissenschaftliche Sichtweisen und Phänomene zu erklären:
Ode to a Flower:
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BBC-Reihe: Fun to Imagine – Using physics to explain how the world works:
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Wer eine allgemeinverständliche Einführung in die Quantenphysik sucht, ist mit anderen Werken besser bedient – davon gibt es viele, zum Beispiel „Auf der Suche nach Schrödingers Katze“ von John Gribbin. Wer aber eine unterhaltsame und spannend erzählte Geschichte über eine faszinierende Forscherpersönlichkeit haben möchte, sollte dieses Buch kaufen. Feynmans Leben ist sicher eine der interessantesten Forscherbiographien, die es gibt, Jim Ottaviani hat ganz offensichtlich sehr ausführlich recherchiert und erzählt die Geschichte auf flotte und unterhaltsame Weise. Graphisch setzt das Werk keine neuen Maßstäbe – aber der eher schlichte Zeichenstil ist einer naturwissenschaftlichen Biographie sicher angemessen.
Wertung:
Ein empfehlenswertes Werk für Wissenschafts-Nerds, Hobbyhistoriker, Physik-Freunde und alle, die es werden wollen
Unser Gastautor Florian Aigner ist promovierter Physiker mit Schwerpunkt Quantenmechanik. Hauptberuflich arbeitet er seit 2010 als Wissenschaftsredakteur an der TU Wien. In seiner Freizeit schreibt der Österreicher für das Scienceblog und das naturwissenschaftliche Bildungsmagazin naklar.at, das er mitgegründet hat. Zusätzlich engagiert er sich als Vorstandsmitglied bei der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.).
Feynman – ein Leben auf dem Quantensprung
Verlag: Egmont Graphic Novel, Dezember 2013
Text: Jim Ottaviani
Zeichnungen: Leland Myrick
Übersetzung: Ebi Naumann
272 Seiten, farbig, Softcover / Hardcover
Preis: 24,99 Euro
ISBN: 978-3770455010
Abbildungen © Leland Myrick, der dt. Ausgabe: Egmont Graphic Novel
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