Rezensionen

Träume: Coraline

 Der Name Terry Dodson dürfte bisher vor allem Freunden amerikanischer Superheldencomics bekannt sein. In diesem Bereich hat er an zahlreichen Serien gearbeitet (u.a. Spider-Man-Stories von Kevin Smith und Mark Millar, Harley Quinn und Wonder Woman) und ist als „Good-Girl-Artist“ bekannt, also einer, der besonders gerne weibliche Kurven in Szene setzt. Das vorliegende Album ist Dodsons erste Arbeit für einen französischen Verlag.

Denis-Pierre Filippi erzählt eine Geschichte, die in einer nicht näher genannten Zeit Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts spielt. Coraline, eine selbstbewusste junge Frau, kommt auf ein herrschaftliches Anwesen auf dem Land, wo sie als Gouvernante anheuert. Der Herr des Hauses, stellt sich heraus, ist ein etwa 10jähriges Wunderkind, das den ganzen Tag an irrwitzigen dampfbetriebenen Maschinen arbeitet. Der Fuhrpark des kleinen Bastelgenies reicht bis hin zu metallenen Rössern.

 Steampunk trifft auf eine Jane-Austen-Kulisse, und Terry Dodson kann zeigen, was er drauf hat. Sowohl die tollkühnen Metallkisten des jungen Bastlers als auch viktorianische Herrenhäuser in schöner Landschaft und hübsche Jugendstil-Austattung gelingen ihm vortrefflich. Anders als üblich wird er hier nicht von seiner Frau Rachel getuscht, was seine Zeichnungen, zusammen mit der angenehmen Kolorierung, etwas lebendiger und organischer aussehen lässt als gewohnt.

Alles prima bis hierher. Doch Terry Dodson ist ein Babe-Zeichner, und weil das so ist, hat ihm D.P. Filippi eine Geschichte geschrieben, die leider ebenso banal wie unsinnig ist. Letztlich ist das Album eine Aneinanderreihung von Szenen, die dazu dienen, dass sich die Protagonistin möglichst oft um- oder ausziehen muss. Jede Nacht nämlich öffnet sich der Schrank in Coralines Zimmer zu einer fantastischen Welt, wo sie mehr oder weniger erotische Eskapaden erlebt. Mal in einem Dschungel-Setting, mal auf einem Piratenschiff. Und am nächsten Morgen ist ihr Höschen weg.

„Hoho, wie frivol“, mag da manch alternder Comicleser denken. Mit wirklich prickelnder oder gar gewagter Erotik hat das indes nicht viel zu tun. Tröstlich ist immerhin die Tatsache, dass Coraline zwar etwas einfältig rüberkommt, aber trotzdem weibliches Selbstbewusstsein ausstrahlt. Die beiden Traumszenen enden jeweils mit einer donnernden Ohrfeige für allzu indiskrete männliche Annäherungen.

 Vom Splitter-Verlag wird das in der gewohnt üppigen Ausstattung präsentiert. Die edle Verpackung passt hier jedoch nicht zum Inhalt. Als schmuddeliges Groschenheftchen hätte Coraline vielleicht noch einen gewissen Charme gehabt, so aber ist es seelenlose Hochglanzerotik. Äußerlich recht hübsch anzusehen (zumindest für männlich-heterosexuelle Augen), aber letztlich nichts als pure Oberfläche. Wem das reicht, kann gerne zugreifen. Wer jedoch eine plausible und unterhaltsame Geschichte sucht, wird enttäuscht.

Obendrein hat der Band, der vom Verlag als „in sich abgeschlossen“ angekündigt war, ein offenes Ende, das viele Fragen unbeantwortet lässt. Ob und wann eine Fortsetzung folgt, ist bisher nicht bekannt.

Träume: Coraline
Splitter
, Dezember 2007
Text: D.P. Filippi
Zeichnungen: Terry Dodson
Hardcover; farbig; 56 Seiten; 13,80 Euro
ISBN: 978-3-939823-43-8

Auch als Special Edition mit Figur erhältlich.

Außen hui, innen hohl

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Bildquelle: splitter-verlag.de