Rezensionen

Resident Evil – Marhawa Desire 1

Cover von Resident Evil – Marhawa Desire 1Kazé Manga ist der jüngste Vertreter auf dem deutschen Mangamarkt. Als DVD-Label auch bei uns schon etabliert, gehört der Verlag der VIZ Media Switzerland SA, die wiederum den japanischen Verlagsriesen Shogakukan und Shueisha untersteht. Dank der guten Beziehungen ging Kazé Manga im März unter anderem mit einem der gefragtesten Titel aus dem Umfeld der Shōnen Jump, dem Action-Manga Blue Exorcist, an den Start. Kurz darauf landete der Verlag den nächsten Coup: Die erste Manga-Auskopplung des international überaus erfolgreichen Resident Evil-Franchises erschien international, und damit auch in Deutschland, am selben Tag – ein effektiv koordinierter Schachzug gegen den üblichen Übersetzungszeitvorsprung der Scanlation-Seiten.

Hier zeigen sich also bereits die Vorzüge, wenn die immerfort misstrauischen japanischen Verleger ihre Lizenzen lieber unter eigener Fuchtel verwalten, und wer jetzt die Verdrängung heimischer Lizenznehmer vom Markt moniert, muss sich fragen, ob es letztendlich wirklich so einen Unterschied macht, ob ein Mangalabel zu einem dänischen, schwedischen oder eben japanischen Konzern gehört. Soweit macht Kazé Manga in Deutschland also einen guten Job. Jetzt muss nur noch die Qualität der Veröffentlichungen stimmen. Da hatte Kazé zum Start gut vorgelegt. Ausgerechnet Resident Evil entpuppt sich nun aber leider als ihre erste Gurke im Programm.

Als Capcom 1996 mit dem ersten Teil der Spielereihe an den Start gingen, definierten sie damit das Genre Survival-Horror bis zum heutigen Tag und schufen in dessen Folge einige der bedeutendsten Klassiker der jüngeren Videospielgeschichte. Mit den Filmumsetzungen, die ab 2002 unter Federführung von Bernd Eichinger ins Kino kamen, begann jedoch das kreative Ausbluten des Franchises. Die Filmreihe war und ist zwar ziemlich erfolgreich, erzählerisch und filmisch jedoch weit unter dem Niveau, das die Spielevorlagen vorgegeben hatten. Mit diversen Game-Spin-Offs, Romanen und Comics spann Capcom den Plot um den zwielichtigen Umbrella-Konzern, dessen genetische Waffenexperimente eine Zombieseuche auslösen, immer weiter fort. Resident Evil – Marhawa Desire ist nun der neueste Ableger.

Panel aus Resident Evil – Marhawa Desire 1

Inhaltlich währt sich der Resident-Evil-Kenner sofort auf bekanntem Terrain: Wir haben da eine von der Außenwelt abgeschnittene Location, in der die Zombieepidemie ausbricht, sich äußerst mysteriös gebährdende Führungspersonen und natürlich die Zombievernichtungstruppe BSAA um die Resident-Evil-Veteranen Chris Redfield und Sheva Alomar. Wie der Manga diese Versatzstücke nun allerdings zu einer Handlung zusammenbindet – oder es zumindest versucht –, ist derart haarsträubend, dass man sich die ganze Zeit fragt, ob das eigentlich ernst gemeint sein soll.

Hier erstmal der Trailer:

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Und nun der Reihe nach. Professor Doug Wright wird an die asiatische Marhawa-Akademie gerufen, um einen Vorfall zu untersuchen, der ihn an die Zombieseuche erinnert, die der Umbrella-Konzern in Raccoon City verursachte. Mit seinem trottelig-naiven Neffen Ricky Tozawa im Schlepptau macht er sich also auf zu besagter Eliteschule, einem katholischen Internat, das von der strengen Schwester Gracia geführt wird. Diese ist eine alte Bekannte des Professors und versucht, die mögliche Epidemie unter allen Umständen geheim zu halten, um den Ruf ihrer Schule zu schützen. Und so werden Doug Wright und sein Neffe selbst zu Gefangenen einer zunehmend außer Kontrolle geratenden Situation …

