Welt am Draht

52 mal berührt: Frankenstein #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 21 von 52: FRANKENSTEIN, AGENT OF S.H.A.D.E. #1 von Jeff Lemire und Alberto Ponticelli.

frankenstein
altBJÖRN: Unter den bisher von mir gelesenen Titeln ganz klar mein Favorit: Ein Comic der Frankenstein, Agent of S.H.A.D.E. heißt und auf dem Titelbild Frankenstein mit Schwert und Gatling präsentiert, schlägt in meinem inneren Vergnügungszentrum auf die richtigen Nervenknoten.

Lemire haut eine verschrobene Idee nach der nächsten raus: Das Geheimquartier der Organisation ist eine wenige Zentimeter große Kugel, in der Dr. Palmer (The Atom im alten DCU) eine Kandor-artige Mini-Stadt gebaut hat, Father Time ist ein kleines Mädchen mit Zöpfen, Frankenstein kritisiert die Gefahren künstliches Leben zu schaffen und Frankensteins von ihm entfremdete Braut ist eine vierarmige Superagentin. Wenn dann auch noch die Creature Commandos auftauchen und einer dieser Kommandos einfach nur als „mummy and medic“ (in dieser Reihenfolge) beschrieben wird, hat mich die Serie endgültig als Leser gewonnen.

Das hier scheint DCs Antwort auf Dark Horses B.P.R.D. zu werden, eine Art Stormwatch für Horror- statt für Science-Fiction-Bedrohungen, und damit lässt sich doch einiges machen. Die erste Ausgabe öffnet auf jeden Fall direkt ein ordentliches Fass, da Frankenstein und die Creature Commandos es sofort mit einer ganzen Stadt voller Monster aufnehmen müssen. Und die Wesensart der ersten paar Protagonisten wird auch direkt deutlich. Nur bei Alberto Ponticelli bin ich mir noch nicht ganz sicher: Zielt er ganz bewusst auf einen unruhigen, unsauberen Zeichenstil ab oder ist das Heft unter Zeitdruck entstanden?

Egal. Jeff Lemire ist dabei, sich in endgültig in der ersten Riege der Comicautoren festzuschreiben und Frankenstein hat mich als Leser für die weiteren Ausgaben an Bord.

ZOOM-FAKTOR: 8 von 10!


MARC-OLIVER: Was Ponticellis ungewöhnlich rauen Stil angeht, tippe ich mal auf Zeitdruck. Momentan läuft noch eine Godzilla-Miniserie bei IDW, die ebenfalls aus Ponticellis Bleistift stammt, und es wäre ungewöhnlich für die US-Branche (wenn auch nicht ausgeschlossen), wenn er die schon seit Monaten abgeschlossen hätte. Macht aber nicht wirklich was, denn wenn einer Comics zeichnen kann, dann macht sich das auch unter Zeitdruck noch bemerkbar. Und Ponticelli ist einer, der kann. Grandios etwa die Doppelseite, auf der man sieht, wie S.H.A.D.E. die von den Monstern eingenommene Stadt abgeriegelt hat und von außen beschießt. Da werden Kleine-Jungen-Träume wahr…

Auch Jeff Lemire liefert hier einen weiteren kreativen Erfolg ab, obwohl Frankenstein wohl wesentlich trashiger daher kommt als die meisten seiner bisherigen Comics. Aber auch dieses Metier liegt ihm offenbar: Er drückt im Seitentakt skurril-abgedrehte Ideen ab, die zwar für sich genommen nicht revolutionär sind, in ihrer Gesamtheit aber einen attraktiven Pott an Seltsamkeiten ergeben. Und wie cool ist es, dass die Bösen einfach mal als „Monster“ bezeichnet werden, ohne dass es weiterer Erklärungen bedarf? Ja mei, Monster halt. Geht’s raus und spuit’s Fußball. Neben den Reizen des Genres hat Lemire aber auch seine Figuren fest im Griff. Da wird schon vieles angedeutet, wofür es sich lohnt, langfristig dranzubleiben. Wenn man mit dieser Art von Story auch nur annähernd was anfangen kann, dann ist man hier richtig.

ZOOM-FAKTOR: 8 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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