Dieser Comic hatte schon in Frankreich eine lange Odyssee hinter sich, bis es zu einer Veröffentlichung kam. In all der Zeit hatte sich Autor und Zeichner Bruno Marchand anderen Serien zugewendet (so etwa Dallas Barr), aber nie die mögliche Veröffentlichung dieses seines liebsten Kindes aus den Augen verloren. Schließlich erschien die Serie und kommt nun bei dem noch neuen All Verlag auf Deutsch heraus. Liegt hier ein verkanntes Meisterwerk vor, welches viele Verleger nicht als solches erkannt haben?
Leider nein. Man kann im Gegenteil sogar recht gut verstehen, warum viele nichts mit dem Band anfangen konnten. Mir ging es nämlich ebenso. Bei fast jedem Panel und jeder Szene macht man sich unwillkürlich Gedanken darüber, wie man es anders hätte lesen wollen und was man daraus hätte machen können. Der Stoff hätte eine wundervolle Spionagegeschichte ergeben können. Oder ein Drama. Oder beides, wenn die Heldin ein Notizbuch ihres verstorbenen Vaters sucht und immer mehr über ihn erfährt.
Die junge Marianne lebt in Paris und hängt so ihren Gedanken über Zyklen und kosmischen Verbindungen nach. An Zufälle glaubt sie nicht, aber durch solch einen Zufall lernt sie Peter Banning, einen alten Kriegskameraden ihres verstorbenen Vaters, kennen. Dieser erzählt ihr von einem Notizbuch, welches ihr Vater geführt und einem anderen Soldaten anvertraut hatte, bevor er in Kriegsgefangenschaft geriet und dann dort starb. Marianne ist es wichtig, das Notizbuch zu erhalten, da ihr Vater als Verräter gilt. Sie hofft, ihn dadurch entweder zu rehabilitieren oder zumindest ihn zu verstehen. Peter Banning erklärt sich bereit, ihr zu helfen. Beide ahnen noch nichts von der breiten Ablehnung des Vorhabens und wohin sie ihre Reise führen wird.
In der Aufdeckung von Familiengeheimnissen liegt genügend dramatisches Potential, und im Verbund mit Spionage und Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges hat das durchaus was – erst recht in Verbindung mit Reisen an entfernte und exotische Orte in bester Abenteuermanier. Schritte ins Licht könnte also ein Mix aus Spionage, Abenteuer, Action und Drama sein. Aber leider geht Marchand nicht diesen Weg – als ob er sich krampfhaft jeder Genrearbeit verweigern wollte und so ein Album vorlegt, das nichts ist. Stattdessen ist es sehr geschwätzig und ziemlich esoterisch verbrämt, was man mögen muss, um sich mit diesem Stoff auseinanderzusetzen. Anstatt die Handlung voran zu treiben, werden Überlegungen über das Wesen des Zufalls und Lebenszyklen angestellt. Marchand geht dennoch nicht so weit, Paranormales einzubauen, um einen Mysterythriller zu erschaffen. Zu befürchten ist eher esoterischer Kitsch, wenn es offenbar in späteren Bänden nach Indien und Tibet geht und der dortige Spiritismus in hippiemäßiger Anwandlung eingebaut werden könnte.
Der Stoff ist eigentlich gut für eine breit angelegte Story geeignet. Umso erstaunlicher ist es, dass sie hier erstaunlich mager daherkommt. Denn auf der eigentlichen Handlungsebene passiert nicht viel (Marianne fährt durch Paris, lernt Peter kennen, sie unterhalten sich, sie trifft ihre Freundin und ihren Opa, sie unterhalten sich, sich unterhält sich mit Peter, sie fahren nach London, um verschiedene Personen zu treffen, um sich mit ihnen, man ahnt es schon, zu unterhalten), was nur mühselig durch die vielen Dialoge und einen ausufernden Off-Kommentar kaschiert wird. Auch die Nebenhandlungen tragen nicht sonderlich dazu bei, die Geschichte weiter zu bringen. Inhaltlich hat sich Marchand ziemlich verzettelt und seinen Stoff anscheinend nicht im Griff. Graphisch hingegen ist der Band angenehm klassisch und passt zur geschilderten Epoche. Ganz im typischen klassisch-frankobelgischen Stil gehalten, erinnert das sehr an Edgar P. Jacobs (Blake und Mortimer) mit klaren Linien, aber detailliert ausgestalteten Settings. Retten kann das den Band leider nicht, da er den Leser einfach nicht zu packen vermag.
Wertung:
Graphisch angenehm altmodischer Comic, der sich darin verzettelt, tunlichst keine Genrearbeit, sondern esoterisch verbrämte Entwicklungen abzuliefern.
Schritte ins Licht 1 – Die Geometrie des Zufalls
All Verlag, Dezember 2012
Text und Zeichnungen: Bruno Marchand
Übersetzung: Saskia Funke
48 Seiten, farbig, Hardcove
Preis: 13,80 Euro
ISBN: 978-3-926970-18-3
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: All Verlag