Welt am Draht

52 mal berührt: DC Universe Presents #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 36 von 52: DC UNIVERSE PRESENTS #1 von Paul Jenkins und Bernard Chang.

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BJÖRN: DC Universe Presents scheint der Ort im neuen DC-Universum zu sein, an den Miniserien gehen, um zu sterben. Die erste Miniserie stellt, in leicht abgeänderter Form, das Konzept von Deadman nochmal vor: Ermordeter Trapezkünstler muss die Leben anderer Menschen leben und verbessern, um zu sich selbst zu finden und eine Chance auf Erlösung zu haben. Das ist ziemlich Quantum Leap (scheint eine populäre Idee zu sein, in diesem Neustart-Universum), bietet aber einiges an erzählerischen Freiheiten, weil Paul Jenkins den Comic in den sechs Heften in jede beliebige Richtung lenken kann.

Es passiert nicht viel in dieser ersten Ausgabe, die eher daran interessiert ist, die Figur Boston Brands etwas genauer auszuleuchten, der zunehmend Menschen helfen soll, die jene Art von Problemen haben, die sich nicht mit ein paar Maulschellen plus Superhelderei lösen lassen. Und nun fängt Brand an sich zu fragen, ob er überhaupt jemals eine Situation wirklich verbessert hat. Jenkins legt ein sehr tragfähiges Fundament für die nächsten fünf Ausgaben und der Endpunkt des Heftes lässt genug Fragen offen, um mich als Leser zurückzuholen. Ein stellenweise holpriger Start, aber das liegt daran, dass Jenkins erst mal die Figur ausgiebig vorstellen möchte, ehe er den Plot in Bewegung setzt. Besser als Hefte, die beides versäumen. (Supergirl, ich gucke in deine Richtung.)

Zwei Fragen bleiben offen: Warum trägt der verwundete Soldat seinen Helm im Büro seiner Psychologin? (Trauma oder fauler visueller Kompromiss, um ihn sofort als Soldaten zu identifizieren?) Und: Wie passt dieser Deadman zu dem Deadman, den wir in Hawk & Dove gesehen haben? Klar, diese Miniserie kann in der Vergangenheit spielen und Deadman fängt erst später an, Dove zu daten. Aber ich interpretiere das hier als weiteren Hinweis darauf, dass DC keinen Masterplan für sein neues Universum in petto hat.

ZOOM-FAKTOR: 6 von 10!


MARC-OLIVER: Mit den Continuity-Fragen beschäftige ich mich nicht so sehr – solange jede Serie für sich genommen schlüssig ist, ist es mir völlig wurscht, ob der Deadman aus Hawk & Dove zu dem aus DC Universe Presents passt. Der Reiz der Marvel- und DC-Figuren liegt für mich gerade darin, dass sie – wenn man sie lässt – Raum für endlos viele, jeweils komplett unterschiedliche Interpretationen von allen möglichen Autoren und Künstlern bieten.

Davon abgesehen kann ich zwar theoretisch nachvollziehen, warum Du das Heft gut findest, aber in der Praxis kann ich leider noch nichts von dem erkennen, was Dir gefällt. Eine an Quantum Leap angelehnte Serie, in der die Hauptfigur über die Leben und Fehler anderer Menschen einen Zugang zu sich selbst findet (siehe auch Peter Milligans Human Target), erscheint mir nämlich eine hervorragende Idee. Das ist eigentlich genau das, worum es in der Fiktion – der guten jedenfalls – geht: Man bekommt im besten Fall einen Einblick in die Hintergründe menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns in ganz speziellen Situationen, und dadurch lernt man – wenn man Glück hat – auch sich selbst etwas besser kennen.

Jenkins deutet das zwar an, liefert konkret aber leider nur langweiliges Expositionsgewichse mit Nebensträngen, die die Story eher verwässern, als sie zu bereichern. Okay: Boston Brand hat sein Leben verjuchheit und bekommt nun über die Leben anderer Menschen eine Chance auf Wiedergutmachung. Muss man das unbedingt auf 20 nimmerendenwollenden Seiten breitkauen? Eine besondere Geschichte hat Jenkins in der Debütausgabe jedenfalls nicht auf dem Herzen. Das ist hier im Grunde genommen eine reine Theoriestunde wie aus dem dramaturgischen Mittelalter der Silver-Age-Flashbacks, nur weniger charmant.

Bernard Changs Zeichnungen gefallen mir sehr gut. Der Mann ist nun auch schon etwas länger im Geschäft und hat sich stilistisch und handwerklich stark weiterentwickelt. An ihm liegt’s nicht. Aber wenn Jenkins mich hiermit überzeugen will, dass er ein tragfähiges Konzept für Deadman hat, dann hätte er das am ehesten geschafft, indem er mir dieses Konzept in Aktion zeigt. Fängt die eigentliche Geschichte dann im nächsten Heft an? Gut möglich, denn gute Ansätze gibt es. Wiederkommen werde ich nach dieser zermürbenden Vorstellung aber nicht, dafür gibt’s zu viele gute Comics.

ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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