Rezensionen

The Essential Howard the Duck (US)

Alles was ich bisher über den Erpel Howard wusste, war, dass er der Star eines eher öden Films war, und dass ich die „Howard the Duck“-Anspielungen in „Lobo the Duck“ (Amalgam) allesamt nicht verstanden habe. Insofern bietet das „Essential“-Paperback eine ideale Gelegenheit, Bildungslücken zu schließen. Und siehe da, der Comic-Howard hat mit dem Filmenterich wenig gemein. Steve Gerber nutzt seinen Comic, um Religion, Philosophie, Moral Values, Präsidentschaftspolitik, die Comicszene, Pornographie und Gewalt im Kino zu diskutieren. Dabei setzt er Howard als Stellvertreter seiner selbst ein. Howard wurde aus seiner Entenwelt auf die Marvelerde katapultiert, allerdings hat die Marvelerde hier viele Züge unserer realen Welt an sich. Gebrochene Herzen und vom Leben gebrochene Menschen lassen sich regelmäßig finden, wobei überzogene Comicparodien wie der Erzschurke Dr. Bong oder der amerikahassende kanadische Superheld „Le Beaver“ (der nie Mitglied von Alpha Flight war, wie ich glaube) trotzdem immer wieder für Humor und Albernheiten sorgen und verhindern, dass der Comic zu depressiv wird. Trotzdem hat vor allem die gefiederte Hauptfigur durchaus Tiefe vorzuweisen. Howard hat mit psychischen Problemen und konstanter Unsicherheit zu kämpfen. Die Außenseiterrolle, die eine Ente in der Menschenwelt einnimmt, nutzt Gerber, um seine eigene Sicht der Dinge zu reflektieren und seine Entfremdung vom Lebensgefühl der Siebziger und sein Unverständnis über viele Aspekte urbanen Lebens wiederzugeben. Dabei merkt man oft, dass er den Dingen nicht weniger ratlos gegenübersteht als Howard.

Natürlich ist die Gesellschaftskritik und die politische Satire vergleichsweise brav und harmlos, oft wünscht man sich, dass Gerber dem jeweiligen Thema mehr Platz eingeräumt hätte und insgesamt ist das auch kein Vergleich zu dem, was man in den U-Comix oder später in Dave Sims frühen „Cerebus“-Comics finden konnte. Aber wenn man bedenkt, dass das hier kein Indie-Comic ist, sondern aus dem Mainstreamverlag schlechthin stammt, dann ist „Howard the Duck“ mit seinen Aussagen und seinen Andeutungen dafür schon recht bissig und gewagt. Besonders Heft 16 zeigt, dass „Howard“ aus dem Rahmen fällt. Als Gerber eine Story nicht rechtzeitig fertigstellen konnte, entschloss er sich dazu, aus dem Heft einen langen Essay über das Schreiben von Comics und über das Leben an sich zu machen, den er als Zwiegespräch zwischen dem Comicmacher Gerber und seiner Kreatur Howard präsentiert. Hier erfährt man auch, wie sehr Howard Teil von Gerbers Persönlichkeit ist, insofern ist es nicht verwunderlich, dass „Howard the Duck“ ohne Gerber erfolglos blieb und dass Gerber so lange um die Rechte an seiner Figur gekämpft hat. Was nach dem Lesen bleibt, ist eine gewisse Enttäuschung, dass diese Geschichten im Kontext dessen, was Marvel in den letzten zwei Dekaden veröffentlicht hat, immer noch radikaler und erwachsener wirken als alles, was die MAX-Schiene so zu bieten hat. Dabei erscheint „Howard“ im Gesamtkontext so radikal nicht mehr. Dennoch scheint es heute unmöglicher als jemals zuvor, dass sich Marvel wieder an so ein Projekt trauen würde, was wirklich schade ist. So bleibt ein durchaus lesenswertes Comicexperiment, das – und hier muss ich Marvel dann doch loben – vorallem wegen dem kleinen Preis für insgesamt fast 30 US-Ausgaben für Leser mit Interesse an Comichistorie immer noch einen Blick wert ist.

The Essential Howard the Duck
Marvel Comics
Text und Zeichnungen: Steve Gerber
Zeichnungen: Val Mayerik, Frank Brunner, Gene Colan u.a.
592 Seiten, $ 14,95
Gut!