Welt am Draht

52 mal berührt: Green Lantern Corps #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 28 von 52: GREEN LANTERN CORPS #1 von Peter J. Tomasi und Fernando Pasarin.

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MARC-OLIVER: Da ist ein Tippfehler auf der ersten Seite dieses Comics, in der ersten Sprechblase überhaupt, im allerersten Satz, den irgendeine Figur sagt. „If my weapon hadn’t have run out of juice“, sagt er. Spricht er vielleicht generell komisch? Nein, tut er nicht. Erste Eindrücke und so.

Auf den nächsten beiden Seiten glänzt das Heft dann mit einer Enthauptung und zwei … äh … Entrumpfungen. Blut spritzt, Gedärme spritzen. Am Ende folgt noch ein Genozid, inklusive blutig aufgespießter, knuffig aussehender Sympathie-Aliens. Man glaubt wohl, das Publikum am ehesten mit roher Brutalität beeindrucken zu können. Wobei sich natürlich die Frage stellt: Schockt uns noch irgendwas groß, wenn gleich am Anfang schon so wild drauflosgemetzelt wird? Gibt’s wirklich nur diesen einen, abgelutschten Weg, dem Leser mitzuteilen, dass der mysteriöse Schurke jetzt aber wirklich kreuzteufelsböse ist? Egal, die Macher scheinen sich die Frage jedenfalls nicht gestellt zu haben. Und ich schweife ab, wir waren ja erst auf Seite 3. Umblättern! Und dann? Blutiger abgetrennter Finger in Großaufnahme, sowie der Titel der Geschichte: „Triumph of the Will“. Man scheint sich beim Erdenken der Story also allgemein nicht so viele Fragen gestellt zu haben. Hilfe, es ist Seite 4. Noch so viel zu entdecken, so oft umzublättern.

Aber dankenswerterweise ist das, was sich zwischen der vierten und der letzten Seite des Hefts abspielt, viel besser als man vermuten würde, wenn man nur die ersten vier und die letzte Seite lesen würde. Hauptfiguren sind hier die beiden B-Green-Lanterns John Stewart (nicht zu verwechseln mit Jon Stewart) und Guy Gardner, und es macht unerwartet viel Spaß, denen zuzuschauen. Der Aufhänger ist dabei für die erste Ausgabe ausreichend, wenn auch längerfristig etwas wacklig: Die zwei – erfrischend unterschiedliche Typen – verfügen über keine Geheimidentitäten und haben’s deshalb nicht unbedingt ganz einfach auf der Erde, wenn sie mal nicht gerade ihre Kostüme tragen. Sie verstehen ihre Heldenrollen bei der paramilitärischen intergalaktischen Polizeibehörde, bekannt als Green Lantern Corps, daher auch als Ventil.

Zeichner Pasarin macht einen sehr ordentlichen Job und kann manchmal sogar richtig glänzen mit seinem polierten, J.-G.-Jonesigen Stil – auch Dinge wie Mimik, Gestik oder Alltagsklamotten überfordern ihn nicht. Tomasis Schreibe ist gelegentlich wieder etwas zu stelzbeinig und starr (siehe auch Batman and Robin), aber insgesamt nehme ich ihm seine Figuren hier ab. Der Comic gefällt mir viel besser als erwartet, trotz der bösen Schnitzer am Anfang und der unbeholfenen, als Originalitätsersatz zur Schau gestellten Brutalität. Wenn man langfristig nicht mit Crossover-Orgien rechnen müsste (immerhin gibt’s noch drei andere Green-Lantern-Serien) wäre ich einem Abo vielleicht nicht abgeneigt. Schade eigentlich.

ZOOM-FAKTOR: 5 von 10!


BJÖRN: Hey, wir gehen hier wirklich völlig d’accord. Bis auf den Schreibfehler, der fiel mir nicht auf. Mag daran liegen, dass ich davon abgelenkt war, dass auf den ersten vier Seiten volle sechs von 13 Panels Splatter in irgendeiner Form enthalten.

Und weil wir so übereinstimmen, hier ein Manifest: Ich habe das Gefühl, dass die Autoren der Hefte aus dem Spektrum Green Lantern an mangelndem Selbstbewusstsein leiden. Dass sie irgendwie das Gefühl haben, sich für ein Konzept rechtfertigen zu müssen, das oft als albern abgestempelt wird, besonders wenn die Leute auf die Gelbschwäche, die Holzschwäche oder Ch’p das Weltraumeichhörnchen verweisen. Und um zu zeigen, dass Green Lantern kein Kinderkram ist, sondern voll die Erwachsenenliteratur, muss man die Gewalt so stark aufdrehen, dass jeder mögliche Spaß verschwindet. Was eine echte Schande ist, weil das Konzept eigentlich gut ist: Weltraumbulle mit Zauberring. Und das in einem Comic! Einem Medium, wo keine Budgetgrenzen verhindern, volle Kanüle alles umzusetzen, was einem in den Sinn kommt. Und, mit Verlaub, scheiß auf die verächtlichen Schmunzler. Haters gonna hate. In einem Franchise, das immerhin vier von 52 Titeln umfasst (plus Justice League) sollte doch der Raum für eine Reihe sein – eine einzige Reihe! – die sagt: Wir verzichten auf die ganze düstergrimme Gewalt und hauen einfach mit dem Konzept voll auf die Kacke und haben Spaß dabei!

Und das Traurige ist: Green Lantern Corps könnte diese Reihe sein. John Stewart und Guy Gardner geben ein schön gegensätzliches Team ab. Logik und Hosenboden. Und beide sind gewillt, ihre Ringe direkt einzusetzen, um große, abstruse Konstruktionen zu erschaffen. Und Guy hat erkennbaren Spaß daran, eine Green Lantern zu sein und den Weltraumsheriff zu geben. Und dann ist da die Szene, in der Guy und John auf einem Satelliten sitzen und sich die Erde aus dem Weltraum angucken, was etwas ist, das ich auch tun würde, wenn ich so einen Ring hätte. Und Tomasi gibt Neulesern eine Chance in die Serie einzusteigen, statt so zu tun, als müssten alle schon alles über das Green Lantern Corps wissen. Ja, verdammte Axt, da ist so viel cooles Zeug zwischen Seite 4 und Seite 20, zumal noch echt schön von Fernando Pasarin und Scott Hanna aufs Papier gebracht, dass ich dieser Serie wirklich, wirklich, wirklich gerne eine Chance geben würde.

Und dann kommt die letzte Seite und wir haben wieder Genozid und Gedärm, weil unter Genozid und Gedärm kein Lantern-Heft mehr geht. Und das ist es, was mich an diesem Heft wirklich aufregt.

ZOOM-FAKTOR: 5 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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