Rezensionen

Spirit Archive, Band 16

spirit16_cover.jpgEin nicht-autorisiertes Interview mit dem Spirit

Comicgate: Mr. Spirit, Sie sehen ziemlich gut aus für jemanden, der in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts in seinen besten Jahren war.

Spirit: (grinst) Ja, das ist ein angenehmer Vorteil als Comicfigur, dass wir nur ganz selten altern. Die Frauen wissen das zu schätzen. (lächelt charmant)

spirit16_bsp7.jpgCG: Denny Colt, scheinbar im Dienst ermordeter Polizist, taucht erst zum Schrecken seiner Freunde, dann zu deren Freude wieder auf und leistet im Verborgenen als der „Spirit“ Polizeiarbeit, wo Ihrem Freund Kommissar Dolan Grenzen gesetzt sind. Dadurch werden Sie zum Schrecken der Könige der Unterwelt und Kleinkriminellen.

Spirit: (entsetzt) Um Gottes Willen, pst, das ist ein Geheimnis, das drucken Sie nicht ab.

CG: Gewiss nicht, verlassen Sie sich auf uns! Das nehmen wir bei einer Veröffentlichung vorher raus, wir wollen ja nicht ihre Arbeit behindern. Was halten Sie davon, dass schon der 16. Band der Gesamtausgabe Ihres abenteuerlichen Lebens auf Deutsch erschienen ist?

spirit16_bsp3.jpgSpirit: Ich wusste gar nicht, dass die Gesamtausgabe auf Deutsch erschienen ist. Wie werden denn die Slangs übersetzt? Spricht mein Freund Ebony dann Bayrisch? Außerdem spreche ich leider kein Deutsch.

CG: Aber wir unterhalten uns gerade auf Deutsch.

Spirit: (überrascht) Ach?

CG: Dass Sie in der Gesamtausgabe nun dem deutschsprachigen Publikum präsentiert werden, verdanken Sie Salleck Publications. Verleger Eckart Schott wurde 2004 für seinen Mut, einen Bildband „36 Ansichten des Eiffelturms“ auf Deutsch herauszubringen, mit dem Max-und-Moritz-Preis belohnt. Die Spirit-Archive werden chronologisch herausgegeben in einer „Normalausgabe“, selber schick gebunden,  und in einer „Vorzugsausgabe mit Druck“, die ich allerdings noch nicht zu Gesicht bekommen habe. Zu Ihrer Frage: In der Übersetzung wurde großenteils auf typische Mundarten verzichtet, Ebony spricht Hochdeutsch, eine europäische Kriegsbraut Dialekt.

Beispiel aus Spirit Archive 16Spirit: (schaut betrübt) Tja, typisch, wir Comicfiguren sind doch ziemlich fremdbestimmt; ich erinnere mich nicht, eine Interview-Anfrage erhalten zu haben. Will Eisner entscheidet in der Regel darüber, was ich so erlebe und er hat einen guten Geschmack für Abenteuer und einen merkwürdigen Hang zu starken Frauen mit kleinen Charakterfehlern. Band 16 stammt aus einer sehr experimentierfreudigen Schaffensperiode Eisners. Die Geschichte „Leben im Untergrund“ gehört gewiss zu den Klassikern und fehlt selten in Best-of-Sammlungen; das stank aber auch in der Kanalisation (hält sich die Nase zu). Aber natürlich gibt es auch andere aufregende Geschichten um teuflische Verbrecher, eine durchgeknallte Kriegsbraut und brisante Eheversprechen.

CG: Von Will Eisner sprach man lange mit Respekt als dem Vater (mittlerweile Großvater?) des grafischen Erzählens, ein Pionier, der neue Erzähl- und Darstellungsformen geschaffen hat, von denen auch die Spirit-Serie lebt. Man denke nur an Effekte seiner Darstellungen, um Stimmungen aufzubauen, ungewöhnliche Perspektiven, um den Leser ins Geschehen zu reißen, oder die legendären Titelseiten, in die die Worte „The Spirit“ auf 1000 Weisen plastisch ins Bild gesetzt werden. In Band 16 treffen Sie nun ausgesprochen viele attraktive Damen: Silk Satin, Wild Rice, Powder Puff, Castanet, Mrs. Paraffin …

Spirit: (strahlt) Das ist die gute Seite daran. (blickt misstrauisch zur Seite) Kommissar Dolans Tochter Ellen ist nicht zufällig in der Nähe?

CG: Die Spirit-Geschichten haben eine herrliche Selbstironie, lassen den Helden auch mal scheitern. Haben Sie Humor?

