Welt am Draht

52 mal berührt: The Fury of Firestorm #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 49 von 52: THE FURY OF FIRESTORM: THE NUCLEAR MEN #1 von Ethan Van Sciver, Gail Simone und Yildiray Cinar.

firestorm

MARC-OLIVER: Firestorm gehört zu den Neustarts, die mich positiv überrascht haben, wenn auch mit Abstrichen. Die Konstellation der beiden Hauptfiguren – der weiße Footballstar und der schwarze Außenseiter – finde ich einerseits prinzipiell interessant, gerade auch, weil die unterschiedliche Hautfarbe thematisiert statt nur als Klischee verwendet wird. Auch das Firestorm-Konzept wird hier ganz ordentlich eingeführt. Und die Art, wie man die Wut der beiden Helden, die so ziemlich das einzige ist, was sie gemeinsam haben, als Verbindung herausarbeitet und in den Superheldenaspekt mit einbezieht, ist vielversprechend.

Der Zeichenstil von Yildiray Cinar hat zwar keinen hohen Wiedererkennungswert, sieht aber ganz schön aus. Cinar beherrscht Alltagsszenarien ebenso wie großspurige Superhelden-Momente und bringt die Geschichte allgemein gut rüber.

Negativ fällt zunächst – mal wieder – die Grausamkeit einiger Szenen auf. Die Bösen sind hier keine Kostümierten, sondern skrupellose und sadistische Profisöldner, die gerne und viel foltern und morden. Die entsprechenden Szenen sind hier zumindest gekonnt und überzeugend umgesetzt, was aber nichts daran ändert, dass sie in der Geschichte wie Fremdkörper wirken. Zur Erinnerung: Es geht um Firestorm, eine gelb-rot-orange gefärbte Figur, die bei vielen in erster Linie für ihre Flanellflatterärmel bekannt ist. Es drängt sich auch hier wieder der Verdacht auf, dass Van Sciver und Simone mit der übertriebenen Gewaltdarstellung vielleicht irgendetwas überkompensieren.

Der nächste Pferdefuß sind die inneren Monologe der beiden Protagonisten. Die sind nicht nur vollkommen überflüssig, sondern auch schlecht geschrieben. Wenn Ronnie Raymond etwa mitten im Spiel den Football in die Hand bekommt, dann wird er innerlich wohl kaum ausgedehnte philosophische Überlegungen zu seiner generellen Lebenssituation anstellen – außer vielleicht, er verfügt über die geheime Superkraft, die Zeit anhalten zu können. Und wenn er später bei seiner Mutter am Tisch sitzt und sich so denkt, „She’s raising me on hope and gravy“, dann klingt das nicht nach einem Highschool-Fottballhelden, der sich beim Abendessen Gedanken macht, sondern nach einer Comicfigur, der man schlimm geschwollene Prosa in den Kasten geschrieben hat. Schlicht gesagt: Der Comic liest sich besser, wenn man die gelben und orangenen Kästchen einfach ignoriert.

Die Charakterisierung der beiden Figuren klappt sonst zwar ganz gut, flacht aber in der zweiten Hälfte des Hefts merklich ab und droht doch noch, sie auf Klischees zu reduzieren. Auch die Handlung gerät leider etwas aus den Fugen. Was sich nach dem großen Knall auf den letzten sechs Seiten abspielt, bessert zwar die Action-Quote auf, ist aber an und für sich wenig interessant.

Trotz der Kritikpunkte ist Firestorm aber prinzipiell solide gemacht und hat Potenzial. (Laut Impressum heißt die Serie übrigens The Fury of the Firestorms. Ich muss gestehen, einen Comic über eine Familie namens „Die Feuersturms“, etwa die Eheleute Günther und Elke Feuersturm und ihren Sohn Ulf aus Wanne-Eickel, würde ich sogar noch lieber lesen als den hier.)

ZOOM-FAKTOR: 5 von 10!


 

BJÖRN: Die Hautfarben nicht nur als Klischee? Den Moment, in dem beim Abendessen gefragt wird, warum man keine schwarzen Freunde habe, fand ich schon ziemlich geholzhämmert. So wie mir auch die ganze Jocks-gegen-Nerds-Baggage wie ein brutaler Rücksturz in die 1980er vorkam. Ich nehme ja Gail Simone ab, dass sie das ernst meint, aber galant geht anders.

Was Fury of the Firestorm: The Nuclear Men (oder kurz: FotFTNM … und jetzt alle zusammen, es macht Spaß, das auszusprechen: FotFTNM) zeigt, ist, dass Gail Simone ihr Handwerk versteht. Als erste Ausgabe geht das Heft die Sache nämlich richtig an: Gefahr präsentieren, Hauptfiguren vorstellen, Kräfte verteilen, Kräfte andeuten und Erzfeind für die Zukunft aufstellen. Eine grundsolide Origin-Geschichte, die Neuleser wirklich da abholt, wo sie stehen. So weit, so gut.

Und ich mag die Art, wie Simone mit ihren zwei gegensätzlichen Fokuscharakteren spielt. Szenen auf derselben Seite zu kontrastieren ist eine altbewährte Erzähltechnik, die immer noch funktioniert. Und von einer Sekunde zur nächsten den Fokuscharakter zu wechseln ist auch eine gute Weise, um dem Leser klar zu machen, wie unterschiedlich Ronny und Raymond die Welt sehen. Darüber hinaus wird im ersten Auftreten der beiden Feuerstürmler deutlich, wie groß ihre Kraft ist. Da leistet Yildiray Cinar gute Arbeit.

Abgesehen davon enttäuscht mich FotFTNM aber leider sehr, da sind zu viele Momente, in denen Simone schlicht zu bemüht ist: Das geht schon mit dem angewandten Phlebotinum los. Eine Seite technopalavriges Bladibla über das Higgs Boson und Quantengelöt, um die Kräfte von Firestorm zu begründen. Und Simone sollte besser in den folgenden Heften erklären, warum Dr. Stein (das Genie hinter diesen Entdeckungen) der Meinung war, dass eine Thermoskanne voll unglaublich mächtiger Higgs-Boson-Suppe, die ausreicht um ganze Städte zu plätten, im Schließfach eines High-School-Nerds besonders sicher aufgehoben ist. Egal wie smart der Junge sein mag, das erschien mir schon mit der Brechstange in den Plot gehebelt.

Zudem: Wir haben Teenager als Protagonisten, darum muss wohl wieder viel Gewalt und Folter auf den Seiten geschehen. Rückwirkend war ich vielleicht zu hart zu Static Shock. Der Comic war dröge, aber wenigstens hat er nicht versucht, sich über ganz viel bierernste Brutalität zu rechtfertigen.

Es ist eine solide Origin und der Plot kommt auf 20 Seiten ziemlich gut voran, aber es ist das zweite Heft dieses Neustarts, in dem Gail Simone für mich deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. (Und falls das mit „Die Feuersturms“ nichts wird, kann ich dir sicher noch ein paar alte Fury-Comics beschaffen.)

ZOOM-FAKTOR: 4 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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