Rezensionen

Schattenbeschwörer

 Comicadaptionen von Romanen, besonders aus dem Fantasygenre, sind momentan sehr beliebt bei Comicverlagen. Werke von Wolfgang Hohlbein, Kai Meyer, George R.R. Martin oder Eoin Colfer werden fleißig in Comicform umgesetzt. Aus England kommt der Fantasyroman Schattenbeschwörer (Shadowmancer) von G.P. Taylor. Das Buch war dort ein Bestseller, ein Film ist in Arbeit und der britische Verlag Markosia setzte es als Comic um. Bei Ehapa gibt es nun eine deutsche Ausgabe.

Die Geschichte spielt im England des 18. Jahrhunderts, wo ein verbitterter Dorfpfarrer sich vom Glauben abgewandt hat und sich lieber der Gegenseite widmet: Schwarze Magie, Okkultismus, Beschwören von Geistern und Dämonen. Natürlich zu dem Zweck, absolute Macht und die Weltherrschaft zu erlangen. Denn Pfarrer Demurral ist hier eindeutig der Böse. Auf der guten Seite stehen die aufrechten Jungrecken Thomas und Kate, die jeweils einen Elternteil verloren haben, und Raphah, ein Junge aus Afrika, der kürzlich mit seinem Schiff gekentert ist. Gemeinsam beschließen sie, sich gegen Demurral zu stellen, und schon haben wir den klassischen Kampf „Gut gegen Böse“, wie man ihn im Fantasy-Genre nur allzu gut kennt. Dazu kommt noch die obligatorische Aragorn-Figur, der zwielichtige Fremde, dem man nicht so recht über den Weg traut, sowie ein ziemlich großes Ensemble von Nebenfiguren. Manche von ihnen, z.B. der Außenseiter Reuben und seine Familie, werden zwar ausgiebig eingeführt, spielen später aber einfach keine Rolle mehr.

Überhaupt wirkt das Tempo der Romanadaption sehr uneinheitlich: Während sich die Story zu Beginn in Ruhe entfaltet, wirkt sie zum Ende hin immer gehetzter, als hätte Tony Lee, von dem das Skript stammt, Probleme gehabt, den kompletten Roman auf die vorgegebene Seitenzahl zu quetschen. Das ist jedoch leider nicht das einzige Problem bei Schattenbeschwörer.

Dass hier eine recht konventionelle, überraschungsarme Gut-gegen-Böse-Geschichte erzählt wird, ließe sich noch verschmerzen. Schwierig wird es aber durch die aufdringliche christliche Botschaft, die sie transportiert. Entsage dem Bösen, lass dich nicht in Versuchung führen, glaube an Gott und er wird dich retten. Die Figur des Raphah könnte man sogar als Platzhalter für Jesus Christus interpretieren. Dazu muss man wissen, dass G.P. Taylor, der Autor der Romanvorlage, ein anglikanischer Priester war, bevor er mit Shadowmancer einen internationalen Bestseller hinlegte. Taylors eindeutige Message machte ihn zu einem beliebten Autor in christlichen Kreisen, wird aber auf der anderen Seite auch als „christliche Propaganda“ beschimpft. Egal, welche Meinung man persönlich in Glaubensfragen haben mag: Die Botschaft wird, zumindest in der Comicversion, zu sehr mit dem Holzhammer vermittelt und ist alles andere als subtil.

 Einen positiven Eindruck machen dagegen die Zeichnungen — zumindest am Anfang. Hauptzeichner des Projekts, das im Original als 10-teilige Heftserie erschien (die dann aber noch vor dem letzten Heft eingestellt wurde und in Buchform abgeschlossen wurde), ist Pedro Delgado, von dem die ersten fünf sowie das letzte Kapitel stammen.
Dessen Stil orientiert sich stark an Vorbildern wie Humberto Ramos (u.a. Crimson, Die Offenbarung). Zwar ist Delgados Stil nicht ganz so detailiert wie der von Ramos, aber sein lockerer Strich und sein sehr dynamischer Seitenaufbau geben dem Comic den nötigen Schwung. Allerdings leistet er sich hin und wieder handwerkliche und logische Fehler: So befinden sich Personen, die im einen Panel zuvor noch an einer bestimmten Stelle gestanden haben, im nächsten Bild plötzlich woanders, und die Anordnung der Sprechblasen wirkt gelegentlich so chaotisch, dass man sich auch als erfahrener Comicleser nicht mehr zurechtfindet.

Ab Kapitel 6 gibt es einen deutlichen Bruch: Statt Delgado zeichnet Stephen Jorge Segovia. Der hält sich zwar an Delgados Charakterdesigns, kann ihm aber ansonsten nicht das Wasser reichen. Der optische Genuss wird ab Kapitel 8 weiter geschmälert, wenn zusätzlich (und schon zum zweiten Mal) der Kolorist wechselt: Waren die Farben von Eva de la Cruz und von Kieran Oats bis dahin stimmig und atmosphärisch, ist die Kolorierung von Ian Sharman schlichtweg fürchterlich: viel zu grelle Farben, zu starke Kontraste, zu wenig sanfte Farbverläufe. Spätestens hier wird aus einem mittelmäßigen Comic ein mäßiger Comic. Das letzte Drittel des Bandes hat bestenfalls noch das Niveau eines amateurhaften Fanprojekts.

Man könnte über solche Schwächen hinwegsehen, wenn die Lektüre wenigstens Spaß machen würde, oder wenn es ab und zu etwas Ironie und Augenzwinkern geben würde. Nirgends ist etwas von Liebe oder Herzblut der Macher zu spüren. Der Schattenbeschwörer-Comic ist durch und durch ein Lizenzprodukt.

Lob verdient immerhin die Tatsache, dass sich Ehapa entschieden hat, die komplette Geschichte in einem dicken Band zu versammeln, der mit Hardcover und einem schmucken Titelbild recht edel aussieht und im Verhältnis zur Seitenzahl relativ preisgünstig ausfällt. Nur leider wird der Inhalt dem schicken Äußeren nicht gerecht, und man wundert sich wirklich, wie es ein so unausgegorenes Produkt ins Programm der Ehapa Comic Collection schaffen konnte.

Schattenbeschwörer
Ehapa Comic Collection, September 2007
Nach dem Roman von G.P. Taylor
Szenario: Tony Lee
Zeichnungen: Pedro Delgado, Stephen Jorge Segovia
Hardcover; farbig; 240 Seiten; 19,95 Euro
ISBN: 3-7704-3121-9

Außen hui, innen nicht so

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Bildquelle: ehapa-comic-collection.de