Beispiel aus Spirit Archive 16Spirit: Kennen Sie den? Kommt ein Verbrecher in die Polizeistation… (zensiert) (lacht lauthals) Das durften wir in den 40er Jahren noch nicht abdrucken, aber gelacht haben wir … köstlich!

CG: Mr. Spirit, welche Verbrecher würden Sie denn heute gerne jagen?

Spirit: Verbrecher, die andere bestechen und Verbrecher der Finanzwelt. Die sind schwierig zu erwischen, genau mein Kaliber, eine echte Herausforderung!

CG: Sie arbeiten eng mit der Polizei zusammen, Kommissar Dolan ist einer Ihrer besten Freunde. Und doch verbergen Sie Ihre Identität, arbeiten heimlich und wenden manchmal zweifelhafte Methoden an, um dem Recht Geltung zu verschaffen. Eine Frage interessiert uns in Deutschland besonders: Hätten Sie moralische Skrupel, Kommissar Dolan von Ihnen entwendete Informationen, zum Beispiel über Steuerhinterzieher, zu geben, vielleicht gegen eine kleine Aufwandsentschädigung, um Ihr Versteck im Wildwood Friedhof zu finanzieren?

Spirit: Wie bitte? Ob ich Skrupel hätte, Informationen an die staatlichen Behörden zu geben, damit sie Verbrecher fangen? Das fragen Sie den Spirit?! (starrt entgeistert)

CG: Okay, vergessen Sie es, dumme Frage! Was fällt Ihnen an der heutigen Zeit auf im Vergleich zu Ihren Abenteuern in den 40ern?

Beispiel aus Spirit Archive 16Spirit: Heute gibt es viele Stümper in Actionfilmen, die immer ein Schießeisen brauchen. Ich konnte mich noch mit Fäusten gegen Maschinenpistolen und Flammenwerfer zur Wehr setzen, wie in Band 16. Diese Techniken beherrschen heute nur noch wenige. Und ich habe damals noch eng mit der Polizei zusammengearbeitet. In heutigen Filmen und Geschichten herrscht Selbstjustiz vor und die Polizei ist selten vertrauenswürdig. In der Wirklichkeit macht die Polizei aber doch einen guten Job. Was ist das für ein Zeitgeist?

CG: Wir stellen hier die Fragen! So ist das bei einem Interview, tut mir Leid!

Spirit: Wie ich gehört habe, wurde in der deutschen Fan-Gemeinde der Tod Will Eisners im Jahr 2005 mit großem Kummer aufgenommen.

CG: Ja, das trifft zu. Ist der Spirit seit dem Versterben seines Erschaffers tot?

Spirit: (schaut verdutzt) —

CG: Hm, natürlich nicht, Mr. Spirit, selbstredend nicht, Mr. Spirit. Stimmt schon, dass der Soldat Eisner während des 2. Weltkriegs die Spirit-Geschichten von 1942 bis 1945 anderen Zeichnern anvertrauen musste. Gerade letztes Jahr (2009) kam Frank Millers Film „The Spirit“ ins Kino und  der letzte Band der Gesamtausgabe, Band 27 (bislang nur auf Englisch erhältlich), präsentiert auch neue Geschichten. 

Spirit: (von oben herab) Das will ich aber meinen!

Beispiel aus Spirit Archive 16CG: Viele Innovationen in Eisners Erzählkunst wirken heute noch nach und werden gerne von anderen Comic-Künstlern als Inspiration genommen. Wunderbar deshalb, dass ein Teil seines Werkes, nämlich die komplette Sammlung der Spirit-Geschichten auf Deutsch als Gesamtausgabe von Salleck Publications herausgebracht wird. In alter neuer Frische lesens- und staunenswert, verschlingt sie der Leser immer noch, auch dank Ihrer Mitwirkung, Mr. Spirit!

Spirit: (schaut plötzlich zur Seite) Das ist doch der Krake, dieser Schuft. Ich muss los, diesen Verbrecher fangen. Er hat in seinem bürgerlichen Leben Steuern hinterzogen. (eilt davon)

CG: (hinterherrufend) Ja, dann tschüss! Und besten Dank auch!

Will Eisners The Spirit Archive, Band 16 (4. Januar bis 27. Juni 1948)
Salleck Publications. Eckart Schott Verlag
, Juni 2009
Text/
Zeichnungen: Will Eisner
192 Seiten, Hardcover, Farbe; 49 Euro (Normalausgabe) bzw. 65,- Euro (Vorzugsausgabe mit Druck)
ISBN 978-3-89908-324-8 bzw. 978-3-89908-325-5 (Vorzugsausgabe)

Überschäumende Innovationen, immer noch fesselnde Geschichten!

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Abbildungen © Salleck Publications

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