Rezensionen

Yonen Buzz 0-5

Das Cover von Yonen Buzz 5Nach zehn Jahren liegt Yonen Buzz nun endlich vollständig vor. Die Serie startete seinerzeit noch als Prussian Blue bei Carlsen im frisch ins Leben gerufenen Shōjo-Magazin Daisuki. Doch 2004 folgte Christina Plaka ihrem Redakteur Joachim Kaps, der Geschäftsführer von Tokyopop Deutschland wurde, einem neu gegründeten Ableger des japanischen Tokyopop-Verlags. Dort führte sie die Serie unter dem Titel Yonen Buzz weiter. Der erste Band wurde, um einige Illustrationen erweitert, als Yonen Buzz 0 neu aufgelegt; die Serie liegt also mittlerweile vollständig bei Tokyopop vor. Der vor kurzem erschienene Band 5 ist damit eigentlich schon der sechste. Dazu kommt noch das 2007 erschienene Artbook Yonen Buzz United, das auch weitere Kurzgeschichten rund um die Figuren erhält. Yonen Buzz ist also nicht nur die bis dato langlebigste, sondern auch umfangreichste deutsche Mangaserie (gefolgt von Gothic Sports, Life’s Tree Guardian und Personal Paradise mit jeweils fünf Bänden).

 

Deutsche Manga-Eigenproduktionen: eine verfahrene Entwicklung

Seite aus Yonen Buzz 0Das sind natürlich alles noch keine vergleichbaren Verhältnisse zu japanischen Mangaserien. Dennoch lohnt es, hier einmal genauer hinzuschauen, denn die Serie umspannt nicht nur zehn Jahre Entstehungsgeschichte, sondern auch fast die vollständige Geschichte der Manga-Eigenproduktionen in Deutschland. Plaka war die erste deutsche Zeichnerin, die nach Robert Labs von Carlsen für den expandierenden Mangamarkt Anfang des Jahrtausends verpflichtet wurde. Zu jener Zeit zahlten sich viele mutige Innovationen von Carlsen Manga aus – das Veröffentlichen von Lizenztiteln in japanischer Leserichtung, die ersten Boys-Love-Titel, Manga-Anthologien nach japanischem Vorbild wie die Banzai oder eben die bis heute bestehende Daisuki. Und so konnte Carlsen auch mit den Eigenproduktionen blutjunger heimischer Nachwuchs-Mangaka (Labs war bei Erstveröffentlichung 18, Plaka 19) einen überraschenden Boom einfahren.

Insbesondere das Phänomen Judith Park, die kurz nach Plaka in der Daisuki veröffentlichte, löste eine stürmische Welle schnell nachgeschossener Eigenproduktionen und diverser Nachwuchsprojekte aus. Der Großteil der Publikation von Yonen Buzz fällt in diesen Zeitraum, und die Serie erfreute sich zeitweise einer hohen Beliebtheit. Mit Tokyopop machte ab 2004 erstmals ein spezialisierter Manga-Verlag ohne Rückendeckung durch einen europäischen Großverleger den etablierten Verlagen auf dem Mangamarkt Konkurrenz. Angesichts der Erfolge von Carlsen in den Jahren zuvor setzte man erneut auf Eigenproduktionen als Stütze im Verlagsprogramm, die neben den erhofften finanziellen Einnahmen besonders auch einen Image-Gewinn für die Verlage bedeuteten. Eigene Zeichner heißt eigene Stars auf Messen und Conventions; das ausgesprochen teure Einfliegen japanischer Autoren erübrigt sich. Eine Zeitlang konnte man sogar auf internationalen Lizenzmärkten mitmischen.

Seite aus Yonen Buzz 1Doch die übereifrige Newcomer-Förderung schadete der deutschen Zeichnerszene auf lange Sicht eher, als dass sie ihr nutzte. Zu mangelhaft war meist die Qualität, zu oberflächlich die notwendige redaktionelle Betreuung. Die viel zu jungen Zeichner wurden oftmals ins kalte Wasser geworfen statt behutsam betreut. Viele Resultate überzeugten dann weder Zeichner noch Verlage oder gar die Leser. Auflagen und Image der deutschen Eigenpublikationen sanken, die Newcomer-Projekte wurden eines nach dem anderen eingestellt. Noch bevor die ebenso junge wie produktive Szene deutschsprachiger Nachwuchs-Mangaka ihren kreativen Zenit erreichen konnte (der Altersdurchschnitt der publizierten Autoren liegt noch immer bei etwa Mitte 20), droht der Szene bereits die Publikationskernschmelze. Die Kleinverlage und von Zeichnern selbst geführten Dōjinshi-Projekte können zwar einen Teil des Veröffentlichungsdrangs heranwachsender Autoren auffangen, aber selbstverständlich niemanden über den Hobby-Status hinaus versorgen.

