Welt am Draht

52 mal berührt: Stormwatch #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 8 von 52: STORMWATCH #1 von Paul Cornell und Miguel Sepulveda.

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altBJÖRN: Ich mag Paul Cornell und ich möchte Stormwatch mögen, aber die erste Ausgabe lebt eher von meinem guten Willen als von ihren eigenen Qualitäten. Stormwatch als SciFi-Team, das kosmische Bedrohungen bekämpft, das ist ein Konzept, mit dem man viel machen kann. Und Sepulvedas Artwork zeigt, dass er für große kosmische Bedrohungen der richtige Mann ist: ein Riesenwurm im Himalaya, der Mond, der die Erde attackiert, die wahre Form von J’onn J’onnz. Alles ziemlich cool. Dazwischen wirkt es aber leider so, als habe er keinen Bock, den langweiligen Kram zu zeichnen und plötzlich verrutscht ihm in ganzen Panelreihen jedwede Anatomie.

Und auch Paul Cornell ist zu deutlich mehr fähig, als er hier zeigt: Der Mond (!) attackiert die Erde. Das ist als Idee dermaßen durch, das sollte nicht mal eben auf zwei Seiten abgehandelt werden. Alles fühlt sich hier zu übereilt, zu gequetscht an, weil Cornell schon in der ersten Ausgabe nicht nur ein Dutzend Figuren, sondern auch vier oder fünf Handlungsstränge einführen will. Und um das zu tun, muss Cornell Platz sparen. Dinge, die er zeigen könnte, verschiebt er darum in die Dialoge: Jede Figur muss sich selbst irgendwo mal vorstellen und die eigenen Superkräfte runterbeten, ob das gerade angemessen ist oder nicht („I’m Harry Tanner, master swordsman. I can slice cold fusion from the air.“). Ganz doof wird es, wenn Figuren anderen Figuren deren Superkräfte erklären. Als ob die nicht wüssten, wer sie sind. Auch Konflikte im Team werden nicht gezeigt, sondern von den Figuren direkt benannt. So etwas passiert nicht nur am Anfang, sondern das ganze Heft hindurch. Damit verkleistert Cornell seine Geschichte ungemein.

Mich ängstigt auch, dass direkt auf der ersten Seite auf Superman #1 (ab 28.09. im Handel) verwiesen wird und mir hier erstmals aufgefallen ist, dass eine mysteriöse Figur im Hintergrund in mehreren Heften auftaucht. War nicht eines der Probleme des alten DCU, dass alles zu sehr zusammenhing? Ist das hier also etwas, das potenziellen Neulesern direkt auf der ersten Seite, im ersten Heft begegnen sollte?

Stormwatch könnte eine ziemlich coole Serie werden, wenn die Seuche der Expositis endet, aber die erste Ausgabe bleibt leider deutlich hinter Cornells Möglichkeiten zurück.

ZOOM-FAKTOR: 7 von 10!


MARC-OLIVER: Stormwatch war eine der neuen Serien, von denen ich mir am meisten versprochen habe. Aber was Cornell hier abliefert, ist mehr als enttäuschend. Es kommen zu viele Figuren vor, die alle viel zu blass bleiben. Sie sind mir egal, und sie bleiben es auch am Ende der Geschichte, weil Cornell kaum irgendwelche Persönlichkeitsmerkmale oder Konflikte so herausarbeitet, wie es notwendig wäre – und wie man das von ihm kennt, wenn er in Form ist. Stattdessen gibt’s hier – wohl aus Bequemlichkeit oder Zeitmangel – all diese dummen Dialoge. Und was man mitbekommt von den Figuren, haut einen auch nicht unbedingt aus den Socken. Der Schwerttyp ist ein Rohrkrepierer vor dem Herrn, und diese blonde Tante – „The Projectionist“ – hat allen Ernstes die Superkraft, im Internet nach Suchbegriffen googeln zu können. Mannometer, offenbar gibt’s im neuen DC-Universum keine Smartphones. Wobei selbst die noch mehr Charakter hätten als einige der Figuren hier.

Hinzu kommt, dass Miguel Sepulveda nun mal leider kein Bryan Hitch ist. Seine Darstellungen vom angreifenden Mond oder dem Martian Manhunter in Urform sehen nett aus, das stimmt, aber diese Bildchen – geschweige denn sonstwas, das Sepulveda hier zeichnet – sind nicht derart beeindruckend, dass Cornell sich so auf den visuellen Aspekt der Serie verlassen könnte, wie das teilweise bei Warren Ellis und Bryan Hitch in StormWatch und The Authority der Fall war. Und so bleibt insgesamt leider nur ein lauer Aufguss von Sachen, die’s vor zehn Jahren schon mal besser gab, ohne jeglichen Mehrwert. Sehr schwache Vorstellung, vor allem von Paul Cornell.

ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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