DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 11 von 52: BATGIRL von Gail Simone und Ardian Syaf.
MARC-OLIVER: Wer sich von dem grotesken Cover-Motiv von Adam Hughes – inklusive aufgespraytem Gesicht – nicht abschrecken lässt, der findet dahinter einen ganz brauchbaren Comic. Keine Selbstverständlichkeit, denn man darf sich schon wundern, warum es so wichtig war, dass hier ausgerechnet Barbara Gordon im Batgirl-Kostüm stecken muss. Die hatte sich ja – vor allem auch dank Autorin Gail Simone – unter dem Decknamen Oracle zu einer der interessantesten und originellsten Figuren des alten DC-Universums entwickelt, nachdem sie in Folge eines Attentats dauerhaft an den Rollstuhl gefesselt worden war. Hier wird dieser Aspekt nun einfach retuschiert: Der Überfall des Jokers hat zwar immer noch stattgefunden, ging jedoch nochmal glimpflich für die gute Barbara aus. Wenn es einen großen Kritikpunkt an diesem Heft gibt, dann den, dass diese Revision ziemlich halbgar erscheint und hier durch den unnötigen Erklärungsbedarf, den die Macher offenbar gesehen haben, in erster Linie wertvollen Platz frisst. Warum nicht einfach eine neue Figur etablieren, die ohne derartigen Ballast auskommt?
Sieht man von diesem Makel ab, ist Simone und Syaf hier ein solider und sehr lesenswerter Superheldencomic gelungen. Die Heldin, ihre Nebenfiguren (Papa Jim Gordon, Mitbewohnerin Alysia) und ein erster Schurke werden gekonnt eingeführt, ohne dass dem Leser dabei Informationen mit der Brechstange beigebracht werden müssen. Das Heft ist so vollgestopft mit Figuren, Szenen und Handlung, dass man nochmal nachzählen muss, um glauben zu können, dass es wirklich nur 20 Seiten hat. Und die letzte davon stößt die Figur in eine Richtung, bei der man tatsächlich mal gespannt sein darf, wie’s weitergeht. Den Machern ist hier trotz schlechter Vorzeichen noch ein ziemlich toller Einstieg gelungen.
ZOOM-FAKTOR: 8 von 10!
BJÖRN: Ich mag Gail Simone wirklich und halte sie für eine der besten Kräfte, die DC hat … und das ist auch der einzige Grund, warum ich Batgirl nicht direkt mit der ersten Ausgabe aufgebe. Dass man Barbara Gordon als Batgirl zurückbringt? Wegen mir, auch wenn ich sie als Oracle schätze, weil sie etwas ganz Eigenes im alten DCU war, nicht einfach nur Frollein Batman. Dass man aber The Killing Joke mit aller Gewalt in der Continuity behalten muss, vielleicht um die Verkaufszahlen nicht zu gefährden, erscheint schon arg gezwungen.
Und auch die eigentlich Geschichte reißt mich mal gar nicht vom Hocker: Der Schurke, Mirror, klaut dreist das Gimmick der Final-Destination-Filme und Simones Versuch, uns vom Konzept einer Heldin mit posttraumatischer Belastungsstörung zu überzeugen, scheitert daran, dass sie es zu heftig versucht. Ich verstehe, dass da eine Schere zwischen Barbaras unsicheren Gedanken und ihren überzogen harten Dialogen vorhanden sein soll, aber etwas subtiler hätte auch gereicht. Ich hatte mental Judge Dredd vor mir, als Barbara an einer Stelle sagt: „Too much red tape, creep.“
Mit dem Konzept kann man gute Geschichten erzählen, aber in dieser Ausgabe klappt das alles noch nicht. So wie auch viele Figuren nicht ziehen: Barbaras neue Mitbewohnerin, die sich als „Aktivistin“ vorstellt, kann gar nicht schnell genug aus dem Heft verschwinden. Simone versteht es eigentlich, Serien zu schreiben, die Spaß machen, egal wie ernst die Materie sein mag. Aber das ist hier nie der Fall.
Und der Cliffhanger ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten: Der Superschurke schubst einen Polizisten aus dem Fenster, während Batgirl nicht handelt, weil sie vor Angst vor der Pistole gelähmt war. Die Partnerin des Polizisten zielt dann auf Batgirl und nennt sie Möderin, weil sie dem Cop nicht half. Nur dass der Kerl, der den Polizisten zum Fenster rausgeworfen hat, keinen halben Meter neben Batgirl steht. Mit einer Pistole in der Hand. Das ist mal ein mit Gewalt zurechtgebogener Cliffhanger!
Über die Zeichnungen von Ardian Syaf sage ich mal wenig, nur dass einige Gesichter arg nach Jim Balent ca. 1997 aussehen. Und dass die Anatomie von Batgirl auf Seite 4 völlig grotesk ist (das Stummelbein). Und dass das neue Kostüm mit all dem Geriffel und Geröhre peinlich aussieht. Und dass das Titelbild von Adam Hughes zeichnerisch noch das Stärkste an diesem Heft ist. Ich vertraue darauf, dass Simone in den Folgeheften besser wird. Schlechter wäre für ihre Verhältnisse nämlich ziemlich schlimm.
ZOOM-FAKTOR: 3 von 10!
Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.