Rezensionen

Sandman: Ewige Nächte

sandman_cover.jpgNeil Gaiman ist wieder da. Genauer gesagt: Der Sandman ist es, alias Morpheus, Lord Dream oder der Herr der Träume. So genau trennen kann man das nicht. Obwohl der Sandman seinen Ursprung im Superhelden-Kosmos des Golden Age hat und obwohl Gaiman noch diverse andere Veröffentlichungen vorweisen kann, sind er und seine Figur nahezu untrennbar miteinander verbunden. Verwunderlich ist das nicht. Die Sandman-Serie sticht aus Gaimans Gesamtwerk allein wegen ihres bloßen Umfangs heraus. Hinzu kommt, dass Gaiman mit seiner eigenwilligen Neuinterpretation des Sandman mal eben einen Meilenstein der Comic-Literatur hingeworfen hat. Comics wie Die Bücher der Magie und Fables profitieren noch heute davon.

Nun bereitet Panini hierzulande den Neustart der Serie vor. In insgesamt vierzehn Bänden soll die Serie in den nächsten Jahren veröffentlicht werden. Der erste Band „Ewige Nächte“ ist im November 2006 erschienen. Er enthält sieben Kurzgeschichten, die paradoxerweise Gaimans letzte Arbeiten am Sandman-Universum darstellen. In den USA sind sie 2003 erschienen, lange nachdem die Serie bereits abgeschlossen war. So gesehen ergibt es einen Sinn, wenn Gaiman im Vorwort wissen lässt: „Diese Geschichten zu schreiben, war wie nach Hause zu kommen.“

sandman_venedig.jpgTaktisch ist es kein dummer Schachzug, mit „Ewige Nächte“ die Reihe der Veröffentlichungen zu beginnen. Das hat mehrere Gründe. Zunächst sind da die alten Leser, die die Serie bereits kennen. Sie freuen sich über brandneues Material, das bisher noch nicht auf Deutsch veröffentlicht wurde. Dann sind da die neuen Leser, denen ein guter Einstieg in die Serie geboten wird. Die sieben Kurzgeschichten präsentieren die sieben Ewigen, von denen der Namensgeber der Serie einer und eben der wichtigste ist. So lernen neue Leser auf unkomplizierte Weise das Sandman-Universum kennen, ohne Fragmente sammeln zu müssen, wie es stellenweise bei den älteren Geschichten der Fall war.

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Hinzu kommt aber noch ein anderer Punkt. Als Neil Gaiman mit dem Sandman Anfang der Neunziger loslegte, war er zwar schon ein begnadeter Geschichtenerzähler, aber er wollte noch viel Neues ausprobieren. Manchmal ging das schief. Mittlerweile dürfte er routinierter sein, sicher im Umgang mit Werkzeugen und Techniken. Das bekommt auch „Ewige Nächte“ zu spüren. Neil Gaiman ist voll da. Unterstützt wird er von sieben Zeichnern, die auf eindrucksvolle Weise die Persönlichkeiten der sieben Ewigen in Bildern umsetzen.

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Wie bei einer Sammlung von Kurzgeschichten nicht anders zu erwarten, gefallen einige mehr und andere weniger. Zu den Höhepunkten von „Ewige Nächte“ gehört sicherlich die erste Geschichte, „Tod in Venedig“, umgesetzt von P. Craig Russell. Auch die anderen Episoden sind großartig erzählt, wenngleich vielleicht mit etwas weniger Eleganz und Eindringlichkeit. Bewundernswert ist das ausgeglichene Verhältnis zwischen künstlerischem Anspruch und Mainstream-Comic, was ebenso die grafische wie die inhaltliche Arbeit betrifft. Davon könnten sich zahlreiche neuere Fantasy-Publikationen eine Scheibe abschneiden.


Wenn die Arbeit an „Ewige Nächte“ für Neil Gaiman war, wie nach Hause zu kommen, so bleibt zu hoffen, dass er sich mal wieder öfter beim alten Sandman blicken lässt. Gaiman werden Ambitionen nach Hollywood unterstellt, weil sich als Drehbuchautor mehr Geld verdienen lässt. Wünschen wir ihm dabei viel Glück. Den Sandman wird er eh nicht mehr los.

Sandman – Ewige Nächte
Panini, November 2006
Text: Neil Gaiman
Zeichnungen: diverse
164 Seiten, Softcover, farbig; 19,95 Euro
ISBN 3866072708

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