Das größte Problem hat Resident Evil: Marhawa Desire mit seiner Glaubwürdigkeit. Besagte Marhawa-Akademie ist, so erfahren wir, „die größte und wichtigste Lehranstalt im asiatischen Raum“, befindet sich allerdings mitten im Urwald fernab jeglicher Verkehrsanbindung. (Der Professor und Ricky müssen zwei Tage lang mit einem Jeep durch unwegsames Gelände fahren.) Im Internat gibt es weder Telefonanbindung noch Handynetz (und offensichtlich auch kein Internet. Irgendwie konnte Schwester Gracia jedoch noch einen Brief verschicken – wahrscheinlich per Brieftaube.)

Hier wird nun die kommende Elitegeneration des asiatischen Raumes ausgebildet – wohlgemerkt unter strenger katholischer Führung, die einem britischen Internat zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts Respekt eingeflößt hätte. Welche hirnverbrannten Eltern ihre Kinder heutzutage auf eine derartige Schule schicken würden (oder warum eigentlich ein Nachbau des Kölner Doms auf dem Schulgelände steht), weiß wohl nur Capcom. Jedenfalls sind besonders die weiblichen Sprösslinge allesamt ausgesprochen hübsch, ganz zur Freude von Neffe Ricky, der es mit seinen 21 Jahren nun endlich in die Pubertät geschafft hat.

Panels aus Resident Evil – Marhawa Desire 1Und warum bekommen wir diesen haarsträubenden Blödsinn jetzt aufgetischt? Richtig, damit Ricky und Doug Wright eine Ausrede haben, nirgends um Hilfe rufen zu können. Und nochmal richtig, damit die Schülerinnen sexy Schuluniformen tragen können, die mit niedlichen Kreuzen versehen sind. (Da freuen sich die Cosplayer.)

Im Nebenplot begleiten wir die BSAA-Truppe um Chris Redfield und Merah Biji (die als einziges weibliches Mitglied natürlich auch als Einzige ein lächerlich hautenges Kostümchen trägt, welches ihre überdimensionierte Oberweite und ihren knackigen Hintern voll zur Geltung bringt). Jedenfalls darf die BSAA hier an einem völlig beliebigen Ort ein paar Zombies erlegen (damit überhaupt mal etwas Action stattfindet), und weil Merah aus irgendeinem unerwähnten Grund den Auftrag hat, den Vorfall Professor Wright zu melden, entscheidet sich gleich die ganze Truppe spontan, dem Professor einen persönlichen Besuch in Singapur abzustatten. (Denn man ist als BSAA-Soldat wohl zum einen nicht sonderlich beschäftigt und zum anderen auch keinem Vorgesetzten Rechenschaft schuldig.)

An der Uni des Professors erfahren die tapferen Zombiejäger nun aber, dass dieser zusammen mit seinem Neffen spurlos verschwunden ist. Also nochmal: Professor Wright bricht zu einem fernab jeglicher Infrastruktur liegenden Gebiet auf, in dem möglicherweise eine Zombieepidemie ausgebrochen ist, hätte bei seiner Ankunft am liebsten sofort die BSAA vor Ort, hat aber vor seiner Abreise nicht mal irgendjemandem gesagt, wo er überhaupt hinfährt. Der Mann hat offensichtlich sehr vorausschauend die Dramaturgie mitgedacht. Ob Chris Redfield den Professor doch noch irgendwie findet, erfahren wir dann wohl im nächsten Band.

