Welt am Draht

52 mal berührt: Green Lantern: New Guardians #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 40 von 52: GREEN LANTERN: NEW GUARDIANS #1 von Tony Bedard und Tyler Kirkham.

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BJÖRN:alt Das Titelbild hat mich beim Überfliegen in den letzten Wochen (sehr viele Anzeigen in sehr vielen anderen Heften) immer irritiert: Warum prügeln sich all diese Figuren, von denen zwei nicht im Comic auftauchen, um eine Handvoll Smarties?

Hinter dem Cover irritierte mich auch einiges: Ich weiß, hier gehen wir in unserer Meinung auseinander, und ich weiß inzwischen auch, dass die Titel aus dem Subset Green Lantern einfach da weitermachen, wo man vor Flashpoint aufgehört hat, aber ich finde das immer noch wenig einsteigerfreundlich. Ein klarer Reboot wäre sinniger. Auf der einen Seite ist man bereit, hier die Origin von Kyle Rayner nochmal in kurzer Form wiederzugeben, was ich lobenswert finde, auf der der anderen Seite schafft man es dabei aber, für zusätzliche Verwirrung zu sorgen. Zum Beispiel, indem man nicht erwähnt, dass die ersten Seiten ein Flashback sind. Seiten, auf denen alle Guardians tot sind. Dieselben Guardians, die in Green Lantern #1 quicklebendig scheinen und Sinestro einen Ring in die Hand drücken. Warum sie tot sind? … Warum nicht! Auch hier habe ich wieder das Gefühl, dass ich fünfzehn Minuten zu spät in den Film stolpere.

Danach folgen fünf Seiten „verschiedenfarbige Lanterns verlieren ihre Ringe“. Wofür die Farben stehen? Wer diese Lanterns sind? Wo die Unterschiede liegen? Erklärt der Comic nicht. Der Teil des Comics fühlt sich wie absoluter Füller an. Wenigstens haben wir am Ende das Versprechen, dass eine große, knallbunte Massenkeilerei bevorsteht, wobei es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, die Figuren, die hier auftreten, auch kurz einzuführen (mit einer Figur tut man das immerhin).

Kirkhams Zeichnungen funktionieren, Bedard bringt ein oder zwei nette Anspielungen auf John Stewart (Green Lantern in der Justice-League-Fernsehserie) und die Kritik an den Kostümen unter, hat Spaß mit den Ringkräften und unterhält mich mehr, als das Johns in der Hauptserie schafft, aber das ist zugegebenermaßen ein zweischneidiges Kompliment. Immerhin ist auch hier die obligatorische Splatterszene zu finden, die mir jetzt schon verspricht, dass ich spätestens im ersten Mega-Event keinen Spaß mehr an dem „erwachsenen“ Umgang mit dem Konzept haben werde. Wobei ich eigentlich nicht einmal weiß, was das Konzept der Serie sein soll. Nach dieser Ausgabe könnte es „Green Lantern für Leute, die Hal Jordan nicht mögen“ sein. An der Stelle versagt Bedard also in seinem Job.

ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!


MARC-OLIVER: Nö, hier geb ich Dir vollkommen Recht. Bedard scheitert nicht nur daran, wenigstens halbwegs ein Konzept für die Serie  anzureißen, sondern auch an grundlegenden handwerklichen Dingen wie eben – Du sagst es – der Kennzeichnung des Flashbacks am Anfang. Hat man das einfach vergessen? Hatte man Angst, das scheue Rotwild Neuleser würde beim Anblick eines entsprechenden Hinweises auf eine Rückblende vor Schreck das Heft fallen lassen und blindlings aus dem Laden flüchten? Fragen über Fragen. Eine plausible handwerkliche Erklärung gibt’s dafür jedenfalls nicht.

Auch sonst ist das Heft ein Trauerspiel. Wir haben wieder mal den beliebten Aufhänger Genozid, gleich auf der ersten Seite. Wir haben einen „Helden“, der so taktvoll ist, bei geselliger Runde seinem Kumpel aus dem Blauen heraus laut ins Gesicht zu prognostizieren, dass dieser nicht mal „past first base with this nice girl you brought“ kommen wird, während die betreffende Dame direkt neben ihm sitzt. Will Bedard uns damit vermitteln, dass Kyle Rayner von Wölfen in einer Höhle großgezogen wurde? Wir haben das an Monotonie kaum zu überbietende Spielchen, dass erst ein gelber, dann ein roter, dann ein lilafarbener Ring irgendwo ihre Besitzer in einem entscheidenden Moment im Stich lassen – um dann am Ende schön nacheinander bei Kyle Rayner aufzutauchen.

Es ist keine Übertreibung sondern bittere Wahrheit: Selbst die Busfahrpläne des saarländischen Verkehrsverbundes übertreffen diese Geschichte an purer Dramatik und unvorhergesehenen Wendungen. Für Kirkham kann man sich zumindest wünschen, dass er hier die Gelegenheit erhält, vielleicht doch noch einen eigenen Stil zu entwickeln.

Dann wäre es alles doch für etwas gut gewesen.

ZOOM-FAKTOR: 2 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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