Kurz vor seinem 40. Geburtstag bekommt Raphael eine alte VHS-Kassette zugeschickt. Darauf befindet sich eine Aufnahme von seinem 20-jährigen Ich und seiner damaligen Freundin Marie. Zweck dieser Aufnahme war es, ein Versprechen festzuhalten: Genau 20 Jahre später wollten sie sich unter allen Umständen wiedertreffen und zusammen eine Nacht in Rom verbringen. Raphael, der das Versprechen vergessen hatte und es aus heutiger Sicht eher als unbedachte Jugendsünde betrachtet, ist ob der Konfrontation mit seiner vergangenen Liebe aufgewühlt. Da klingelt bereits das Telefon, Marie lädt ihn nach Italien ein. Das Problem: Sowohl Raphael als auch Marie sind längst mit jeweils neuen Partnern liiert. Dennoch überlegt Raphael, ob er der Stimme aus seiner Vergangenheit nicht folgen, einfach ausbrechen, das Versprechen erfüllen soll.
Autor und Zeichner Jim hat mit Eine Nacht in Rom eine bezaubernde Romanze zu Papier gebracht. Wie bereits in seinen Comics Sonnenfinsternis und Die Einladung ist die Handlung schnell umrissen. Am Anfang dieser Werke steht ein interessante wie simple Ausgangsidee, die die lebensnahen Protagonisten in moralische Zwickmühlen führt. Im Zentrum stehen menschliche Gefühle, Lebenskrisen, Freund- und Liebschaften. Nicht anders verhält es sich also in Jims neuesten Comic, das auf über 200 Seiten, verteilt auf zwei Alben, erzählt wird. Der Plot verlässt die Konventionen einer üblichen Liebesgeschichte zwar vordergründig kaum, kommt aber ohne Klischees, überzogene Melodramatik oder Kitsch aus.
Vor allen Dingen kommt die Beziehung zwischen den Hauptfiguren Raphael und Marie sehr gut rüber. Ob man deren Verhalten als unreif, moralisch falsch oder nachvollziehbar beurteilt, in jedem Fall spürt man ihre Motive und die Anziehungskraft, die sie verspüren. 20 Jahre lang haben sie sich nicht gesehen und auch nicht groß aneinander gedacht. Dennoch hat das leichtfertig auf VHS gebannte Versprechen sofort wieder alte Emotionen ausgelöst. Der Reiz, das jetzige Leben mal kurz hinter sich zu lassen, um eine magische Nacht im romantischen Rom mit der immer noch bezaubernden Jugendliebe zu verbringen, ist für Raphael extrem stark.
Der Comic lebt von der feinfühligen Mimik der Figuren, dem ruhigen Storytelling und den authentischen Dialogen. Jim hat bereits bei seinen früheren Projekten bewiesen, dass er ein starker Erzähler ist, wenn es um sanfte Geschichten aus dem Alltag geht, die den Leser auf einer emotionalen Ebene berühren und mitreißen. Im vorliegenden Fall überzeugt er auch als hervorragender Zeichner, der sowohl Figuren wie auch Schauplätze akribisch nach Vorlagen detailreich umsetzt und seine Story perfekt mit ausdrucksvollen Bildern unterstützt. Einen Eindruck seiner Arbeitsweise kann man sich jeweils am Ende der Alben verschaffen, in denen kommentierte Skizzenbücher Jims abgedruckt sind. Übrigens war es meines Erachtens nach eine gute Entscheidung des Splitter Verlages, Eine Nacht in Rom in Albengröße zu veröffentlichen und nicht wie Sonnenfinsternis oder Die Einladung als Splitter Books im Kleinformat. Denn die Panels sind hier oftmals bewusst großflächig angelegt, um bestimmte Szenen aus weiter Perspektive einzufangen. Durch das große Format kommen die Zeichnungen hier sicherlich besser zur Geltung.
Wertung:
Nachdenkliche Romanze mit starker Bildsprache
Eine Nacht in Rom
Splitter Verlag
Text und Zeichnungen: Jim
Übersetzung: Tanja Krämling
je 112 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: je 19,80 Euro
Band 1
April 2013
ISBN: 978-3-86869-593-9
Leseprobe
Band 2
Februar 1014
ISBN: 978-3-86869-594-6
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag
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