Rezensionen

Wunderwaffen 1 – Der Pilot des Teufels

Cover Wunderwaffen 1Gerade eben erst startete mit WW 2.2 eine Was-wäre-wenn-Comicserie über das Dritte Reich, schon legt auch der All Verlag eine vergleichbare Albenreihe vor. Auch hier wird reale Historie umgeschrieben, wenngleich unter anderen Vorzeichen. In WW 2.2 fiel Hitler einem Attentat zum Opfer, woraufhin sich der Zweite Weltkrieg, mit nur leichten Abweichungen, unter gemäßigter Führung von Reichskanzler Hermann Göring weiter hinzieht.

Die Prämisse von Wunderwaffen ist drastischer und stellt den Kriegsverlauf auf den Kopf: Im Jahre 1944 kommt die deutsche Offensive im Osten nicht zum Stoppen, gleichzeitig misslingt die Landung der Allierten in der Normandie. Adolf Hitler verliert bei einem Attentat seinen Arm und ist im Gesicht teilweise entstellt. 1946 ist der Krieg weiterhin in vollem Gange, die Deutschen sind nicht zuletzt durch eine Reihe tatsächlich fertiggestellter Wunderwaffen in aussichtsreicher Position, den Endsieg erlangen zu können.

Man muss nicht viel drum herum reden: Im Zentrum dieser neuen Comicreihe stehen die technischen Errungenschaften der Nazis. Diese werden erschöpfend in Szene gesetzt und sorgen für tolle und faszinierende Bilder von Luftschlachten. Hier darf Autor Richard D. Nolane (Millennium, The Flying Tigers) seiner Vorliebe frönen und dem Mythos um die von Joseph Goebbels versprochenen Waffen zur Wendung des Krieges Leben einhauchen. In Wunderwaffen wird das ursprünglich Surreale real. Dazu passt auch ein entstellter Hitler, dessen Dialoge nicht nur wegen der ungewohnten Optik einer unfreiwilligen Komik nicht entbehren.

Dass der Comic daneben allerdings durchaus seriöser und realistischer als z.B. WW 2.2 geraten ist, liegt einerseits an den überzeugenden Zeichnungen von Maza (Lady Spitfire), andererseits an dem abwechslungsreichen und mit vielen kleinen Informationen gespickten Szenario. So sieht man zwischen dominanter Flugschau eben auch die Erzählung von Major Murnau, dem „Piloten des Teufels“, welcher von Hitler kritisch beäugt wurde und seinerseits das Regime verabscheute, für die Öffentlichkeit jedoch als Fliegerheld herhalten muss.

Seite aus Wunderwaffen 1Natürlich, der Plot krankt hin und wieder an hölzernen Figuren, altbackenen bis peinlichen Sprech- und Gedankenblasen. Doch der Comic macht einfach Spaß (soweit man bei einem Werk über das Wirken der Nationalsozialisten, auch wenn dieses hier nicht glorifiziert wird, von Spaß reden kann/sollte). Man sieht Hitler und Eva Braun im Flugzeug sitzen, Göring im Luftfahrtministerium und Churchill in der Downing Street. Und spätestens mit den Anspielungen um die neu eingerichtete „spezielle Zone” von Auschwitz (hinter der offensichtlich eine noch nicht näher benannte Grausamkeit unbeschreiblichen Ausmaßes zu stecken scheint) mündet der Spannungsbogen in einem gelungenen Cliffhanger. Nicht zu vergessen die bereits weiter oben erwähnten eindrucksvollen Inszenierungen von Luftschlachten. In diesem ersten Album steckt mehr drin, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Insgesamt schafft es Nolane, ein Bedrohungsszenario aufzubauen, für das die Wunderwaffen der Nazis die Grundlage bilden. Sie symbolisieren eine Übermacht, gegen die die Alliierten nicht anzukommen vermögen. Ein sechsseitiger Artikel im Anhang des Bandes klärt die Hintergründe der damaligen Wunderwaffen-Pläne auf und unterstreicht den Anspruch des Autors, mit seiner Comicerzählung möglichst nah an der Realität zu bleiben. Eine wirklich schöne Abrundung und Einordnung in den zeitgeschichtlichen Kontext.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Spannend und gut recherchiert, trotz kleinerer Mängel ein fantastischer Serienstart

 

Wunderwaffen 1 – Der Pilot des Teufels
All Verlag, Mai 2013
Text: Richard D. Nolane
Zeichnungen: Maza
Übersetzung: Saskia Funke
56 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 15,80 Euro
ISBN 978-3-926970-32-9
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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: All Verlag