Welt am Draht

52 mal berührt: Mister Terrific #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 17 von 52: MISTER TERRIFIC #1 von Eric Wallace und Gianluca Gugliotta.

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altBJÖRN: Ich mag, dass Wallace und Gugliotta direkt mit einer Actionszene einsteigen. Mr. Terrific weicht Laserkanonen aus, lässt sich von einem Kerl in biomechanischer Rüstung in die Fresse lasern und sich dann erstmal durch London jagen. (Was man daran erkennt, dass die Leute Worte wie „wicked“, „snooker balls“ und „bum“ verwenden … da können wir „Gott in Himmel“ [sic] danken, dass er nicht durch Deutschland düst.) Es gibt schlechtere Arten, seinen Comic anzufangen, viele davon präsentiert DCs Reboot.

Und dann taucht unangekündigt ein Panel auf, das so mit Technogebrabbel vollgepappt ist, als stünde man hier mit Geordi LaForge im Maschinenraum der Enterprise. Warum nicht während einer Prügelei mal kurz erwähnen: „I blasted your copper-lined Armani with positive and negative ions.“ Vielleicht ist das auch schlicht foreshadowing, denn dieses überzogene und oft unangemessene Technogeplapper wird später eines der größten Probleme. Während ein Beben Stützpfeiler zerstört und einen Raum in zwei Teile reißt, hält ein Wissenschaftler in besagtem Raum erstmal fest: „This is impossible. We have E.M. dampeners to maintain structural cohesion during earthquakes …“ Wallace sollte nochmal darüber nachdenken, wann und wo solche Passagen angemessen sind.

Ansonsten ist dieses Heft eine funktionale Einführung einer Figur, bei der ich mir noch nicht sicher bin, ob sie ihre eigene Serie tragen kann, obwohl ich das Konzept des „Wissenschaftshelden“ durchaus mag. Weniger mag ich den Umstand, dass zu viel Raum für einen anstrengend wirkenden Zickenkrieg zwischen Mr. Terrifics Assistentin und Karen Starr (die hier nicht als Power Girl präsentiert wird) zur Verfügung steht. Besonders ein Nebensatz zur Frage, ob bei dieser Zickerei Rassismus eine Rolle spielt, ist schauerlich zu lesen. Und die Ankündigung, dass im nächsten Heft der Superschurke „Brainstorm“ auftaucht, reißt mich auch nicht gerade vom Hocker.

Trotzdem könnte Mister Terrific ein grundsolider Superheldencomic werden, wobei man sich nach einem anderen Zeichner umsehen sollte. Gerade in den Actionszenen überzeugt mich Gugliotta nicht, wirkt entweder zu statisch (am Anfang) oder verdreht seine Figuren in seltsamste Posen (beim Erdbeben). Ordentliche Massenware, aber ich bescheide der Serie kein langes Leben.

ZOOM-FAKTOR: 5 von 10!


 

MARC-OLIVER: Damit wäre ich mal wieder an der Reihe, den Miesepeter zu spielen: Ich finde vor allem die Texte in diesem Heft vollkommen unterirdisch und nahezu unerträglich schlecht. Ich bin überzeugt, Eric Wallace würde einen guten Dialog nicht mal erkennen, wenn er ihn ins Gesicht beißen würde.

Das fängt damit an, dass die Hauptfigur am Anfang auf diverses popkulturelles Zeugs anspielt, das vermutlich – rein aus Zufall! – dem Autor der Serie auch super-toll gefällt. Geh doch und schreib Fan-Fiction, Mister Wallace. Das geht mit den oberpeinlichen, auf britisches Englisch getrimmten Kommentarbrocken der Londoner Fußgänger weiter, die schon in realsatirische Sphären vorstoßen. Und das findet seinen traurigen Höhepunkt in Sprechblasen wie der, die Mr. Terrific von sich gibt, wenn er auf der Polizeiwache eintrifft: „This is exactly the kind of of situation I envisioned when I provided the L.A.P.D. with a way to contact me securely.“ Wallace scheint davon auszugehen, dass seine stelzbeinige Exposition nicht mehr als solche erkennbar ist, wenn er sie als Nebensätze oder Adverbien „tarnt“. So nach dem Motto: „Wenn ich die Augen zumach‘, dann siehst du mich nicht.“ Und so labert der Held die ganze Zeit, als hätte der Autor seine Texte mit der Kneifzange geschrieben. Warum fragt DC nicht jemanden, der sich mit sowas auskennt?

Davon abgesehen, könnte Mr. Terrific auch gut und gerne Mr. Generic heißen. Seine Ursprungsgeschichte scheint man eher aus Pflichtbewusstsein aufzutischen als dass man große Lust dazu hätte, sie zu erzählen – besonders packend oder überzeugend ist sie nicht. Was genau soll diese Figur von den Dutzenden anderen Superhelden da draußen unterscheiden? Dieses Heft bietet keinen Anhaltspunkt dafür. Und wenn der Cliffhanger am Ende davon abhängt, dass der Leser sich um das Leben einer Nebenfigur sorgen soll, die nicht einmal richtig eingeführt worden ist, dann ist eh Hopfen und Malz verloren. Der Zeichner hat Potenzial, ist aber noch nicht am Ende seiner Entwicklung angelangt, um es mal diplomatisch auszudrücken. So dilettantisch wie Wallace kommt er zu seinem Glück aber nicht daher. Was für ein Elend.

ZOOM-FAKTOR: 1 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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