Christina Plaka und Yonen Buzz

Seite aus Yonen Buzz 2Plaka selbst ging Anfang 2010 nach Japan zum Studium an der auf Manga spezialisierten Kyōto Seika University. Der fünfte Band lag zu diesem Zeitpunkt, so leakte es rasch, bereits druckfertig bei Tokyopop vor. Dass die Veröffentlichung dann noch fast zwei Jahre auf sich warten ließ, kann man in diesem Kontext jetzt interpretieren, wie man mag. Fakt ist, dass Plaka nach dem vierten Band kurz zu Carlsens Daisuki zurückwechselte und dort das überaus unterhaltsame Fantasy-Abenteuer Herrscher aller Welten veröffentlichte, bevor sie das Ende ihrer Kultserie in Angriff nahm. Insgesamt entstand jedenfalls zwischen den letzten beiden Bänden ein gut dreijähriges Publikationsloch, was es dem Abschlussband natürlich ungemein schwer macht, jetzt noch ein Publikum zu finden.

Doch es wäre ausgesprochen schade, den Manga zu übersehen, denn Yonen Buzz zählt auch heute noch definitiv zu dem Besten, was die deutschsprachige Mangaszene bisher hervorgebracht hat. Der Anfang zumindest ist dabei recht typisch für damalige deutsche Manga. Tatsächlich scheint gerade Prussian Blue bzw. Yonen Buzz 0 einen der Hauptvorwürfe an frühe heimische Manga zu bestätigen: Die Handlung wird nach Japan verlegt – wovon man aber jenseits der Figurennamen nicht viel merkt -, um irgendwie mehr nach Manga auszusehen, was aber mangels Recherche des angeblichen Settings eher aufgesetzt wirkt.

Seite aus Yonen Buzz 3Allerdings liest sich Yonen Buzz bereits von Beginn an äußerst flott und unterhaltsam. Erzählt wird die Geschichte der jungen Rockband Prussian Blue (später in Plastic Chew umbenannt, um die Namensgleichheit mit einer real existierenden amerikanischen Nazi-Girlband zu umgehen), bestehend aus dem halbdeutschen Gitarristen und Sänger Jun, Bassist Atsushi, Drummer Keigo und der zweiten Sängerin Sayuri, die für Juns Jugendfreund Masanori, der die Band überraschend verlassen hat, einspringt. Jun und Masanori teilen eine dunkle Vergangenheit, die die Autorin allerdings erst im letzten Band entgültig aufdeckt. Hauptschwerpunkt der Erzählung liegt von Beginn an auf dem steinigen Weg der Band zum Plattenvertrag, welcher erschwert wird durch deren radikal-punkige und kompromisslose Grundeinstellung, die den Erfolg mindestens ebenso scheut, wie sie ihn sucht. Auf der Schneise zwischen Selbstverwirklichung und den Anforderungen der kommerziellen Plattenindustrie entspinnt sich dann auch das mitreißende Drama von Yonen Buzz, welches die Serien von anderen Musik-Manga abhebt.

Zu Beginn zieht Band-Neuling Sayuri mit in die Band-WG, wo sie ausgerechnet im Zimmer des introvertierten Sängers Jun unterkommen muss. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Romanze, die jedoch schon schon bald auf eine harte Probe gestellt wird. Denn mit der Zeit zeigt sich, dass Sayuris Gesang sich nicht mit dem rauen Sound von Plastic Chew verträgt, und als die Band nach zwei Jahren endlich bei einem Label vorstellig werden darf, bekommt Sayuri kurzerhand ein Angebot für eine Solokarriere im Mainstream. Sie verlässt die Band, um ihren Traum von der Musikkarriere umsetzen zu können. Für Jun bricht die Welt zusammen. Als Ausnahme-Drummer Keigo auch noch von der ungemein erfolgreichen Teenie-Band The Gab umworben wird und der angeschlagene Jun einen Gig vollkommen verpatzt, steht die Band vor dem Aus.

