Welt am Draht

52 mal berührt: Detective Comics #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 2 von 52: DETECTIVE COMICS #1 von Tony Salvador Daniel.

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altBJÖRN: Das Cover verheißt schon nichts Gutes: Ein grimmiger Batman und ein blutiger Joker zwischen Puppenköpfen. Hart an der Grenze zur Selbstparodie, so wie auch die blumige Ausdrucksweise in Batmans Captions. Oder den Dialogen: „Forget about it, Joker. You can’t run. I own the night.“ Ohnehin sind in Gotham alle Einwohner der völlig überzüchteten Ausdrucksweise verfallen. Mein Lieblingssatz war: „Not a snowflake’s chance in Lucifer’s toilet.“

Das geschriebene Wort ist aber nicht das Einzige, das an dieser Batman-Interpretation schwer erträglich ist. Das was Daniel an Handlung spart, versucht er durch exzessive Gewalt gutzumachen: Menschenhautkappen, durchgebissene Kehlen, Blutfontänen, abgezogene Gesichter und mehrere Panels genüssliches Abstechen … das neue Detective Comics bietet all das, was mich aus dem alten DCU am Ende vertrieben hat. Shock value ohne Funktion, ohne Wirkung.

Zeichnerisch und inhaltlich versucht Tony Daniel, Frank Miller zu kanalisieren: Batman wird gejagt wie in Year One, einige Panels sind fast 1:1 aus The Dark Knight Returns übernommen (mit einem Umweg über Jim Lees Batman) und die Captions wollen den Wahnsinn von All Star Batman & Robin, the Boy Wonder emulieren. Was nur noch verschärft, dass Daniels Batman wie eine schwache Kopie seiner selbst wirkt. Ein gewalttätiger Psychopath, aber kein fähiger Detektiv. Wenn das die neue Interpretation der Figur ist: Okay. Ich glaube aber nicht, dass das der gewünschte Effekt war.

Ach so, die Handlung? Keine Ahnung. Das gesamte erste Heft ist ein fast völlig handlungsbefreites, inkohärentes Durcheinander ohne erkennbare Richtung und mit einem Cliffhanger, der verpufft, weil ich nicht weiß, was er bedeutet. Dinge passieren, aber Daniel nimmt sich nie die Zeit, den Lesern zu erklären, warum sie geschehen, wer die handelnden Figuren in diesen Dingen sind oder warum sie handeln wie sie handeln. Und wenn Daniel nicht den Arsch hoch bekommen kann um mir Gründe zu liefern, warum ich die Serie weiterverfolgen sollte, dann verfolge ich die Serie auch nicht weiter. Scheint mir nach dieser Ausgabe auch kein Verlust zu sein.

Und das neue Batmobil mit H.-R.-Giger-Einschlag sieht richtig beschissen aus …

ZOOM-FAKTOR: 2 von 10!


MARC-OLIVER: Angesichts der Tatsache, dass Tony Daniel schon fast 20 Jahre aktiv ist, fragt man sich schon, wie er’s geschafft hat, in dieser Zeit nicht einmal ansatzweise einen eigenen Stil zu entwickeln. Die Miller- und Lee-Anleihen hast Du erwähnt, zusätzlich gibt’s hier noch ein bisschen David Finch (!) und da noch ein bisschen Andy Kubert, und so weiter und so fort. Im einzelnen sehen die Panels auch teilweise gar nicht so schlecht aus, aber insgesamt ergibt sich daraus ein völlig identitätsloser Brei.

Ich verstehe auch nicht, wieso DC diesen Mann schreiben lässt, denn es ist offensichtlich, dass er’s nicht kann. Das ist immerhin der erste neue Solo-Comic mit Batman, der derzeit wohl kommerziell bedeutendsten DC-Figur. Hier werden zentrale Akteure wie der Joker, Alfred oder Commissioner Gordon eingeführt. Hätte es das Budget gesprengt, dafür einen richtigen Autor zu engagieren? Batman labert und labert die ganze Zeit vor sich hin und scheint in seinen Denkprozessen jeweils drei Schritte hinter dem Leser. Daniels Texte sind dabei immer wieder unfreiwillig komisch, lesen sich wirklich wie eine Parodie: „The ride back to the Batcave gives my brain time to dissect what I saw tonight. I’m trying to figure out what the Joker was doing naked … does he always remove his clothes first?“ Der Joker hat eben einen Typ mit Fleischmaske niedergemacht, dessen kleine Tochter ebenfalls im Raum war. Die Frage, die sich einem geübten Detektiv dann bei seiner messerscharfen Analyse am meisten aufdrängt, ist natürlich … warum der Joker dabei nackt war. Is‘ klar. Gordon wird im gesamten Comic nicht beim Namen genannt, und die förmliche Rede einer Figur wie Alfred überfordert Daniel sichtlich.

Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass Daniel sich schon bemüht hat, einen leicht verständlichen und zugänglichen Comic zu machen, und das ist ihm über weite Strecken auch gelungen. In dem Punkt würde ich Dir widersprechen. Was aber unterm Strich nichts daran ändert, dass dieses Heft für einen Verlag wie DC ein Armutszeugnis ist.

ZOOM-FAKTOR: 2 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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