Welt am Draht

52 mal berührt: Justice League #1

 DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 1 von 52: JUSTICE LEAGUE #1 von Geoff Johns und Jim Lee.

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MARC-OLIVER: Geoff Johns und Jim Lee machen hier vieles richtig – und alles falsch. Am Reißbrett klingt ihre Geschichte nach dem perfekten Einstieg ins DC-Universum: Batman wird von der Polizei gejagt, genau wie am Ende von The Dark Knight; er trifft Green Lantern, eine weitere DC-Figur, die eben ihren großen Hollywood-Auftritt hatte; und am Ende kommt noch Superman, dessen nächste Neuverfilmung auch schon in der Pipeline ist. Die Figuren wirken frischer als zuletzt. Batman ist noch nicht so perfekt, Green Lantern scheint etwas jünger, und niemand weiß so recht, woran man bei Superman ist. Die Handlung ist einfach, die Dialoge knapp, es liest sich alles sehr flüssig. Okay, einige der Texte sind zum Weglaufen (etwa, wenn Laberbacke Hal Jordan ohne Not vom Green Lantern Corps erzählt), und der Plot ist nicht besonders schlüssig („Das hier ist außerirdisch. Superman ist auch außerirdisch. Auf nach Metropolis!“) Trotzdem sollte man hier als Neuleser keine Schwierigkeiten haben, mitzukommen, was ja schon ein großer Fortschritt ist.

Aber es ist natürlich bezeichnend, dass man das überhaupt erwähnen muss. Bloße Verständlichkeit ist ja noch lange kein Kaufargument. Mehr bieten Johns und Lee hier aber nicht. Das erste Heft des großen Neustarts ist ein Leichtgewicht. Man braucht keine fünf Minuten, es zu lesen, und die Figuren und ihre Welt bleiben so dünn wie das Papier, auf dem sie gedruckt sind. Da gibt’s nichts, was irgendwie hängenbleibt. Der Comic hat, was Handlung, Figuren oder Dialoge angeht, nicht mehr zu bieten als ein durchschnittlicher Actionfilm – geschweige denn ein Argument dafür, dass Comics erzähltechnisch mit Filmen oder Videospielen mithalten können. Sogar der Schurke wirkt wie ein Predator für Arme. Die Macher bestätigen hier, was man vorher schon annehmen durfte: Man ist bei DC nicht der Auffassung, dass man die letzten Jahre irgendwas falsch gemacht hätte. Man meint nur, dass es einfach nicht genügend Leute mitbekommen haben. Und so finden sich hier auch keine großen Änderungen. Das „neue“ DC-Universum ist das alte DC-Universum, bloß besser ausgeschildert.

ZOOM-FAKTOR: 4 von 10!


 

BJÖRN: Ich stimme dir zu, dass Justice League alles falsch macht. Zumindest wenn man bedenkt, was es sein soll: Das Flaggschiff! Der Titel, der den Neulesern zeigt: Dieses DCU ist unglaublich grandios, da müsst ihr dabei sein! Und das liefern Johns und Lee nicht.

Wir erfahren, dass Batman vor fünf Jahren nicht respektiert wurde und Green Lantern ein selbstgefälliger Sack war, der von sich in der dritten Person redet. Daher finde ich okay, dass er ohne Grund das Green Lantern Corps erwähnt: Er macht sich wichtig. Aber sonst? Cyborg spielt Football, ein Paradämon (?) deponiert eine Mutterbox (?), die aussieht wie ein Lemarchand-Würfel aus Hellraiser und dann reisen Lantern und Batman nach Metropolis. Am Ende wird ein Batman-Superman-Kampf angedeutet. Das war’s.

Das ist nicht nur etwas zu wenig, das ist viel zu wenig: Das mag funktionieren, wenn man die Story hinterher im Paperback am Stück liest. Aber die vorrangige Aufgabe ist derzeit, die Neuleser für Ausgabe 2 zurückzuholen. Und bei einem Preis von $3.99 kann ich mir nicht vorstellen, dass dieses dünne Handlungskonstrukt das schafft. Man konnte nicht einmal Aquaman, Flash und Wonder Woman in diesem Heft wenigstens andeuten? Wegen mir hätte man dafür die erste Ausgabe in doppelter Dicke erscheinen lassen sollen. Aber das hier ist ein undramatischer, belangloser, lahmarschiger Anfang, der das exakte Gegenteil sein sollte, als Startpunkt eines doch angeblich aufregenden neuen Universums.

Vier Dollar bezahlen, um in einer weiteren Ausgabe zu sehen, wie sich Helden gegenseitig anschnauzen als wären sie in der jugendfreien Version von Millers All-Star Batman? Stormwatch hat große Probleme, aber zumindest deutet es an, dass große Dinge folgen werden. Justice League tut das nicht. Stattdessen haben wir Figuren, die alle paar Seiten nochmal berichten müssen, was wir im vorherigen Panel sahen: „Du hast uns in einem leuchtend grünen Jet nach Metropolis geflogen?“ oder „Es schweißt etwas an die Wand!“. Danke, Mitternachtsdetektiv, dass du sowas für diejenigen unter uns nochmal berichtest, die sich die Bilder gar nicht erst angucken.

Letztlich bleibt die erste Ausgabe von Justice League ein überteuerter Comic ohne Antrieb, der mir – außer den Zeichnungen von Jim Lee – keinen Grund nennt, warum ich Ausgabe 2 auf gar keinen Fall versäumen darf. Und genau dieser Fall hätte nicht eintreten dürfen. Egal ob die Geschichte hinterher im Paperback funktioniert.

ZOOM-FAKTOR: 4 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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