Seite aus Yonen Buzz 4Doch über alle Krisen hinweg schweißt die Jungs ihre Freundschaft und der Traum von ihrer eigenen Band zusammen, und sie wagen einen Neuanfang als The Yonen Buzz. Zudem schneit ihnen der Zufall die moralische Unterstützung von zwei rein weiblich besetzten europäischen Punk-Bands ins Haus: den Deathwar Doctors aus England und dem deutschen Duo Bach vs. Linke. Und auch die mittlerweile zum Star aufgestiegene Sayuri kann Jun nicht vergessen …

Was nach generischem Band-Drama klingt, wird mindestens durch zwei Aspekte zu etwas Besonderem: Zum einen wäre da der emotional unglaublich mitreißende Erzählstil, der das dramatische Potential der Handlung voll ausschöpft und den Leser immer stärker mit dem Schicksal der Band, die sich stetig am Abgrund des Scheiterns entlang hangelt, mitfiebern lässt. Plaka nutzt hier sehr geschickt die wahren Stärken der Erzählform Manga, indem sie durch Figurendramaturgie, innere Monologe und aussagekräftige Perspektiven und Gesichtsausdrücke eine ungemein eindringliche emotionale Wirkung erzielt.

Seite aus Yonen Buzz 5Die zweite große Besonderheit von Yonen Buzz sind die unglaublich intensiv dargestellten Musikszenen. Plaka trumpft bei den Band-Auftritten mit äußerst realistisch portraitierten Instrumenten und höchst spannenden Perspektiven und Seitenkompositionen auf. Oft hat man das Gefühl, die Musik von Yonen Buzz tatsächlich zu hören, während man den Manga liest, was auch an den großartigen, von Plaka selbst verfassten (englischen) Songtexten liegt. Die Luft scheint beim Lesen zu vibrieren; Gänsehaut ist vorprogrammiert. Die intensive Beziehung, die die Autorin selbst zu dem Sound hat, der Vorbild für den Manga steht, vermag sie in Yonen Buzz auf ganz wunderbare Weise zum Ausdruck zu bringen.

Überhaupt beeindrucken die Zeichnungen mit jedem Band mehr. Im gleichen Maße, wie sich die ehemalige Japanologiestudentin Plaka intensiver in ihr japanisches Setting einarbeitet, entfernt sich ihr Stil von den stereotypen Manga-Anfängen, wird realistischer, eckiger, individueller. Auf Rasterfolien verzichtet sie irgendwann fast vollständig. Ihr dynamisches Inking fängt trotzdem jeden ausgefransten Kleidungszipfel perfekt ein.

Nicht nur der Zeichenstil scheint Japan zunehmend den Rücken zu kehren. Auch die realen Bands, die über Plaka auch direkten Einfluss auf die Handlung von Yonen Buzz nehmen, sind zumeist westliche Bands aus den alternativen Rockgenres wie Punk oder Grunge, die zwischen den Kapiteln auch immer wieder liebevoll portraitiert werden, wie Flipper, die Queens of the Stone Age, die Ärzte und natürlich Nirvana, die auch als Katalysator für den traumatisisierten kindlichen Jun wirken. Und während die Autorin sich nach Abschluss der Serie nach Japan absetzt, das sie im Laufe der Serie auch immer authentischer portaitiert, ist es vielleicht bezeichnend, dass ihre Band den umgekehrten Weg geht und am Ende ihr Karriereglück in Deutschand sucht. Das Beste zweier Welten eben. Genau wie deutsche Manga. 


Wertung
: Wertung: 9 von 10 Punkten

Das Beste aus zwei Welten

 

Yonen Buzz
Tokyopop, 2005-2012
Text und Zeichnungen: Christina Plaka
Band 0-5: je 176-192 Seiten, schwarz-weiß mit 4 Farbseiten, Softcover
Preis: je 6,50 Euro
ISBN:
978-3-86580-125-8 (Band 0)
978-3-86580-121-0 (Band 1)
978-3-86580-122-7 (Band 2)
978-3-86580-123-4 (Band 3)
978-3-86580-124-1 (Band 4)
978-3-8420-0000-1 (Band 5)

Yonen Buzz United
128 Seiten, Farbe und schwarz-weiß, Großformat, Softcover
Preis: 18 Euro
ISBN: 978-3-86719-350-4

Verlagsseite für Yonen Buzz

 

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Abbildungen © Christina Plaka