Welt am Draht

52 mal berührt: Men of War #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 7 von 52: MEN OF WAR #1 von Ivan Brandon und Tom Derenick, mit einer Zweitgeschichte von Jonathan Vankin und Phil Winslade.

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altBJÖRN: Zweischneidiges Schwert, dein Name ist Men of War. Die erste Hälfte des Heftes erzählt von Joseph Rock, einem Soldaten in einer Welt, in der Superhelden existieren. Die zweite Hälfte erzählt den ersten Teil einer anscheinend völlig auf übernatürliche Elemente verzichtendenden Soldatengeschichte, die mal nicht von Garth Ennis geschrieben wurde. Ich wusste nicht, dass das überhaupt legal ist.

Brandons und Derenicks „Rock“ ist zumindest akzeptabel, auch wenn Brandon sich ausgiebig in testosterongeschwängerten Soldatenklischees suhlt: Rock ist der aufrichtige Soldat, bei seinen Männern beliebt, aber nicht gewillt, blind Befehlen zu folgen. Einer, der für und mit seinen Männern kämpfen will, statt sich zum Sesselpupser befördern zu lassen. Und dann geht eine Mission schief, weil ein fliegender Capeträger den Soldaten in die Parade fährt. Kriegsgeschichte mit Superheldeneinschlag? Möglich, aber schwierig. Das hier ist halt nicht mehr 1941. Und der eigentliche Kriegsteil ist auch bedenklich: Rock und seine Mannen landen in Mittelarabistan und bekämpfen bärtige Barettträger. Damit hätte man dann jedes Feindbild abgedeckt. Die US-Soldaten wirken wie Actionhelden, die Folgen des ersten Gefechts bleiben off-panel. Auch hier bin ich gewillt abzuwarten, aber die Gefahr des dumpfen Nationalismus möchte ich noch nicht ausschließen.

Vankins und Winslades „Navy Seals“-Geschichte hingegen greift gleich mit beiden Händen ins Klo. Unter Feindbeschuss fangen Soldaten an, einander ihre Vorgeschichten um die Ohren zu hauen, damit wir erfahren, wer welchem Soldatenklischee entspricht, wer der „Liberale“ und wer der „Rassist“ ist. Dazwischen wird klar gemacht, dass ein Sturmgewehr der große Entscheidungsfaktor in der Weltpolitik ist, und ein verblutender Soldat findet die Kraft, alle nochmal an die Vorgeschichte zu erinnern. Auch ansonsten sind die Dialoge hölzern und peinlich: Während der Action muss konstant kommentiert werden, was gerade geschieht, damit der Leser es versteht. Und statt ein bewaffnetes Mädchen erstmal zu entwaffnen, diskutiert man schnell über die Einsatzregeln. Die Geschichte kann natürlich noch zu einem wertvollen Blick auf die Probleme des asymmetrischen Krieges im 21. Jahrhundert werden, aber momentan sieht es eher so aus, als wenn die zweite Hälfte von Men of War einfach nur ungeheuer schmerzhaft wird und genau in die Grube kultureller Peinlichkeit stürzt, in die ich eigentlich Batwing torkeln sah.

ZOOM-FAKTOR: 4 von 10!


MARC-OLIVER: Bei dem „Navy Seals“-Ding stimme ich Dir zu, auch wenn ich da die Ansprüche nicht ganz so hoch ansetzen würde. Es könnte ja einfach ein gut gemachter Action-Comic sein, das wäre okay. Im konkreten Fall hast Du aber Recht: Vankin will, dass seine Story mehr als das ist, und er fällt richtig peinlich auf die Schnauze damit, aus allen von Dir genannten Gründen. Ich mag Phil Winslades Zeichnungen, aber wenn die Geschichte nichts taugt, kann der Zeichner halt auch nichts mehr retten.

Anders sehe ich die Sache bei der Hauptgeschichte mit dem neuen Sgt. (bzw. „Corporal“) Rock. Die will ja einfach nur eine mehr oder weniger dumme, laute Action-Sause sein, nicht viel anders als, sagen wir, Rambo III – bloß ohne die plumpen Pro-USA- und Anti-Kommunismus-Parolen des Films. Das Land, in dem sich die Action abspielt, wird hier gar nicht erwähnt, es ist einfach irgendein generisches Feindgebiet. Ich erkenne dabei keine politischen Aussagen oder Hurra-Patriotismus, und ich glaube auch nicht, dass Brandon es darauf anlegen will – er will bloß mit den Haudegen-Klischees spielen und auf die Kacke hauen. Finde ich auch völlig legitim.

Was mir hier im Vorfeld am meisten Skepsis bereitet hat, war die Sache mit den Superhelden. Aber selbst dafür hat Brandon – zumindest im Debütheft – eine Lösung gefunden, die nicht nur unproblematisch, sondern auch interessant ist. Der „Superheld“ erscheint nur als Bedrohung in der Distanz. Er ist zwar offenbar auf einer Seite mit den Soldaten, aber so ganz wohl scheint niemandem dabei zu sein. In Brandons und Derenicks Geschichte wirkt der Superheld wie ein verheerender Luftschlag: Er macht zwar alles platt, aber das kann durchaus auch eigene Truppen beinhalten, wenn sie das Pech haben, sich gerade im Zielgebiet aufzuhalten. Und mit der Koordination ist das im Krieg ja immer so eine Sache. Das finde ich vom Prinzip her einen cleveren Ansatz für eine solche Serie, der viel Potenzial birgt. Auch Tom Derenick, der bisher eher als kompetenter aber unspektakulärer Saubermann-Zeichner in Erscheinung getreten ist, hat mich hier überzeugt.

Schade, dass man die Serie mit einer Zweitgeschichte strecken musste, die nicht nur schlecht ist, sondern auch vom Konzept her wie ein Fremdkörper wirkt. Das kostet einen Punkt.

ZOOM-FAKTOR: 6 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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