Welt am Draht

52 mal berührt: Voodoo #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 44 von 52: VOODOO #1 von Ron Marz und Sami Basri.

voodoo

BJÖRN: Voodoo sollte ein Vertigo-Titel sein: Ron Marz schreibt eine Geschichte, die in einem Stripclub spielt … aber Gott steh uns allen bei, wenn irgendwo eine Brustwarze zu sehen sein könnte. Sami Basri hat seine Damen ganz offensichtlich nackt gezeichnet und ihnen dann Reizwäsche über die anstößigen Stellen gepinselt und entblößt damit die Lächerlichkeit des ganzen Unterfangens. Hey, wenn ihr einen Comic in einem Stripclub spielen lasst, dann solltet ihr zumindest keine Angst vor der weiblichen Brust haben. Besonders, da Voodoo vom gesamten Setup her „B-Film“ schreit und da Nacktheit und Gewalt zum Konzept gehören.

Spannend ist die kognitive Dissonanz des Comics: Wir haben eine Szene in der Umkleide der Stripperinnen, in der die sich darüber austauschen, dass sie auch Menschen sind. Mit Träumen. Kindern. Sorgen. Nöten. Hoffnungen. Eigenen Haustürschlüsseln. Nicht nur Titten und Ärschen. So wie in dem Zelluloidklassiker Showgirls. Aber zwei Seiten davor präsentieren uns Marz und Basri Panels, in denen eine Kellnerin redet, während die Kamera so auf ihr Dekolleté fixiert ist, dass sie nicht einmal das Gesicht der Kellnerin einfängt.

Sami Basri, soviel muss man ihm lassen, zeichnet verdammt attraktive weibliche Figuren, und in Kombination mit der Farbgebung von Jessica Kholinne sieht Voodoo verflixt sauber, aufgeräumt und schick aus. In Sachen Mimik ist Basri allerdings eher begrenzt. Alle Gesichter haben einen – der Lokalität vielleicht angemessenen – Pornstar-Blick, mit toten, glasigen Augen.

In der Abteilung Geschichte wird derweil dünne Suppe gekocht: Voodoo ist ein Alien und zwei Agenten verfolgen sie. Einer davon ist dumm genug, sich von ihr einen Lapdance geben zu lassen, während er enthüllt, dass man ihr auf der Spur ist und sie entweder freiwillig mitkommt oder seziert wird. Was wohl der Welt bescheuertste Idee ist. Das alles hätte man auch in ein paar Seiten erzählen können, aber dann hätte Basri keinen Grund gehabt, eine volle Ausgabe mit Stripperinnen zu zeichnen.

Der Cliffhanger ist ganz nett in einer „Akte X, ca. 1994“-Weise, aber Voodoo ist ein weiterer Comic, der 20 Seiten braucht, um sich kaum von der Stelle zu bewegen und allerhöchstens anzureißen, worum es hier geht. Mal abgesehen davon, dass der Aufbau eher nach Mini- als nach Ongoing-Series aussieht.

ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!


 

MARC-OLIVER: Ich hätte wirklich gerne nochmal einen Comic hier, über den ich was Nettes schreiben kann, aber das muss wohl noch warten. Oder fangen wir vielleicht mal so an: Ich stimme zu, was Sami Basri angeht. Der zeichnet lecker Mädchen, und die können auch nicht nur Porno-Blick. Und, immerhin, ein Stripclub als Kulisse ist originell (für einen Superheldencomic zumindest) und eignet sich vielleicht auch gut, das Genre und sein Frauenbild auf die Schippe zu nehmen.

Damit hat sich’s dann aber auch schon wieder mit den Komplimenten, denn die ganze Geschichte funktioniert nur, wenn man über die unwahrscheinliche Dummheit aller beteiligten Figuren hinwegsieht. Und sollte es Marz tatsächlich nur auf die niederen Instinkte der Leser abgesehen haben und billigen Nervenkitzel bieten wollen, wie Du vorschlägst, dann hast Du absolut Recht, dass der Comic dafür viel zu zahm und schnöde daherkommt.

Ob das vom Manuskript her unterm Strich jetzt gewollt und nicht gekonnt ist oder weder gewollt noch gekonnt, das ist dann letztlich auch schnuppe.

ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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