Welt am Draht

52 mal berührt: Red Hood and the Outlaws #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 39 von 52: RED HOOD AND THE OUTLAWS #1 von Scott Lobdell und Kenneth Rocafort.

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BJÖRN:alt Oh Mann, wo fangen wir an? Red Hood and the Outlaws war der zweite Aufreger dieser Woche, weil Starfire als sexuell befreite Frau gedacht war, aber als Masturbationsmaterial für Comicleser endete. Und, ja, die Vorwürfe sind gerechtfertigt: Die ganze Starfire-Kiste rangiert irgendwo zwischen unheimlich und peinlich. Unheimlich peinlich, quasi. Besonders, da die Veränderungen sie als Figur in keiner Weise interessant machen: Alles, was Starfire von den Menschen will, ist Sex, aber sie kann sich nicht einmal die Namen ihrer Teamkameraden merken? Ich bin mir nicht sicher, wie ein so begrenzter Autor wie Lobdell daraus Geschichten stricken will.

Jenseits dessen ist Red Hood and the Outlaws eine comicgewordene FHM-Ausgabe, ein Heft für Fünfzehnjährige jeden Alters: Mit pseudocoolen Sprüchen, männlichem Gebrunfte über den Sex, den die anderen Hauptfiguren mit Starfire haben, und unnötiger Gewalt. Völlig akzeptabel, wenn man einen dummen Comic mit dem Männer- und Frauenbild der frühen Neunziger lesen will, völlig unerträglich, wenn man das nicht mehr braucht.

Komplett daneben ist in jedem Fall die Erzählweise: Red Hood ist mit irgendeiner mysteriösen Sekte verbunden, die irgendeine andere Gruppe bekämpft. Keine Ahnung, ich habe das nicht so recht verstanden. Mein erster Gedanke war, dass man hier auf vorherige Geschichten anspielt, die ich nicht kenne. Stattdessen scheint das aber ein neues Element zu sein und die Backstory wird in den nächsten Heften erklärt werden. Sollte dem so sein, ist das eine völlig hanebüchene Erzählweise: Am Ende des Heftes steht Verwirrung, nicht Spannung. Und darauf zu bauen, dass der Leser in den Folgeausgaben zurückkehrt, um dann weniger verwirrt zu werden, erscheint mir wie eine ziemlich aussichtslose Wette.

Dann wiederum: Der innere Fünfzehnjährige kommt wegen ganz anderer Dinge zurück.

ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!


MARC-OLIVER: Zunächst muss ich erst mal wieder wüst gegen Dein Alles-erklärt-haben-Wollen schießen. Ich hasse hasse hasse Comics, die mir Dinge vorkauen oder per Prosa „erklären“ wollen. Sowas ist schlechtes Handwerk. Punkt. Wenn ich zur Handlung eine „Erklärung“ will, dann schau ich bei Wikipedia nach oder lese eins dieser unsäglichen, in Mode gekommenen Interviews, in denen Autoren ihre eigenen Geschichten toterklären. Nein: Ich hätte gerne, dass ein Autor sich die Mühe macht, mich von der ersten Seite an zu fesseln und mir alles, was ich an Informationen brauche, unterwegs über Figuren und Handlung zu vermitteln – und zwar bitteschön so, dass ich das nicht als bloßes Abkippen von Informationen empfinde. Zumindest das macht Lobdell auch ganz geschickt hier. Die mysteriöse Frau ist halt eine mysteriöse Frau. Es gibt keinen Grund, warum wir hier schon erfahren sollten, was sie im Schilde führt. Worum es zunächst geht, ist zu zeigen, dass Red Hood noch andere Motive und Loyalitäten hat, von denen seine Kameraden nichts wissen.

Was den Aufreger angeht, kann ich auch hier nur halbmotiviert die Backen aufblasen. Wer bei sowas wie Red Hood schon erhöhten Puls bekommt, der sollte besser nicht, sagen wir, die ersten sechs Gen13-Hefte von anno 1994 oder so lesen. Der zweite Bezugspunkt, der mir zu Lobdells und Rocaforts – fraglos unterirdischer – Darstellung von Starfire einfällt, ist die Ausgabe von Men’s Health, die ich vor Jahren mal beim Urlaub aus dem Flieger mitgenommen habe, um meine damalige Freundin zu ärgern. Was ganz gut funktioniert hat, denn die vertretenen Frauenbilder und die Vorstellungen von Sexualität sind so ungefähr äquivalent zu denen aus Red Hood.

Das Ding dabei ist aber: Es gibt eine Zielgruppe, die sich aktiv für sowas interessiert. Gen13 hat sich damals verkauft wie heiße Semmeln. Men’s Health gibt’s offenbar immer noch. Und Red Hood wird auch seine Abnehmer finden. Wir können gerne darüber diskutieren, ob es verwerflich ist, in Veröffentlichungen, die sich allerdings doch sehr eindeutig an ein männliches Publikum von einem bestimmten Schlag richten, Frauen zu Wunscherfüllungsautomaten zu degradieren. Dass es Comicleser gibt, die sich von Fantasien mit billiger Porno-Ästhetik untenrum angesprochen fühlen, lässt sich nun einmal nicht abstreiten. Und da finde ich: Lasst ihnen doch ihren Fetischkram. Es ist ja nun zum Glück bei weitem nicht so, dass alle Superheldencomics so wären wie Red Hood. Und eine schlechte Starfire-Geschichte tut auch keinem weh – jedenfalls nicht in dem Maße, dass man deswegen DC oder den Autoren irgendwelche moralischen Vorwürfe machen könnte. Auch Superheldenleser haben ein Recht auf alberne Wichsvorlagen. Also lassen wir doch die Kirche im Dorf. Oder soll man auch jedesmal Sturm laufen, wenn ein rumpeliger Porno mit fragwürdigen Frauenrollen veröffentlicht wird?

Was war sonst noch? Ach ja, die Actionszenen. Wenn man alle schlechten Actionfilme dieser Welt gesehen hat und vielleicht noch ein paar gute („Tanks!“ – „You’re welcome.“), dann wird man das alles schon kennen, was hier geboten ist. Spaß macht dieser Teil des Hefts aber trotzdem irgendwie, denn Rocafort weiß, wie man auf die Kacke haut, und Lobdell hat immerhin einen guten Sinn für Timing. Insgesamt ist das also für mich irgendwie das erwartete dumme Durchschnitts-Action-Ding, mit Abstrichen wegen der saublöden Starfire-Nummer und dem Fehlen so ziemlich aller Merkmale, die man braucht, um bei einer Buddy-Komödie die Buddies voneinander unterscheiden zu können.

ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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