DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 41 von 52: SUPERMAN #1 von George Pérez und Jesús Merino.
BJÖRN: Das Titelbild sagt alles: Superman ist jeder Superman-Comic der letzten fünfundzwanzig Jahre. Ich habe nichts gegen George Pérez, der Mann ist wie Jurgens oder Marz ein solider Handwerker im Genre Superheldencomic, aber ich hätte für die erste Ausgabe versucht, ein moderneres, dramatischeres Titelbild zu finden. Etwas das sagt „Neuer Anfang“ und nicht „alles wie 1994“.
Der Comic selbst ist ein Superman-Comic. Nicht mehr. Nicht weniger. Nach all der Kritik am dekomprimierten Storytelling zeigt Pérez in Superman, dass das exakte Gegenteil auch nicht funktioniert. Das Heft hat 25 Seiten, aber die sind so vollgestopft, als habe Pérez hier für 33 Seiten geschrieben. Mit dem Resultat, dass Seite um Seite mit kleinen und kleinsten Panels vollgepackt ist und zum Teil völlig überfrachtet wirkt. An einigen Stellen hätte ich mir gewünscht, die Geschichte hätte etwas Raum zum Atmen erhalten. Ein paar Panels hätten einfach nur für sich stehen und Wirkung durch Größe erhalten dürfen. Stattdessen: kleine Panels, viele Captions.
Und über den Inhalt der Captions sollten wir reden: Pérez ist ein kompetenter Autor, aber er hat nicht den Hauch einer Ahnung, wie ein journalistischer Text aussieht. Die Captions, die einen Zeitungsartikel über die Abenteuer von Superman darstellen sollen, sind in grässlichster Prosa verfasst, die einmal mehr eher an Fanfiction.net erinnert als an eine Zeitung („the conflagration continued to rage unabated“).
Superman ist so weltbekannt, dass ich es okay finde, in Ausgabe 1 nicht zu erklären, dass Clark Kent und Superman dieselbe Person sind. Aber ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass der Superman-Aspekt der Geschichte mehr Raum erhält. Stattdessen wird auf den ersten sieben Seiten fast nur vom Wert des Daily Planet, von der Überlebenschance des Printjournalismus und von Medienethik gefaselt, was – so spannend ich das Thema in der Realität finde – nicht der Anfang ist, den ich einem Superman-Neustart verpassen würde. Mehr Superman hätte der Geschichte nicht geschadet.
Ach ja: Das Stormwatch-Tie-In ist eine völlig nichtssagende Seite, die darauf verweist, man solle Stormwatch #1 kaufen, um mehr zu erfahren. Damit dürften sich dann Leser beider Serien verschaukelt fühlen.
ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!
MARC-OLIVER: Auch hier volle Zustimmung.
Wobei: Wenn Du sagst, „nicht mehr, nicht weniger“, dann würde ich einwerfen, dass dieser Blickwinkel hier nur funktioniert, wenn man alles, was im Superheldencomic nach 1984 passiert ist, ausblendet – und einiges davor gleich mit.
Auch ich weiß George Pérez zu schätzen. Seine Zeichnungen für Kurt Busieks Avengers waren damals der Hammer, und seit er 1999 mal unverhofft in Saarbrücken aufgetaucht ist, um dort zu signieren, hat er bei mir eh einen Stein im Brett. Doch es hilft alles nix: Seine Prosa ist zum Davonlaufen, und das hätte verdammt nochmal auch die Redaktion sehen müssen. Das ist viel zu viel, viel zu schlecht, viel zu langweilig und abgedroschen.
Und als kompetent würde ich die Geschichte auch nur insofern bezeichnen, als sie halbwegs vernünftig strukturiert ist. Wenn man sich aber anschaut, was Pérez thematisch anbietet, dann sind da Kraut und Rüben. Pérez baut unentwegt Anspielungen auf Twitter, die Print-Misere oder die Veränderung des Nachrichtenmarkts ein, was nicht nur extrem verkrampft und fehl am Platz wirkt, sondern auch den Anschein erweckt, als hätte er eben erst von all dem erfahren und wäre nun vollkommen fasziniert davon, was es alles gibt in der Welt.
Zwischendurch folgt dann ein völlig lustlos umgesetzter Kampf zwischen Superman und irgendeinem unmotivierten Feuermonster, bei dem man sich nicht sicher sein kann, ob es schließlich durch das Vakuum im All oder von der Prosa des Autors erstickt wird. Und am Ende dann nochmal die melodramatische Keule für Leser, die es schon aus Prinzip schockt, dass Clark Kent und Lois Lane hier kein Paar sind.
Die Zeichnungen sind okay – der erfahrene Spanier Jesús Merino, der früher häufig als Tuscher mit Carlos Pacheco zusammengearbeitet hat, setzt die wohl sehr groben Vorgaben von Pérez ganz ansehnlich um, und was das Erzählen von Seite zu Seite angeht, lassen die beiden Routiniers hier nichts anbrennen. Daran, dass sich das Endresultat selbst in seinen besten Momenten wie eine Flaschenpost aus längst vergangenen Zeiten liest, ändert das aber auch nichts.
ZOOM-FAKTOR: 4 von 10!
Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.