DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 5 von 52: HAWK & DOVE #1 von Sterling Gates und Rob Liefeld.
BJÖRN: Hawk & Dove – Konservativer und Hippie – ist ein 1970er-Konzept, das in Zeiten von FOX News und MSNBC, dem amerikanischen „Kulturkrieg“, wieder relevant sein könnte. Allerdings schlägt Sterling Gates in Ausgabe 1 diese Richtung nicht ein. Stattdessen haben wir die Beschwerde, dass Zombies in Comics viel zu oft verwendet werden (während man gerade im Comic Zombies bekämpft) und jede Menge unglaublich holpriger Exposition. Das Heft fühlt sich nicht wie eine Ausgabe 1 an, sondern wie eine Ausgabe 75, in der man für Neuleser nochmal kurz erklärt, was bisher passiert ist.
Obwohl man eigentlich doch nichts richtig erklärt, sondern nur andeutet: „During the worst crisis the world’s ever seen, Dove got killed doing what he did best.“ Okay, dann glaubt euch der Neuleser das mal. Was auch immer diese Krise gewesen sein mag. Oder die Sache mit den Göttern von Krieg und Frieden, die Kräfte geben. Mal so im Nebensatz. Das Normalste von der Welt. Auch, dass ein toter Ex-Freund jetzt im roten Strampler mit D auf der Brust rumfliegt: Keine Erklärung, das hat der Neuleser halt hinzunehmen. Figurenzeichnung? Dove hat ein Geheimnis und Hawk ist wütend. Viel Mysteriöses wird so vage angedeutet, dass ich kein Bedürfnis verspüre zu erfahren, worum es sich handelt.
Mein größtes Problem ist aber das Artwork. Für Liefelds Verhältnisse kompetent, aber Hundert mal Null ist immer noch nichts. Groteske Grimassen, Gegenstände, die in jedem Panel ihre Form ändern, eine Visitenkarte, auf der nur der Nachname des Kartenbesitzers steht, die Schurken auf Seite 2 sind Klone der SHIELD-Agenten aus Liefelds Captain America und so fort. Dass Liefeld keinerlei Gespür dafür hat, wie man eine Actionszene organisch gestaltet oder Bewegung dynamisch wirken lässt, kommt noch hinzu.
Inhaltlich interessiert mich Hawk & Dove nicht und Liefelds Zeichnungen stoßen mich ab. Auch, wenn er eh nach zwei bis drei Ausgaben das Projekt verlassen wird, weil er das immer tut: kein Comic, dem ich weiter folgen werde.
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MARC-OLIVER: Fangfrage: Du heißt Bob Harras, bist Chefredakteur bei DC Comics und sollst 52 Autor/Künstler-Teams zusammenstellen, die das DC-Universum für neue Leser neu erfinden. Wen rufst du an?
Für mich ist Rob Liefeld mittlerweile eins der interessantesten Phänomene der US-Comicbranche. Dass der Mann vom Zeichnen und Geschichtenerzählen so viel Ahnung hat wie meine Oma vom Daddeln, dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben. Aber Tatsache ist: Sein Name zieht immer noch als Verkaufsargument. Irgendeinen Nerv muss er also treffen, und das hängt wohl mit seinem Zeichenstil zusammen. Denn rein stilistisch gesehen – also, wenn man das Handwerkliche mal ausklammert – ist eine gewisse Attraktivität in Liefelds Arbeit nicht von der Hand zu weisen.
Egal ob Jack Kirby, Herb Trimpe, George Pérez, John Byrne, Howard Chaykin, Walt Simonson oder Art Adams, Liefeld hat sich von allen prägnante Stilelemente einverleibt. Sogar bei seinen Zeitgenossen Jim Lee, Todd McFarlane und Marc Silvestri hat er sich schon sehr früh bedient, stilistische Eigenheiten aufgesaugt und sie nachhaltig verinnerlicht. Es ist ja auch nicht so, als hätte er sich irgendwie weiterentwickelt in den letzten 25 Jahren. Vielleicht macht er das gar nicht mal bewusst, aber es hat schon etwas Beeindruckendes, wie Liefeld es völlig ohne Grundhandwerkszeug und mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Eintagsfliege schafft, einen stattlichen Teil der Superhelden-Fangemeinde allein durch die Attitüde seiner Zeichnungen zu begeistern. Das ist einzigartig in der Branche.
Aber natürlich ist das Heft Müll. Liefeld und Gates sollten lieber zusammen Holz hacken gehen, dann würden unterm Strich weniger Bäume sinnlos sterben, und ihre potenziellen Auftraggeber hätten eine größere Chance, auch mal normale Leute anzusprechen.
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Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.