Welt am Draht

52 mal berührt: Red Lanterns #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 24 von 52: RED LANTERNS #1 von Peter Milligan und Ed Benes.

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altMARC-OLIVER: Auch auf die Gefahr hin, vom lieben Kollegen Wederhake wieder als entenschubsender Spaßhasser verschrien zu werden, muss ich gestehen, dass ich selten so eine Moppelkotze gelesen habe. Gut, dass hier mit Hirnriss zu rechnen war, ist klar: Autor Peter Milligan lässt das Publikum schließlich gerne mal seine tiefe Bestürzung spüren, sich mit Superhelden überhaupt abgeben zu müssen. Zeichner Ed Benes ist ein besonders dreister Jim-Lee-Imitator. Und bei den Red Lanterns handelt es sich um eine Splittergruppe Außerirdischer aus dem Green-Lantern-Universum, die wegen ihrer ganz speziellen Ringe unablässig so aussehen, als würden sie – es ist tatsächlich so – Blut erbrechen. Man war also vorgewarnt. Immerhin hätte es ja sein können, dass uns hier wenigstens die Art von Wahnsinn aufgetischt wird, die wir alle so lieben.

Zumindest auf den Beginn des Hefts trifft das sogar zu. Wenn eine Blut kotzende blaue Katze im Strampelanzug (grandios in zweiseitiger Großaufnahme), die ihren magischen Ring am Schwanz trägt, ein paar außerirdische Unholde vermöbelt, dann hat das durchaus Seltenheitswert – gerade auch weil Benes‘ bierernster Rambo-Stil so gar nicht dazu passen will. Als alten Tom-&-Jerry-Fan mit schlichtem Gemüt kann man mich mit sowas schon locken.

Doch was macht Milligan? Behält er diesen Kurs bei? Er behält ihn nicht bei. Stattdessen tut er nach sieben Seiten unvermittelt so, als würde er eine ernsthafte Geschichte schreiben: Szenenwechsel zur Erde, sozialer Brennpunkt, Gewalt und Bruderzwist. Und, als wäre das nicht schlimm genug, stehen wir kurz darauf auch noch hüftttief im (blutgetränkten) Morast des Green-Lantern-Universums, dessen Vorzüge uns eine (blutspeiende) Figur mit dem klangvollen Namen „Atrocitus“ auf mehreren anstrengenden (und blutigen) Blutseiten in Form einer wenig erbaulichen Nacherzählung näherbringen will.

Anders gesagt: Worum es genau geht im hinteren Teil des Comics, hab ich vergessen, und er ist zu langweilig und zu schlecht gezeichnet, als dass ich nochmal nachschauen wollen würde. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Ed Benes mehr außerirdische Monster zeichnen sollte und weniger Menschen, und dass die Story an dem Punkt den Bach runtergeht, an dem Milligan anfängt, sie ernstzunehmen.

Und ein Punkt, für die Kotzekatze im Strampler.

ZOOM-FAKTOR: 1 von 10!


BJÖRN: Ich kann dich für diesen Comic keinen „Spaßhasser“ schimpfen, das geht nur für Comics die auch Spaß machen. Red Lanterns tut das nicht. Und ich weiß auch nicht, was das Gerödel hier überhaupt will.

Ein Comic, der mit einem so ultrapeinlichen Titelbild beginnt und damit weitergeht, dass die von dir erwähnte Weltraumkatze (Dex-Starr!) Weltraumpiraten im Weltraumsektor 666 (!) zerfetzt? Klingt so daneben, dass es von Milligan wirklich als Parodie gemeint sein könnte. Wäre dem so, könnte ich sogar damit leben, dass die Schurken so etwas stöhnen, wie: „S-scalp … t-torn my damned s-scalp off.“ Wenn man Ed Benes als Zeichner hat, ist es legitim, in den Dialogen nochmal zur Sicherheit zu erklären, was der Leser mit einem ordentlichen Künstler an Bord im Panel erkennen könnte.

Und nach der Actionszene mag der Comic immer noch als Parodie gemeint sein, aber jetzt folgen 13 Seiten „Motivationserklärung“ und ein Nebenplot mit zwei ganz normalen Menschen, von dem ich nicht einmal erahne, wohin er führen soll. Das erste Auftreten einer weiblichen Figur erfolgt dann Benes-üblich, indem diese erst einmal ihren Arsch in die Kamera hält. Und danach folgen, in loser Reihenfolge: Mehr Blut, mehr Eiter, noch mehr Eiter, weiteres Blut und die fürchterlichste purple prose aller Zeiten. „In many ways … we are like lovers. I am married to you in my rage, Krona. Married for all time. You slaughtered my people.”

Dagegen war Daniels Batman ja nüchtern-sachlich.

Es bleibt also die Frage: Comicsprechblase oder Emo-Lyrics? Und die nächste Frage, ob das besser oder schlimmer ist als Sätze wie der folgende, die sich der Leser ebenfalls bieten lassen muss: „Fighting? Lantern … rage … we … ggnnn … napalm hearts … can’t … stop … gnnn … think?“

In all dem soll wohl etwas wie Tragik drinstecken, um uns die Beweggründe von Atrocitus (ist der Name wirklich so viel schlimmer als „Sinestro“?) spüren zu lassen, aber im Vergleich zu Red Lanterns wirken die Frühen Image-Comics, als wären sie von Tolstoi geschrieben worden.

Vielleicht will uns Superhelden-Skeptiker Milligan mit Red Lanterns tatsächlich an die schlimmsten Auswüchse der letzten 20 Jahre erinnern. Falls dem so sein sollte, ist ihm das hervorragend gelungen; denn Red Lanterns ist ein so beschissener Comic, dass man Geld dafür bekommen müsste, ihn zu lesen.

ZOOM-FAKTOR: 0 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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