Welt am Draht

52 mal berührt: Green Arrow #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 4 von 52: GREEN ARROW #1 von J.T. Krul und Dan Jurgens.

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altBJÖRN: J.T. Krul gibt uns Green Arrow als jungen Ersatz-Steve-Jobs (seine Firma verkauft das Q-Pad … und wahrscheinlich auch Q-Tips), der in Frankreich Superschurken stoppt, während zuhause sein fieser Chef-Angestellter versucht, ihn auszubooten. Nach der ersten Seite ist schon klar, dass J.T. Krul das Wort „subtil“ nicht mal in einem Fremdwörterbuch finden würde. Die Dialoge von Ollie Queen sind peinlich bis zum Anschlag: Die Gesellschaft glorifiziert Schurken, Piraten sind sexy, Reality TV ist ein gesellschaftliches Problem. Schon im alten DCU kein Sympathiebolzen, wirkt Queen so selbstgefällig, dass ich mit den Schurken gefiebert habe. Auch weil er während der Kampfszene (90% des Comics), so viel monologisiert, Gegnermotivation erklärt und predigt (ihr könntet anderen helfen, doch nutzt eure Kraft für das Böse), dass es kracht.

Trickpfeile und Predigten werden die Serie nicht langfristig erfolgreich machen. Die Firmenpolitik und die Frage, wieviel Überwachung der Bürger durch eine Privatperson akzeptabel ist, nur weil sie Superheld spielt, könnten interessant werden. Schade nur, dass ich nach dieser Ausgabe nicht glaube, dass J.T. Krul in der Lage ist, die Themen differenziert anzugehen.

Außerdem hatte ich das Gefühl, dass Green Arrow in den Neunzigern gefangen ist: Nicht nur wegen der – kompetenten – Zeichnungen von Dan Jurgens, der wohl als Referenz für junge Mode einen C&A-Katalog des Jahres 1998 nutzt, sondern auch wegen der Andeutungen, wie viel Information man über dieses Internet beschaffen kann und die Erwähnung von YouTube, als wäre es eine Revolution. Das lässt die Story heillos veraltet erscheinen, trotz verjüngtem Ollie Queen. Das  hier ist kein Comic, der junge Neuleser gewinnt. Dafür wirkt er zu sehr wie ein Vater, der sich ein Nirvana-Shirt und Flanellhemd überwirft, um seinem Sohn zu zeigen, dass er voll auf der Höhe der Zeit ist.

ZOOM-FAKTOR: 2 von 10!


 

MARC-OLIVER: Ja, Herr Krul hat hier einen Helden für die 1990er geschaffen, der kurzlebigen technischen Modeerscheinungen wie diesem teuflischen Internet nicht auf den Leim geht und verkommene halbstarke YouTube-Piraten mit seiner überlegenen Moral das Fürchten lehrt.

Bleistiftzeichner Dan Jurgens, Tuschezeichner George Pérez und Kolorist David Baron überzeugen aber. Bei der Grütze, die handwerklich überforderte Künstler wie Tony Daniel oder Ben Oliver anderswo beim DC-Neustart abliefern, ist das erwähnenswert, auch wenn die Schurken hier aus unerfindlichen Gründen aussehen, als hätte man sie aus einem alten Billy-Idol-Video entführt. Davon abgesehen ist es mir vollkommen schleierhaft, was die Geschichte uns über den Helden sagen will. Ist es Absicht, dass Green Arrow wie ein weltfremder, peinlicher alter Kauz rüberkommt? Ich glaub’s ja nicht, denn das geht kaum mit seiner Position als Steve Jobs des DC-Universums zusammen, die uns der Autor hier offenbar andrehen will.

Ist aber auch wurscht, denn auch Krul muss sich gefallen lassen, wenn man ihm nach dieser Vorstellung seine handwerkliche Qualifikation abspricht. Sein „Held“ beschimpft und verprügelt ein paar komische Vögel, die angeblich „brutale“ und „verstörende“ Videos bei YouTube eingestellt haben sollen. Echt jetzt? Es gibt hier weder eine ernstzunehmende physische Herausforderung noch irgendeinen anderen Konflikt für den Protagonisten. Was soll dieser Käse? Findet DC seine Autoren neuerdings in der Fußgängerzone?

(Nachtrag: Offenbar ist Herr Krul schon wieder raus aus der Serie. Laut Infotext wird Heft 4 von Dan Jurgens und Feuerwehrmann Keith Giffen geschrieben.)

ZOOM-FAKTOR: 2 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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