Quer durch die Presse wird diese Woche der neue Film mit Tom Cruise, Oblivion, vorgestellt. Die meisten Texte erwähnen dabei, dass der Film auf einer Graphic Novel basiere. Bild spricht sogar von einer „überzeugenden Graphic-Novel“. Dabei existiert die vermeintliche Comicvorlage dieses Films überhaupt nicht.
Oblivion ist das Projekt von Joseph Kosinski, der als Regisseur von Tron: Legacy bekannt wurde. Tatsächlich sollte die Science-Fiction-Story mal in Form eines Comics erscheinen, und zwar beim US-Verlag Radical Publishing. Das ist einer jener Comicverlage, die sich in den letzten Jahren im Umfeld von Hollywood gegründet haben, und deren Hauptzweck darin besteht, Comics in der Hoffnung zu veröffentlichen, dass sie irgendwann einmal verfilmt werden (das bekannteste Beispiel dürfte Cowboys and Aliens von Platinum Studios sein). Diese Comics dienen in erster Linie zum „pitchen“ von Filmprojekten und man kann sich durchaus vorstellen, dass ein Comic für vielbeschäftigte Chefs von Filmstudios eine attraktive Variante zu mühsam zu lesenden Drehbüchern ist. Liest man die Comics jedoch als Comics, merkt man ihnen leider meistens auch an, dass sie nicht von Leuten stammen, die gerne in dieser Kunstform erzählen, sondern eigentlich etwas ganz anderes wollen (ein paar Comics aus dem Hause Radical sind auf Deutsch bei Splitter erschienen).
Sehr aufschlussreich ist ein Artikel von Heidi MacDonald auf dem Blog The Beat, der sich genauer auf die Suche nach der angeblichen Oblivion-Graphic-Novel begibt. Demnach war Oblivion eigentlich von Anfang an ein Filmprojekt, doch als Kosinski aus seinem Treatment ein Drehbuch machen wollte, streikten in Hollywood gerade die Drehbuchautoren. So kam es zu der Idee, bei Radical eine Comicvariante zu machen, zusammen mit dem Zeichner Andree Wallin und dem Comicautor Arvid Nelson (Rex Mundi). Es entstand zunächst eine „Ashcan“-Ausgabe, ein dünnes Heft mit gerade mal acht Bildern, das nicht verkauft und nur zu Promozwecken auf der San Diego Comic-Con verteilt wurde. Das reichte dann auch, um das Interesse von Tom Cruise zu wecken, der daraufhin den Film gerne machen wollte.
Und offensichtlich war damit auch für Radical das Ziel bereits erreicht. Wozu noch einen aufwendigen Comic produzieren, wenn man die Filmrechte schon vorher verkauft hat? In einem aktuellen Interview bei Empire gibt das Kosinski auch ganz offen zu: „It was just a stage in the project.“ Er habe nicht die Absicht, jetzt, wo der Film fertig ist, sich noch einmal dem immer noch unfertigen Comic zu widmen. Er wird also wohl niemals erscheinen.
Schlimm ist das alles nicht – aber zumindest zwei Dinge kann man aus diesem Fall lernen: Zum einen, dass manche Filmjournalisten gerne ungeprüft angebliche Fakten aus Pressetexten abschreiben („der Film basiert auf einer Graphic Novel“), zum anderen, dass es tatsächlich Comics gibt, die eigentlich niemals Comics sein wollten, sondern eher ein gezeichnetes Drehbuch als Vorstufe zu einem Film. Und dass das dann meist keine besonders guten Comics sind, dürfte auf der Hand liegen.