Braucht man im Sommer 2013 wirklich noch ein neues Seefahrerabenteuer? Ist das Genre nicht ausgereizt und hat trotz des (bereits abflauenden) Revivals durch Fluch der Karibik nichts Neues mehr zu erzählen? Solche Abenteuergeschichten gibt es ja nun wie Sand am Meer und die Schiffe drohen aufgrund ihrer Überladenheit mit Klischees deutlich abzusaufen.
Schon die Fluch der Karibik-Filme mussten Elemente von Horror und Fantasy einbinden, um alles frisch aussehen zu lassen. Ansonsten ist doch eigentlich alles erzählt. Aber auf die Story kommt es ja oft gar nicht an, sondern mehr auf die Atmosphäre, den Geruch der Freiheit, ein ursprüngliches Leben, was vielleicht keiner mehr leben will, aber von dem man doch noch träumen darf. Da sind Männer noch ganze Männer und die Welt hat noch unbekannte und wilde Landstriche, welche die Fantasie anregen. Seefahrergeschichten sind immer auch Geschichten über den Kampf gegen die Natur, welche auch das Innere der Helden widerspiegeln, man nehme hier nur die genialen Romane von Joseph Conrad. Aber eine jahrtausendalte Sehnsucht, die mittlerweile fast zum reinen Eskapismus geworden ist, ist eben nicht totzukriegen. Und das ist auch gut so.
In Surcouf spürt der französische Schatzjäger und Schriftsteller Erick Surcouf, zusammen mit Co-Autor Arnaud Delalande, seinem Ururgroßvater Robert Surcouf nach, der von 1773 bis 1827 lebte und als legendärer Korsar gilt. Damit gelingt ihnen eine kleine Gratwanderung. Einerseits ist der Comic ein ganz traditionelles Seefahrerabenteuer im klassischen realistischen Zeichenstil, das typische Genreelemente benutzt und keinen neuen Weg einschlägt. Auf der anderen Seite gelingt es den Schöpfern jedoch, die Klischees zu umschiffen. Durch ein einfaches, aber wirkungsvolles Mittel, nämlich durch die gewählte Erzählperspektive.
Ein englischer Journalist bekommt den Auftrag, die Lebensgeschichte von einem der gefährlichsten Kaperfahrer auszuforschen: Robert Surcouf. Das napoleonische Frankreich liegt mit England im Krieg und Surcouf ist äußerst erfolgreich und listig darin, englische Schiffe aufzubringen. Der Journalist bereist Frankreich und die Inseln und erfährt immer mehr über den furchtlosen Kapitän. Doch bereitet er wirklich nur einen Artikel vor?
Indem sich der Journalist auf die Suche nach Hintergrundepisoden macht, ersparen es die Autoren sich, und damit dem Leser, den kompletten Werdegang des Helden zu erzählen. Stattdessen werden von anderen Leuten Schlaglichter und Episoden erzählt, aber da dies in eine übergeordnete Handlung eingebettet ist, zerfasert die Geschichte nicht im Episodenhaften. Dafür haben die Autoren die Fäden zu fest in der Hand, was natürlich hervorragend ist. Nachteilig ist allerdings, dass diese Erzähltechnik zu Lasten einer kontinuierlichen Spannung geht.
Dennoch ist der erste von insgesamt vier Teilen sehr kompakt und jede Episode an sich durchaus packend. Der sehr realistisch gehaltene Zeichenstil von Guy Michel unterstützt das hervorragend und lässt den Leser von jedem einzelnen Tau träumen und ihn die Gischt im Gesicht spüren. Zudem sind die Seiten sehr filmisch gestaltet, doppelseitig angeordnete Panels im Breitformat lassen die gute alte Cinemascopetechnik wieder aufleben. Das suggeriert Bombast und in der Tat ist allein schon der erste Teil prall gefüllt. Die Fortsetzung wird wohl stringenter ausfallen, aber man ist gespannt darauf, da bislang nur das Tableau bereitet wurde und die eigentliche Handlung erst noch beginnen muss.
Wertung:
Zwar relativ episodenhaft, aber dennoch packend und realistisch erzählt.
Surcouf 1 – Die Geburt einer Legende
Splitter Verlag, Juni 2013
Text: Arnaud Delalande, Erick Surcouf
Zeichner: Guy Michel
Übersetzung: Tanja Krämling
48 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-625-7
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag