Welt am Draht

52 mal berührt: All Star Western #1

DC Comics startet sein komplettes Superhelden-Universum neu. COMICGATE trifft sich zum Speed-Dating mit den Erstausgaben aller 52 Serien. Wird es dabei zu heißen Spätsommer-Flirts kommen? Zu wilden Schlabberzungenküssen? Oder bleibt es doch eher beim Austausch lauer Unverbindlichkeiten? Hier ist alles drin, Freunde der Sonne. Folge 46 von 52: ALL STAR WESTERN #1 von Jimmy Palmiotti, Justin Gray und Moritat.

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MARC-OLIVER: Das ist eigentlich genau das, was ich erwartet hab, im guten wie im schlechten Sinn: eine weitere Jonah-Hex-Geschichte unter neuem Titel.

Wobei die Story zwar im Wilden Westen spielt, aber eher auf eine Art trashige US-Version von From Hell hinausläuft: Der brutale, kurz angebundene und schlimm entstellte Söldner Jonah Hex wird im Gotham City der 1880er angeheuert, dabei zu helfen, Morde an Prostituierten aufzuklären. Dabei kommt es schnell zu allen möglichen Verwicklungen, mit den üblichen Verdächtigen.

Die Geschichte ist also ein Krimi mit Western-Anstrich, und das deklinieren die Beteiligten routiniert durch. Palmiotti und Gray geben sich mit dem Plot oder den Dialogen keine Blöße, auch die Zeichnungen von Moritat überzeugen. Der Kolorist hat’s mit den Braun- und Grautönen etwas übertrieben – klar, dass es trist und dreckig und rostig und so weiter aussehen soll, aber das geht sicher besser und weniger monoton als hier.

Die Begeisterung, die Jonah Hex Monat für Monat bei seinen ungewöhnlich treuen 10.000 Fans ausgelöst hat, erschließt sich mir persönlich nicht. Aber vielleicht schätzt man ja gerade die unaufgeregte Vorhersehbarkeit und Routine, mit der hier erzählt wird. Ist beim Tatort ja auch so. Mir ist All Star Western sowohl von der Geschichte als auch von der Optik her zu langweilig, es wird aber sicher wieder seine Liebhaber finden. Solide umgesetzt ist es ja allemal.

ZOOM-FAKTOR: 5 von 10!


 

BJÖRN: Als einer von den 10.000 Fans (okay, ich habe immer auf die Paperbacks gewartet): Das mit der Routine trifft es. Jonah Hex war ein Westerngroschenroman mit netten Zeichnungen. Nichts Weltbewegendes, aber ein Lichtblick in einem ansonsten fast völlig toten Genre. Und ich mag das knurrige, amoralische Narbengesicht irgendwie.

Insofern sollte man bei meiner Bewertung des Comics bedenken: Ich bin Zielgruppe. Hex-Leser, Hex-Fan, Batman-Fan. Und als Zielgruppe bin ich mit All Star Western wirklich zufrieden. Den Kopfgeldjäger aus seinem gewohnten Habitat zu entfernen und ihn ins Gotham City der 1880er zu verpflanzen, bietet einiges an Möglichkeiten. Und das Team-Up des völlig skrupellosen Raubeins aus dem Westen mit dem schwülstigen und potentiell Wahnsinnigen Dr. Amadeus Arkham gibt auch ordentlich Stoff für interessante Geschichten. Wobei diese Geschichte eher Krimi als Western ist: Die verkommenen Stiefbrüder von Sherlock Holmes und Dr. Watson jagen Gothams Jack the Ripper. Und dass die Captions total überzüchtet wirken und die logischen Schlußfolgerungen von Arkham bestenfalls albern sind, sehe ich erst einmal als Anzeichen dafür, dass Gray und Palmiotti den guten Doktor direkt als unzuverlässigen Erzähler aufbauen wollen.

Moritat kenne ich bisher aus den ersten vierzehn Ausgaben Elephantmen, wo mich seine Zeichnungen nicht vom Hocker gerissen haben. Ich kann hier mit Fug und Recht feststellen, dass der gute Mann seitdem einen echten Quantensprung gemacht hat und sowohl Gotham City als auch seine Figuren allesamt sehr gefällig sind. Ich mag vor allem die Ausdrucksstärke seiner Gesichter.

Abzüge in der B-Note gibt es für die leichte Formelhaftigkeit und die Prostituierte, die nur vorgestellt wird, um sie dann umbringen zu können und die Geschichte für Jonah Hex persönlicher zu machen. Das ist etwas, worunter auch die bisherigen Jonah-Hex-Stories bisweilen litten. Dafür versöhnt mich der Blick auf die Geschichte Gothams. Wie gesagt: Ich bin Zielgruppe, man nehme meine Wertung darum cum grano salis, aber mir sagt All Star Western sehr zu. Sogar mehr als die bisherigen Hex-Geschichten.

ZOOM-FAKTOR: 7 von 10!


 

Bereits im Juni hatte COMICGATE alle 52 neuen DC-Serien vorurteilslos begutachtet und eingeordnet: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

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