Welt am Draht

52 mal berührt: Batwoman #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 19 von 52: BATWOMAN #1 von J.H. Williams III und W. Haden Blackman.

batwoman
altBJÖRN: Batwoman ist der bisher am besten aussehende Comic dieses Relaunchs, und ich bin nicht sicher, ob er noch getoppt wird. Das sollte bei J.H. Williams III zwar niemanden überraschen, aber ich möchte nochmal betonen, dass mich immer wieder begeistert, wie gut er beim Einsatz kreativer, aber nicht störender Panelsetzung ist, wie schick seine Figuren aussehen, wie schön er eine Seite aufbaut und wie gekonnt er Bewegungen einsetzt, um den Leser durch die Seite zu führen. Davon können sich andere Comiczeichner immer noch mehr als eine Scheibe abschneiden. Die Splashpage mit der Wasserleiche im Mucha-Stil fand ich umwerfend.

Auch der Ton, den Williams und Blackman anschlagen, gefällt: Ein wenig schwermütig, eher gothic superhero fiction als direkter Horror, und Geister sind deutlich weniger überstrapaziert als Zombies oder Vampire, die wir in anderen Relaunch-Titeln schon hatten. Batwoman ist eindeutig eine Serie mit eigener Identität. Auch die Interaktion zwischen Batwoman und ihrem Sidekick und Batwoman und Maggie Sawyer gefällt mir. Als Mann fällt es mir schwer zu sagen, ob ein anderer Mann Frauenrollen korrekt schreibt, aber zumindest den Bechdel-Test besteht die Serie ohne Probleme.

Die Geschichte selbst hat mich zwar noch nicht völlig gepackt, aber ich bin durchaus interessiert zu sehen, wie es mit dieser Reihe weitergehen wird und fühle mich (trotz einer „was bisher geschah“-Seite, anhand derer ich Batwomans Vorgeschichte nur in gröbsten Zügen verstehen konnte) als Neuleser nicht überfordert.

Bleibt nur noch eine Frage für mich: Ist die Geheimorganisation im New Yorker Lipstick Building (das es wirklich gibt) ein schon länger existierender Bestandteil der Serie oder ist das mit dem Lipstick Building eine Anspielung darauf, dass die Figur zunächst beworben wurde mit „she’s a lipstick lesbian“?

ZOOM-FAKTOR: 7 von 10!


MARC-OLIVER: Das „lipstick lesbian„-Ding stammt aus einer Schlagzeile und kam bereits 2006 als Reaktion auf den ersten Auftritt der Figur in der wöchentlichen Serie 52. Das ist ziemlich sicher eine Anspielung. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass das Gebäude oder diese Schurken früher schon eine Rolle gespielt hätten.

Ich sehe schon, über Williams‘ Zeichnungen werden wir beide nicht in Streit geraten. Einfach unfassbar, wie gut der Mann inzwischen ist. Kann dem in der Superheldenbranche überhaupt noch jemand das Wasser reichen? Ich glaube eher nicht. Es mag vielleicht Zeichner geben, die ähnlich gute Erzähler sind oder mit vergleichbar innovativen Seitenlayouts glänzen oder stilistisch auch so variabel daherkommen – aber gibt es einen, der all diese Fähigkeiten so gemeistert hat wie Williams? Mir fällt keiner ein. Es ist ein Genuss, diesen Comic einfach bloß anzuschauen. Wobei man Kolorist Dave Stewart und Letterer Todd Klein nicht vergessen sollte, die ebenfalls beide zu den absolut Besten ihres Fachs zählen und das hier auch eindrucksvoll untermauern.

Der Punkt, an dem ich mir bezüglich Batwoman Sorgen gemacht habe, war die Story. Würden Williams und sein Partner Blackman, ein in der Branche noch unbekannter Name, es schaffen, den Abgang von Autor Greg Rucka zu kompensieren, der die vorherige, ebenfalls von Williams gezeichnete „Batwoman“-Reihe in Detective Comics geschrieben hatte? Kurz und knapp: Ja, sie haben’s geschafft, und zwar mehr als nur ordentlich. Batwoman ist eins von nur sehr wenigen Heften des Neustarts, bei denen die Autoren völlig ohne grobe Unzulänglichkeiten im Umgang mit der Geschichte oder der Prosa auskommen. Man kann sich von der ersten bis zur letzten Seite bequem zurücklehnen und die Show genießen, ohne dass man sich über irgendwelche Schnitzer ärgern muss. Die Story ist nicht weltbewegend – ein recht komplexer, düsterer Action-Krimi mit übernatürlichem Einschlag eben –, aber sie macht Spaß, genau wie die Figuren. Absolut empfehlenswert. 

ZOOM-FAKTOR: 9 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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