Rezensionen

Unter dem Hakenkreuz 1: Der letzte Frühling

 Das erste Comicalbum der Reihe Unter dem Hakenkreuz porträtiert das Leben der Menschen in einer rheinischen Kleinstadt zu Zeiten der sich in der Endphase befindlichen Weimarer Republik. Im Mittelpunkt der 1932 einsetzenden Handlung steht der Jugendliche Martin Mahner, der im Gegensatz zu seinem Vater dem Aufstieg der Nationalsozialisten skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Dann gibt es da noch Gunther, seinen besten Freund und eigentlich eine politisch wenig interessierte Persönlichkeit. Martin, der kulturbegeisterte Schüler, bekommt aber spätestens ab der Machtübernahme Hitlers 1933 hautnah mit, dass sich die Windrichtung auch in seinem Heimatort gedreht hat: ein Boykott jüdischer Geschäfte wird ausgerufen, SA-Männer kontrollieren die Straßen und auch Gunther scheint an der Nazi-Ideologie zunehmend Gefallen zu finden. Am meisten trifft ihn aber sicherlich die Tatsache, dass Katharina, die Tochter der neuen Nachbarn, auf die Martin ein Auge geworfen hat, jüdischer Herkunft ist und deswegen entsprechend in Gefahr lebt.

 Unter dem Hakenkreuz behandelt im Grunde die Zeit vor dem „Dritten Reich“, es ist eine unsichere Zeit, in der Adolf Hitler als aufstrebender Hoffnungsträger gilt und seine Machtausweitung deutliche Spuren in der Bevölkerung hinterlässt. Ähnlich wie Jason Lutes‘ Epos Berlin (Carlsen Verlag) werden die Ereignisse aus dem Blickwinkel des Durchschnitts-Deutschen geschildert. Damit gelingt es dem Band, die damalige Atmosphäre gut einzufangen und zu zeigen, wie sich das Leben der Menschen plötzlich verändert hat.

Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die passende Charakterauswahl des Szenaristen Philippe Richelle. Seine Figuren stehen exemplarisch für alle; Martins Familie und Freunde repräsentieren alle Facetten der Einstellung gegenüber der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der frühen 30er Jahre. Wenn der Vater begeistert einer Rede von Adolf Hitler am Volksempfänger lauscht, gleichzeitig aber meint, man könne nicht alle Juden in einen Topf werfen und Hitler werde sehr wohl zwischen guten und schlechten Juden unterscheiden, dann merkt man, dass Richelle sich Mühe gibt, dass seine Figuren stets vielschichtig bleiben. Ähnlich Gunther, der sein Fähnchen in den Wind hängt und sich von der Nazipropaganda beeinflussen lässt. Damit stößt er wiederum Martin vor den Kopf, auf den Gunthers Veränderung befremdlich wirkt.

 Die sich anbahnende Liebesgeschichte, die sozusagen als B-Handlung fungiert, erstickt im Keim, eben auch aufgrund des Stimmungswandels nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler. Damit ist die Beziehung zwischen Martin und Katharina sprichwörtlich ein Opfer des Hakenkreuzes geworden, weiter gedacht, kann man sogar sagen, dass dem unbekümmerten Hauptprotagonisten durch die Umstände der damaligen Epoche noch mehr genommen wurde, sein Hang zu Literatur und Theater nämlich. Denn für ihn dürfte es zukünftig schwer werden, wie bisher bevorzugt Bücher des jüdischen Autors Stefan Zweig zu lesen und zu verleihen. Nicht von ungefähr wird Martin später, wie man zu Beginn des Bandes erfährt, sagen, man hätte ihm seine Jugendträume genommen.

Mit ganz feinen Strichen setzt Zeichner Jean-Michel Beuriot diese Geschichte um. Ausgefüllt werden seine Bilder mit leichten, realistischen Farbnuancen, in denen sich eine abgrenzende Schattierung erkennen lässt. Auch das wirkt stimmig und fügt sich in ein zufriedenstellendes Gesamtergebnis ein.

 

Unter dem Hakenkreuz 1: Der letzte Frühling
Schreiber & Leser, Juli 2009
Text: Philippe Richelle
Zeichnungen: Jean-Michel Beuriot
88 Seiten, HC, Farbe, 22,80 Euro
ISBN: 978-3-941239-15-9

Historisch wertvolle Serie

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Abbildungen: © Schreiber & Leser