Wenigstens macht der Manga optisch einiges her, zumindest auf den ersten Blick. Die den Band eröffnenden Farbseiten, in der eine zum Zombie gewordene Marhawa-Schülerin eine andere zerfleischt, sind sehr eindrucksvoll. (Dass später nur noch von einem Opfer geredet wird, ist jedoch noch ein weiteres Plotloch.) Die Zeichnungen selbst sind überaus detailliert und realistisch, wirken dadurch aber auch etwas steif und ausdruckslos. Die Hintergründe scheinen zum größten Teil aus überzeichneten Fotos und 3D-Modellen zu bestehen, was zwar technisch sehr sauber, aber auch ein wenig leblos aussieht. Die Rasterungen basieren besonders in den Hintergründen oft auch aus fotografierten Texturen. Insgesamt merkt man dem Manga den Computereinsatz deutlich an. Freunde des Handgezeichneten wird das wohl eher abschrecken.

Panel aus Resident Evil – Marhawa Desire 1Die Möglichkeiten der digitalen Rasterung nutzt Serizawa jedenfalls exzessiv, was wahrscheinlich das größte Manko des Artworks ist. Die Seiten sind mit unzähligen Graustufen und Texturen zugekleistert. An Schwarzflächen wird dagegen eher gegeizt. Insgesamt versumpfen die Zeichnungen so größtenteils im Graumatsch, in dem sich einzelne Bildelemente oft nur schwer voneinander abheben. Hier arbeitet der Realismustrieb eher gegen den Manga, und weniger wäre an dieser Stelle eindeutig mehr gewesen, zumal sich visueller Realismus sowieso nicht wirklich mit Ricky Tozawas Frisur verträgt.

Der Manga liest sich übrigens trotz allem gar nicht so unspannend. Man muss sich nur eben mit den ganzen Plotlöchern abfinden und bestenfalls keinerlei Wert auf Logik und Glaubwürdigkeit legen. Jedenfalls kann man schon im ersten Band ein dunkles Geheimnis um die Marhawa-Akademie irgendwo lauern sehen. Und ja, als standesgemäßes Resident Evil-Klischee gibt es natürlich ein düsteres Kellergewölbe unterhalb der Akademie, was erkundet werden will.

Leider hat der Manga auch über den Plot hinaus ein Problem mit der Glaubwürdigkeit, und zwar in den Dialogen. Die meiste Zeit fragt man sich, warum die Figuren in den jeweiligen Situationen ausgerechnet dieses und jenes sagen, denn selten ist es irgendetwas den Umständen Angemessenes. Hier ist schwer abzuschätzen, wie viel davon schon in der Vorlage daneben lag (wahrscheinlich das meiste) und was die anscheinend etwas eilig angefertigte Übersetzung da noch angerichtet hat. Jedenfalls gibt es einige unschöne Wortwiederholungen und ungelenke Formulierungen, die den Lesespaß doch deutlich trüben. Aber irgendwie passen die teils völlig absurden Dialoge auch wieder zu der bescheuerten Story. Als Trash-Film wäre das wahrscheinlich bald ganz großer Kult. Als Videospiel hätte man das wohl vor 15 Jahren noch durchgewunken, solange es ordentlich was zu ballern gäbe. Als Manga? Nun ja, ich kann ehrlich gesagt ein irgendwie perverses Interesse daran, wie dieser Stuss wohl weitergeht, nicht ganz von mir weisen. Empfehlen kann ich Marhawa Desire aber höchstens Leuten, die die Zeichnungen wirklich mögen und sowieso jeden Quatsch lesen, solange es um Zombies geht.

 

Wertung: 3 von 10 Punkten

Visuell aufwendiger, aber erzählerisch völlig bescheuerter Zombie-Manga zum Erfolgsfranchise. Nur was für wirklich harte Fans.

[Hinweis dazu in eigener Sache: In unserem aktuellen 7. Printmagazin beschäftigen wir uns mit jeder Menge Apokalypsen, Weltuntergängen und Endzeiten in Comics.]

 

Resident Evil – Marhawa Desire 1
Verlag: Kazé Manga, Juni 2012
Szenario: Capcom
Comic: Naoki Serizawa
Übersetzung: Josef Shanel, Matthias Wissnet
176 Seiten, davon 8 Farbseiten; Softcover
Preis: 7,99 Euro
ISBN: 978-2889211401
 

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Abbildungen © Kazé